In Köln am Freitag erstmals öffentlich erklungen

Missio: Muezzinruf ist "Zeichen von Normalität" – Appell an Ditib

Veröffentlicht am 14.10.2022 um 14:59 Uhr – Lesedauer: 

Aachen ‐ Seit diesem Freitag gibt es erstmals einen öffentlichen und regelmäßigen Muezzinruf in Köln. Das katholische Hilfswerk Missio Aachen sieht das "als Zeichen von Normalität in einer offenen Gesellschaft" – hat zugleich aber einen Appell an die Ditib.

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Das katholische Hilfswerk Missio Aachen hat an den deutschen Islamverband Türkisch-Islamische Union (Ditib) appelliert, sich für Religionsfreiheit in der Türkei einzusetzen. Er hoffe, dass der erste öffentliche Ruf eines Muezzins an der Ditib-Moschee in Köln "auch zum Weckruf für das umfassende Recht auf Religionsfreiheit von religiösen Minderheiten in der Türkei wird", sagte Missio-Präsident Dirk Bingener am Freitag in Aachen.

Bingener bezeichnete den öffentlichen Muezzinruf "als Zeichen von Normalität in einer offenen Gesellschaft, in der das Menschenrecht auf Religionsfreiheit für alle gleichermaßen gilt". Daraus erwachse für die Ditib aber gleichzeitig "die politische Verantwortung, sich als Teil der türkischen Religionsbehörde für dieses Menschenrecht und die gesellschaftliche Akzeptanz von Christinnen und Christen und anderen religiösen Minderheiten in der Türkei einzusetzen".

Nach seinen Worten fühlen sich Christen in der Türkei oft als "Bürger zweiter Klasse". Beispielsweise sei das Recht christlicher Gemeinschaften auf die Ausbildung ihres theologischen Personals in der Türkei eingeschränkt. Religiöse Minderheiten würden auch in der Schule mit Blick auf den Religionsunterricht oder die Darstellung in Schulbüchern benachteiligt. Angehörige von christlichen Gemeinschaften und anderen Minderheiten erlebten in Sozialen Medien zunehmend Hassrede, die teilweise auch zu gewalttätigen Übergriffen führe, beklagte der Missio-Präsident.

Regelmäßiger Ruf seit diesem Freitag

Seit diesem Freitag gibt es erstmals einen öffentlichen und regelmäßigen Muezzinruf in Köln. An der Ditib-Zentralmoschee im Stadtteil Ehrenfeld ertönte der islamische Gebetsruf gegen 13:25 Uhr über zwei Lautsprecher in einem Innenhof. Bislang hatte der Muezzin nur innerhalb der Moschee gerufen. Dass sein Signal jetzt auch außerhalb zu hören sein darf, sei ein entscheidender Unterschied, sagte der Vertreter des Moscheeverbands Ditib, Zekeriya Altug. "Drinnen praktiziert ist der Muezzinruf immer ein Wehrmutstropfen gewesen. Der fällt jetzt ein bisschen weg."

Vor rund einem Jahr hatte die Stadt Köln ein Pilotprojekt gestartet, wonach der Muezzinruf in islamischen Gemeinden unter Auflagen ertönen darf. Die Kommune begründet den Schritt mit der Religionsfreiheit. An der Zentralmoschee ist die maximal fünfminütige Gebetsaufforderung nun immer freitags in der Zeit zwischen 12 und 15 Uhr zu hören – je nach Jahreszeit und Sonnenstand. Außerhalb des Moscheegeländes darf der Ruf den Auflagen gemäß 60 Dezibel nicht überschreiten. Das ist etwa so laut wie ein Gespräch.

Zu dem ersten öffentlichen Muezzinruf hatten sich nach Gemeindeangaben rund 3.000 Menschen in der und um die Moschee versammelt. Der Muezzin stand im Innenhof des Gotteshauses. Auch Polizeikräfte waren anwesend. Nahe der Moschee erinnerten gut ein Dutzend Demonstrierende an die religiös begründete Unterdrückung von Frauen im Iran. Kritiker warnten zudem, der deutsch-türkische Moscheeverband Ditib sei der verlängerte Arm des türkischen Staats. Altug wies dies am Donnerstagabend bei einer Informationsveranstaltung zurück und sprach von einem "falschen Image". (tmg/epd/KNA)