Streit um Asylbewerber
"Wir erleben überall in Deutschland einen Aufschrei der Flüchtlinge, die sagen: Wir haben nichts mehr zu verlieren", sagte Grünen-Parteichefin Claudia Roth am Freitag in Berlin. Asylbewerber sollten Arbeit annehmen dürfen, auch gehöre die Residenzpflicht zum Aufenthalt in einem bestimmten Gebiet abgeschafft. "Auch Flüchtlinge brauchen das Recht auf Freizügigkeit, sie brauchen dezentrale Unterbringung." Die Bedingungen müssten der Menschenwürde entsprechen und dürften nicht von dem Motiv der Abschreckung geleitet werden, betonte Roth.
Der Innenausschuss-Vorsitzende Wolfgang Bosbach (CDU) hielt dagegen: "Wenn es Asylbewerbern möglich wäre, vom ersten Tag ihres Aufenthalts an in Deutschland zu arbeiten, dürften die ohnehin stark gestiegenen Zugangszahlen noch weiter steigen". Viele Flüchtlinge kämen mit Hilfe von Schleppern und Schleusern nach Deutschland, so Bosbach. Die Nachricht von einer Arbeitserlaubnis würde sich in den Heimatländern der Flüchtlinge in Windeseile verbreiten. "Dann würde wieder einmal mit dem Elend und der Not vieler Menschen ein Geschäft gemacht."
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte, die Asylbewerberzahlen in Deutschland stiegen drastisch an. "Dieses Jahr werden wir voraussichtlich seit langem wieder mehr als 100.000 Asylbewerber haben. Mehr als zwei Drittel aller Asylbewerber werden aber abgelehnt, weil es bei ihnen keine asylrelevante Verfolgung gibt. Wir dürfen den Zustrom von Asylbewerbern nicht noch weiter anfachen, indem wir weitere Anreize für illegale Zuwanderung etwa durch eine generelle Arbeitserlaubnis schaffen."
Kirchenvertreter an der Seite der Flüchtlinge
Vertreter der katholischen Kirche hatten in den vergangenen Wochen mehrfach einen menschlicheren Umgang mit Flüchtlingen angemahnt. So erregte Papst Franziskus mit einem Besuch auf der italienischen Flüchtlingsinsel Lampedusa am 8. Juli große Aufmerksamkeit. Bei einem Gottesdienst mit Flüchtlingen forderte das Kirchenoberhaupt dort mehr Solidarität mit den Menschen, die von Afrika über das Mittelmeer nach Europa kommen. Franziskus beklagte eine "Globalisierung der Gleichgültigkeit". Diese mache alle zu "anonymen Verantwortlichen ohne Namen und ohne Gesicht".
Der Würzburger Bischof Friedhelm Hofmann sprach sich ebenfalls Anfang Juli für eine menschenfreundlichere Behandlung von Asylbewerbern in Deutschland aus. Dazu gehöre auch, "dass wir - so weit wie möglich - bereit sind, Asylsuchenden, die eine Aufenthaltsgenehmigung haben, bei uns Wohnung zu geben", so Hofmann in einer Predigt im Würzburger Kiliansdom. Der Berliner Kardinal Rainer Maria Woelki hat sich am Samstag im RBB-Hörfunk sogar dafür ausgesprochen, mehr Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen .
Auch der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück, macht sich für Reformen in der Asylpolitik stark. Notwendig seien Veränderungen bei der Lebenssituation von Familien in Gemeinschaftsquartieren, der Dauer der Asylverfahren und der Praxis der Residenzpflicht, so Glück Mitte Juli in der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" . Der ZdK-Präsident hatte zuvor gemeinsam mit dem früheren SPD-Vorsitzenden Hans-Jochen Vogel vergeblich versucht, zwischen Asylbewerbern, die in München in einen Hungerstreik getreten waren, und den Behörden zu vermitteln. (stz/dpa)