Lage in Ägypten bedroht auch die Christen im Land

"Letztes Aufbäumen der Islamisten"

Veröffentlicht am 14.08.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Ägypten

Kairo/Bonn ‐ Die Lage in Ägypten eskaliert. Seit die Polizei am Mittwochmorgen in Kairo damit begonnen hat, die Protestlager von Anhängern des gestürzten Präsidenten Mohammed Mursi zu stürmen, herrscht Gewalt in der Stadt und in anderen Landesteilen. Auch die christliche Minderheit ist davon betroffen.

  • Teilen:

"Die Situation ist der Stadt ist zurzeit relativ unübersichtlich", sagte Joachim Schroedel, Pfarrer der deutschsprachigen katholischen Gemeinde in Kairo, gegenüber katholisch.de. Die deutsche Botschaft habe allen Ausländern geraten, zu Hause zu bleiben.

Bei der Räumung des Protestlagers der Muslimbrüder an der Rabea-al-Adawija-Moschee haben Polizisten und Demonstranten aufeinander geschossen. Ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur (dpa) hörte am Mittwochmittag heftige Schusswechsel direkt neben der Moschee und sah, wie gepanzerte Fahrzeuge der Polizei in die Mitte des Zeltlagers vordrangen. In einem anderen Protestlager habe die Polizei dagegen ausschließlich Tränengas eingesetzt, als sie von wütenden Demonstranten mit Steinen attackiert wurde.

Kirche in Flammen

Unterdessen warnte Schroedel, der seit 19 Jahren in Ägypten lebt, vor der Nennung überhöhter Opferzahlen. Dass es ein Massaker gegeben habe, scheine nicht der Fall zu sein. Das Militär gehe mit Bedacht vor. Auch der Sprecher der katholischen Bischofskonferenz in Ägypten, Antoine Rafic Greiche, sagte, Zahlen von mehr als 100 getöteten Anhängern Mursis seien übertrieben.

Player wird geladen ...
Video: © Sarah Schortemeyer

Mina Wageh ist koptischer Christ und lebt seit 8 Jahren in Kairo. Katholisch.de hat ihn beim Weltjugendtag in Rio de Janeiro getroffen und ihn zur Situation in seiner Heimat befragt.

Berichten zufolge haben radikale Islamisten in Oberägypten am Mittwoch drei Kirchen attackiert. Weiter hieß es, die Angreifer hätten Feuer vor den Gotteshäusern in den Provinzen Minia und Sohag gelegt. "Nachdem das ägyptische Innenministerium entschieden hat, die Sit-Ins der Muslimbrüder in Kairo aufzulösen, haben Unterstützer der Muslimbrüder in Oberägypten einen Rachefeldzug gegen koptische Christen begonnen", schrieb die christliche Organisation "Maspero Youth Union" auf Facebook.

Gegenüber katholisch.de sprach der 24-jährige Kopte Mina Wageh aus Kairo via Facebook über die Attacken auf zwei Kirchen. Auch eine Schule steht nach seinen Angaben in Flammen. Die Gewalt gegen Christen rühre seiner Ansicht nach daher, dass Anhänger der Muslimbruderschaft die Kopten für die Räumung der Protestcamps mitverantwortlich machten. "Betet für uns", so Wageh weiter.

Gewalt von einer Minderheit

Laut Pfarrer Schroedel hätten sich die Muslimbrüder von Papst Tawadros II. provoziert gefühlt. Das Oberhaupt der Kopten gehörte zu den zivilen und kirchlichen Autoritäten, die Armeechef General Abdel Fattah al-Sisi flankierten, als er am 3. Juli die Entmachtung Mursis im Fernsehen verkündete.

In der jüngsten Zeit hatte sich Tawadros II. kaum in der Öffentlichkeit gezeigt. Laut Schroedel sehe man in den Straßen wiederholt Graffitis, die den Papst als Hund bezeichnen. "Das ist hier eine ganz schwere Beleidigung", erläuterte er.

Die jetzige Gewalt gegen Christen werde allerdings von einer Minderheit verübt und sei eine Art "letztes Aufbäumen" der Islamisten, so Schroedel gegenüber katholisch.de. "Das Militär wird die Sache beenden, wobei ich das als Europäer und Demokrat mit blutendem Herzen sage."

Dass sich die Lage der Christen im Land allgemein verschlechtert hat, ist laut Schroedel nicht der Fall. Ganz im Gegenteil. Hätten Christen und gemäßigte Muslime erst gemeinsam gegen Husni Mubarak protestiert, seien sie dann zusammen gegen Mursi auf die Straßen gegangen, so Schroedel. Das stärke das Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Update 14.08., 16:30 Uhr: Der ägyptische Übergangspräsident Adli Mansur hat nach schweren Unruhen am Mittwoch für einen Monat den Notstand ausgerufen. Das berichteten die staatlichen Medien. Nach Angaben des Gesundheitsministeriums wurden bei Straßenkämpfen landesweit mindestens 95 Menschen getötet und 874 verletzt. (mit Material von dpa und KNA)

Von Christoph Meurer