Vom Messwein und der richtigen Mischung: Ein Domzeremoniar erklärt
Als Diakon und Domzeremoniar am Münchner Liebfrauendom sucht Bernhard Stürber nicht nur den Messwein aus, sondern schenkt ihn auch den Priestern in der Liturgie ein. Welche Weine kommen in Frage? Warum sind es in der Regel Weißweine? Und wie viele Liter Messwein werden jährlich benötigt? Das und mehr berichtet Stürber im Interview.
Frage: Herr Stürber, ich habe erfahren, dass Sie mit dem Messkelch zur Weinprobe gehen. Stimmt das?
Stürber: Ja, das habe ich tatsächlich gemacht. Ich musste einfach feststellen, dass ein Wein aus einem Metallgefäß anders schmeckt als aus einem Glas. Sobald die Weinsäure in Kontakt mit dem Metall kommt, kann das den Geschmack verändern. Ich empfehle daher jeder Kirchengemeinde, den Wein, den man sich für die Messfeier aussucht, auch vorher aus einem Kelch zu verkosten, bevor man ihn erwirbt.
Frage: Woher beziehen Sie Ihre Messweine für den Liebfrauendom?
Stürber: Wir haben uns für Weine aus den Bischöflichen Weingütern in Trier entschieden. Wir haben einen Wein für die Werktagsmessen und einen für die Sonntagsmesse. Das sind meist Rieslinge. Für die Festtage haben wir etwas edlere Weine ausgesucht. An Weihnachten, Ostern und Pfingsten gibt es daher meist eine Spätlese oder eine Auslese vom Weinhändler um die Ecke.
Frage: Reicht nicht ein ganz gewöhnlicher Wein für die Liturgie?
Stürber: Wenn der Messwein wird für uns in der Eucharistie zum Blut Christi wird, zum Sanctissimum, zum Allerheiligsten, da kann man keinen billigen oder zusammengeschütteten Wein von minderer Qualität nehmen. Es gibt auch kirchliche Vorgaben, wie der Wein beschaffen sein muss: Er muss einem Qualiätswein nach deutschem Recht entsprechen. Die Messweine sind übrigens in aller Regel Weißweine.
Frage: Warum werden in der Regel Weißweine für die Liturgie hergenommen?
Stürber: Zuerst wurden bis ins 14. Jahrhundert in der römischen Liturgie auch vorrangig Rotweine getrunken. Die Farbe Rot verweist auf das Blut Christi. In der Ostkirche verwendet man daher bis heute Rotwein in der Liturgie. Man ist dann aber aus einem ganz einfachen Grund dazu übergegangen, Weißweine zu nehmen: Roter Wein macht rote Flecken auf der weißen Altarwäsche. Und die gehen beim Waschen nicht mehr raus. Wenn der Kelch mit dem weißen Kelchtüchlein gereinigt wird, sieht man das. Die Ostkirche benutzt daher rote Tücher zum Reinigen der Kelche, das macht es einfacher.
Frage: Wie viele Liter Messwein verbrauchen Sie im Münchner Dom jährlich?
Stürber: Früher waren es schon mal bis zu 150 Liter im Jahr. Seit der Corona-Pandemie verbrauchen wir nur noch etwa 20 Flaschen jährlich. Wir brauchen nicht mehr so viel Wein, denn die Kelchkommunion der Gläubigen gibt es fast nicht mehr. Dass alle Priester und die Gläubigen aus einem Kelch trinken, ist derzeit noch nicht möglich. Es trinkt nur noch der zelebrierende Priester den Wein aus dem Kelch. Wenn es Konzelebranten gibt, haben die meist einen eigenen Kelch. Aus Infektionsschutzgründen ist das alles notwendig und sinnvoll. Aber ich fürchte, dass die Kelchkommunion dadurch verloren geht. Die Kommunion unter beiderlei Gestalt entspricht immerhin der Weisung des Herrn. Wir müssen uns dieses Zeichen wieder zurückholen.
Frage: Trinken Sie als Ständiger Diakon noch aus dem Kelch?
Stürber: Ja, wenn ich im Gottesdienst assistiere, kommuniziere ich, außer in den Hochzeiten der Corona-Pandemie, normalerweise unter beiderlei Gestalt. Und es gehört auch dazu, dass ich als Diakon immer den Rest austrinke, der nach der Kommunion übrigbleibt. Das mache ich seit 30 Jahren so und kann sagen, davon bin ich noch nie krank geworden. Ich hatte auch vor der Pandemie keine Bedenken, aus dem Kelch zu trinken, aus dem schon andere vor mir getrunken hatten. Der Kelch ist innen vergoldet und wirkt so antibakteriell. Und Alkohol desinfiziert sowieso. Ich selbst habe da keine Angst, verstehe aber, wenn das dem ein oder anderen nicht behagt. Der Diakon wird auch der "Diener am Kelch" genannt. Denn als Diakon bereite ich den Kelch, indem ich bei der Gabenbereitung Wein und Wasser in den Kelch gieße und dabei bete.
Frage: Wie lautet dieses Gebet?
Stürber: Es ist ein stilles Begleitgebet, das so lautet: "Wie sich das Wasser mit dem Wein verbindet zum heiligen Zeichen, so lasse uns dieser Kelch teilhaben an der Gottheit Christi, der unsere Menschennatur angenommen hat."
Frage: Dosieren Sie die Beigabe des Wassers immer gleich oder je nach Geschmack des Priesters?
Stürber: Ich gieße immer nur ein paar Milliliter Wasser in den Wein. Der Wein soll ja nicht verwässert werden. Früher gab es dafür sogar einen kleinen Löffel dazu, damit nicht zu viel Wasser in den Kelch gegeben wird. Von drei Tropfen war da die Rede. Die Weinmenge muss auf jeden Fall überwiegen.
Frage: Ist Ihnen da schon mal ein Fehler unterlaufen?
Stürber: Oh ja. Es kam ein paarmal vor, dass in beiden Kännchen Wasser drinnen war. Der Wein hat gefehlt. Das sind wirklich Schreckmomente. Da bleibt einem nichts anderes übrig, als in die Sakristei zu laufen und Wein zu holen. Gut, dass ich weiß, wo bei uns die Weinflaschen stehen. Zwar hätte diesen Fehler nur der Priester bemerkt, aber es wäre dann schlicht ungültige Materie für die Eucharistie gewesen. Wir spielen im Gottesdienst kein Theater. Man kann nicht so tun, als ob. Die reale Gegenwart Jesu Christi wird in der Materie Brot und Wein, die uns zum Leib und zum Blut Christi werden, gefeiert und konsekriert. Wenn eines davon fehlt, dann wäre die Wandlung nicht komplett. Wir haben schließlich das Vermächtnis des Herrn und vergegenwärtigen dieses jedes Mal im Gottesdienst, wenn wir hören: "Das ist mein Leib…“ und "das ist mein Blut…". Hierbei darf man sich keine Nachlässigkeiten oder Schlamperein leisten!
Frage: Aber vielleicht hat Jesus hat beim letzten Abendmahl einfach nur irgendeinen Wein getrunken…
Stürber: Das weiß man nicht so genau. Man kann aber davon ausgehen, dass es zur Zeit Jesus schwere Weine gab. Wein wurde haltbar gemacht, indem man ihn einfach so lange erhitzte, bis durch das Verdampfen des enthaltenen Wassers eine dickflüssige, sirupartige Substanz übrigblieb. Daher war es damals üblich, Wasser zum Wein zu reichen, damit er überhaupt trinkbar wurde , so genannter Mischwein. Und dieser Brauch hat sich bis heute erhalten, auch im Gottesdienst. Bis heute wird bei der Eucharistie Wasser zum Wein gemischt. Damit ist aber auch eine besondere Deutung verbunden, die leider immer wieder falsch verstanden wird.
Frage: Was bedeutet denn das Vermischen von Wasser und Wein im Kelch?
Stürber: Oft wird gesagt, dies sei ein Zeichen für die Verbindung der Gottheit und Menschheit Jesu Christi. Diese Deutung ist aber theologisch fragwürdig. Gemeint ist vielmehr: Wir, als Kirche, gehen wie Wein und Wasser in Jesus Christus ein. Wir Gläubige gehen in das Opfer Christi ein. Ein Kirchenlied drückt das wunderbar aus: "Wie Wein und Wasser sich verbinden, so gehen wir in Christus ein". Auch das Bereitungsgebet des Priesters geht in diese Richtung. Sobald er den Kelch in die Hand nimmt, spricht er: "Gepriesen bist du Herr, unser Gott, Schöpfer der Welt. Du schenkst uns den Wein, die Frucht des Weinstocks und der menschlichen Arbeit, … damit er uns zum Kelch des Heils werde." Mit anderen Worten, der Wein, der zum Blut Christi wird, gibt uns Anteil am Leben unseres Herrn Jesus Christus.
Frage: Was bieten Sie in der Frauenkirche den Priestern an, die keinen Wein vertragen?
Stürber: Wenn ein Priester zum Beispiel alkoholkrank ist, darf er mit Erlaubnis des Bischofs mit Traubensaft zelebrieren. Eigentlich sollte es Traubenmost sein, denn der enthält keinen Zucker. Aber in der Münchner Frauenkirche ist mir, jedenfalls aus meiner Zeit als Domzeremoniar, kein solcher Fall begegnet.
Zur Person
Bernhard Stürber wurde 1957 in München geboren, ist verheiratet und Vater von vier Kindern. Er studierte katholische Kirchenmusik und katholische Theologie. Er war viele Jahre Kirchenmusiker in München und wurde 1991 zum Ständigen Diakon geweiht. Seit 1993 ist er Dozent für Liturgik und Kirchenmusik am Priesterseminar der Erzdiözese München und Freising. Er ist Diakon im Hauptberuf und seit Oktober 2012 auch Domzeremoniar am Münchner Liebfrauendom.