Keine Neuauflage 2023 – Jacco Doornbos von Entscheidung enttäuscht

Nach RTL-Absage: "Die Passion"-Erfinder will mit anderen Sendern reden

Veröffentlicht am 22.10.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Berlin/Hilversum ‐ Nach dem Überraschungserfolg in diesem Jahr wollte RTL eigentlich auch 2023 das TV-Live-Event "Die Passion" zeigen. Doch am Mittwoch machte der Sender einen Rückzieher. Im Interview zeigt sich der verantwortliche Produzent Jacco Doornbos entäuscht – und verweist auf die Chancen des Events.

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Es war eine der am meisten diskutierten Fernsehproduktionen des bisherigen Jahres: Das TV-Live-Event "Die Passion", das kurz vor Ostern bei RTL gezeigt wurde. Nach dem überraschenden Quoten-Erfolg der live im Fernsehen übertragenen Aufführung auf dem Essener Burgplatz hatte der Sender eigentlich für 2023 eine Neuauflage geplant. Am Mittwoch machte RTL jedoch einen Rückzieher und kündigte stattdessen an, "Die Passion" doch erst 2024 wieder zu zeigen. Im Interview mit katholisch.de nimmt der niederländische Produzent Jacco Doornbos zu der Entscheidung Stellung und kündigt einen möglichen Senderwechsel an. Außerdem spricht Doornbos, der auch die Aufführung in Essen mitverantwortet hatte, über den langjährigen Erfolg des Formats in den Niederlanden und die Chancen der "Passion" für die Kirchen.

Frage: Herr Doornbos, nach den guten Zuschauerzahlen bei der diesjährigen Deutschland-Premiere von "Die Passion" hatte RTL eine Neuauflage des Formats für 2023 angekündigt. Diese Pläne hat der Sender nun aber doch aufgegeben. Was sagen Sie als Produzent des Formats dazu?

Doornbos: Ich bin überrascht und enttäuscht – auch wenn ich die Entscheidung des Senders natürlich respektiere. Ich kenne bislang nicht die genauen Gründe für diesen Schritt, aber ich persönlich vermute, dass es mit dem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld zu tun hat, in dem wir alle uns derzeit bewegen. Dass ein Sender in einer rezessiven Phase alle Investitionen in sein Programm überdenkt, ist nachvollziehbar.

Frage: RTL hat bislang tatsächlich keine genaue Begründung für die Absage genannt; der Sender sprach lediglich allgemein von "produktionstechnischen Herausforderungen". Was vermuten Sie: Ist es tatsächlich nur das schwierige wirtschaftliche Umfeld oder steckt doch etwas anderes hinter der Entscheidung des Senders?

Doornbos: Wie gesagt: Die genauen Gründe für die Entscheidung kenne ich bislang nicht. Ich denke aber, dass RTL sich angesichts der aktuellen Lage gescheut hat, die notwendigen Mittel für eine Neuauflage der "Passion" im kommenden Jahr bereitzustellen. Sie  müssen bedenken: Die Rezession, auf die wir derzeit in ganz Europa zulaufen, hat auch massive Auswirkungen auf den Werbemarkt und damit auf die Erlöse der privaten Sender. Hinzu kommt, dass sich ein Event wie "Die Passion" erst einmal über mehrere Jahre hinweg etablieren muss, ehe ein Sender daraus auch wirtschaftlich einen Nutzen für sich ziehen kann.

„Ich glaube , dass es immer noch eine Chance gibt, 'Die Passion' auch im kommenden Jahr in Deutschland zu zeigen – wenn nicht bei RTL, dann vielleicht bei einem anderen Sender.“

—  Zitat: Jacco Doornbos

Frage: RTL hat nun eine Neuauflage der "Passion" für 2024 in Aussicht gestellt. Ist das Ihrer Ansicht nach realistisch – oder bleibt die "Passion" in Deutschland ein einmaliges Event?

Doornbos: Haben Sie bitte Verständnis dafür, dass ich dazu zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht so viel sagen kann – dazu ist die Absage von RTL für 2023 noch zu frisch. Ich glaube aber, dass es immer noch eine Chance gibt, "Die Passion" auch im kommenden Jahr in Deutschland zu zeigen – wenn nicht bei RTL, dann vielleicht bei einem anderen Sender. Ich jedenfalls werde meine ganze Kraft dafür einsetzen, dem deutschen Publikum "Die Passion" auch 2023 näher zu bringen. Gerade in diesen düsteren Zeiten würden es viele Menschen sicher schätzen, wenn wir ihnen die berührende Geschichte vom Leiden und Sterben Jesu zeigen würden.

Frage: Ist es nach der Absage von RTL tatsächlich eine realistische Option für Sie, "Die Passion" 2023 bei einem anderen Sender zu zeigen?

Doornbos: Ja, absolut. Das Gute ist, dass wir nach der Entscheidung von RTL nun total frei sind, uns auch nach anderen Optionen umzuschauen – aktuell ist es aber noch zu früh, um mehr dazu zu sagen. Wir sind jedoch fest davon überzeugt, dass "Die Passion" als TV-Live-Event in Deutschland eine große Zukunft hat und damit auch für andere Sender attraktiv ist.

Bild: ©privat

Der Niederländer Jacco Doornbos ist Produzent und hat 2022 unter anderem die erstmalige Aufführung des TV-Live-Events "Die Passion" bei RTL produziert.

Frage:  Sollten die beiden großen Kirchen in Deutschland "Die Passion" stärker als Chance sehen und mögliche weitere Aufführungen des Events künftig – gegebenenfalls auch finanziell – unterstützen?

Doornbos: Das wäre natürlich fantastisch, denn wir werden die Hilfe dringend brauchen. Ich verstehe zwar vollkommen, dass es bei den Kirchen in Deutschland mit Blick auf die erste Aufführung der "Passion" in diesem Jahr viele Fragen und auch Unsicherheiten gab. Aber aufgrund unserer Erfahrungen in den Niederlanden wissen wir, welchen Nutzen "Die Passion" für die Kirchen haben kann. In den Niederlanden kofinanzieren die Kirchen die Aufführungen jedes Jahr mit einem substanziellen Betrag. Und auch darüber hinaus engagieren sie sich stark, indem sie rund um die "Passion" Konzerte, Jugendevents und ähnliche Aktivitäten veranstalten. Die Kirchen in den Niederlanden sehen "Die Passion" als Chance, die Menschen mit dem Christentum und dessen wichtigster Geschichte – dem Tod und der Auferstehung Jesu – in Berührung zu bringen. Ich würde mich freuen, wenn das auch in Deutschland gelingen würde.

Frage: Ich habe gehört, dass die "Passion" in den vergangenen zehn Jahren maßgeblich dazu beigetragen hat, dass Wissen über den Tod und die Auferstehung Jesu in der niederländischen Bevölkerung wiederzubeleben. Stimmt das?

Doornbos: Ja, das stimmt. Ein paar Jahre vor der ersten "Passion" gab es eine Umfrage, aus der hervorging, dass nur noch 27 Prozent der Niederländer die biblische Ostergeschichte kannten. Heute liegt dieser Wert bei, ich glaube, 56 Prozent. Und man kann sehr sicher sagen, dass das eine direkte Folge unserer Aufführungen ist. Ich bin sehr froh über diese Entwicklung, denn egal, ob man es aus historischer, kultureller oder religiöser Perspektive betrachtet: Wir sollten unsere Geschichte kennen – und die Bibel ist ein zentraler Baustein unserer Geschichte. Und wenn immer weniger Menschen in die Kirchen gehen, muss man diese Geschichte halt außerhalb der Kirchen auf den Marktplätzen unserer Städte erzählen.

Von Steffen Zimmermann