Nachfolger von Andreas Sturm spricht im Interview über Amtswechsel

Speyers neuer Generalvikar Magin: Glaube, dass Kirche sich ändern kann

Veröffentlicht am 25.10.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Speyer ‐ Noch immer beschäftigt der Rücktritt von Andreas Sturm als Generalvikar das Bistum Speyer. Im katholisch.de-Interview blickt sein Nachfolger Markus Magin auf den turbulenten Amtswechsel zurück. Er spricht auch darüber, was er sich vorgenommen hat und was ihm Zuversicht im Amt gibt.

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Es begann mit einem normalen Dienstgespräch mit Bischof Karl-Heinz Wiesemann – keine zwei Wochen später war Markus Magin der neue Generalvikar im Bistum Speyer. Gut fünf Monate nach seinem Amtsantritt spricht er darüber, was er sich als Generalvikar vorgenommen hat und warum er glaubt, dass die Kirche sich ändern kann. 

Frage: Herr Generalvikar, Sie haben vor rund fünf Monaten unter – zumindest öffentlich gesehen – ziemlich turbulenten Umständen das Amt des Generalvikars im Bistum Speyer übernommen. Wie haben Sie den Amtswechsel und Ihren Antritt persönlich erlebt?

Magin: Es war auch für mich ein turbulenter Wechsel, weil alles sehr schnell ging. Und natürlich war es auch aufgrund des überraschenden Weggangs von Andreas Sturm kein einfacher, normaler Wechsel. Die Betroffenheit im Bistum war schon sehr groß und wir beschäftigen uns immer noch damit. Das ist nicht einfach abgehakt nach ein paar Monaten.

Frage: Wie lief denn dieser Wechsel konkret ab?

Magin: Die Anfrage an mich kam knapp zwei Wochen vor dem Wechsel. Zunächst war es eigentlich ein normales Dienstgespräch mit dem Bischof an einem Montag. Am Ende des Gesprächs hat mir der Bischof dann erzählt, dass Andreas Sturm gehen will. Dann kam die Frage, ob ich mir vorstellen könnte und bereit wäre, diese Aufgabe zu übernehmen. Ich habe mir dann noch etwas Zeit erbeten, um das zu durchdenken und auch zu durchbeten und habe dem Bischof dann am Sonntagabend zugesagt.

Bischof Wiesemann: Traue der Kirche ganz viel Umkehr und Erneuerung zu

Der Synodale Weg ist für den Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann ein Herzensprojekt. "Mir liegt daran, dass dieses Reformprojekt zum Erfolg wird", sagt er im katholisch.de-Interview. Außerdem spricht er darüber, wie der Synodale Weg seinen Blick auf das Amt als Diözesanbischof verändert hat.

Frage: Kam dieser Schritt von Andreas Sturm überraschend für Sie?

Magin: Ja – und nicht nur für mich: Ich habe niemanden erlebt, der nicht total überrascht gewesen wäre. Es gab gerade in den Tagen nach dem Weggang von Andreas Sturm aber nicht nur Überraschung, sondern auch Betroffenheit. Zum Teil tritt auch heute noch in dem einen oder anderen Gespräch zutage, dass Menschen sehr verletzt sind. Nicht davon, dass er gegangen ist, sondern wie er gegangen ist.

Frage: Jetzt sind einige Monate seitdem vergangen und die Wogen haben sich zumindest aus öffentlicher Perspektive wieder geglättet. Wie gut konnten Sie sich bisher in Ihre Aufgaben einarbeiten? Viel Zeit für Ihre Vorbereitung hatten Sie ja nicht.

Magin: Ich bin immer noch dabei, mich einzuarbeiten. Durch meine Aufgabe als Leiter des Priesterseminars, die ich im Moment immer noch habe, war ich nicht so weit von vielen Prozessen weg, die derzeit im Bistum anstehen und bearbeitet werden. Es ist aber etwas anderes, ob man einen Prozess von außen wahrnimmt oder ihn von innen selbst verantwortet. Deshalb war es für mich in den vergangenen Monaten und ist es auch weiterhin wichtig, Menschen zu begegnen, Einrichtungen kennenzulernen und miteinander zu schauen: Wie kommen wir als Kirche auf einen guten Weg in die Zukunft? Das ist aber ein Prozess, der nicht nach fünf Monaten abgeschlossen ist, sondern der seine Zeit dauert, weil ein Bistum ein immens komplexer Organismus ist. Allein die vielfältigen Strukturen im bischöflichen Ordinariat kennenzulernen und mich darin bewegen zu lernen, ist eine große Aufgabe.

Frage: Haben Sie eigentlich noch Kontakt zu Ihrem Amtsvorgänger Andreas Sturm?

Magin: Es gab natürlich eine Form der Übergabe, aber er muss bei seinen neuen Aufgaben schauen, dass er sich einfindet. Und seine neue Stelle ist ja räumlich doch ein gutes Stück vom Bistum Speyer entfernt. Und ich muss ebenfalls schauen, dass ich mich hier zurechtfinde. Deshalb haben wir eigentlich keinen Kontakt mehr.

Bild: ©Bistum Speyer

"Ich habe im Lauf der Jahre Hoffnung und Zuversicht verloren, dass die römisch-katholische Kirche sich wirklich wandeln kann", schrieb Andreas Sturm in einer sehr persönlichen Erklärung zu seinem Rücktritt als Generalvikar von Speyer. Sein Nachfolger Markus Magin kann diese Diagnose nach eigenen Worten aber nicht teilen.

Frage: Ihr Vorgänger sprach davon, er habe im Laufe der Jahre Hoffnung und Zuversicht verloren, dass die Kirche sich wirklich wandeln kann. Was meinen Sie: Könnte Ihnen das auch passieren?

Magin: Ich kann natürlich nicht prognostizieren, was in drei, fünf oder vielleicht zehn Jahren ist. Wenn ich sehe, wie viele Menschen sich engagieren und sich ganz bewusst in der Kirche mit sehr viel Herzblut und hoher Kompetenz für die Sache des Glaubens einsetzen, dann kann ich diese Diagnose aber nicht teilen. Natürlich haben wir Probleme und große Herausforderungen, vor denen wir stehen. Eine der größten, die mich noch mehr beschäftigt, als ich das vorher vermutet hätte, ist der Themenbereich um die Prävention, Intervention und Aufarbeitung von Missbrauch – eine Aufgabe, die für mich weiterhin große Priorität hat. Aber ich sehe auch, dass es viele Menschen in allen Altersgruppen gibt, die sich an vielen Stellen einsetzen, ob in der Pfarrei, in den Verbänden oder in der Schule. Da geschieht das eigentliche Glaubensleben und da ist Kirche zuallererst. An den Strukturen müssen wir arbeiten und das tut die Kirche in Deutschland ja derzeit intensiv und in einem großen Ringen.

Frage: Was gibt Ihnen denn die Zuversicht, ein solches Amt in der heutigen Zeit anzutreten?

Magin: Diese Frage ist eigentlich ziemlich einfach zu beantworten: Es ist der Glaube, das Vertrauen darauf, dass diese Kirche die Kirche Jesu Christi ist und das Vertrauen darauf, dass er uns und auch mich ganz persönlich begleitet – so wie ich das bisher in meinem Leben auch immer wieder erleben durfte.

Frage: Glauben Sie daran, dass sich die katholische Kirche ändern kann?

Magin: Ja, das glaube ich. Das ist aber keine kurzfristige Sache. Eine Weltkirche, die sich über 2.000 Jahre entwickelt hat und gewachsen ist, braucht auch ihre Prozesszeiten für Veränderungen. Wer in die Kirchengeschichte schaut, der sieht, dass es diese Veränderungen immer wieder gab. Warum sollte es heute anders sein? Wir dürfen aber auch in einer schnelllebigen Gesellschaft nicht meinen, dass sich Dinge von heute auf morgen einfach total ändern können. Das sind Wachstumsprozesse.

Der Speyerer Dom in der Dämmerung
Bild: ©Domkapitel Speyer / Klaus Landry

Als Generalvikar des Bistums Speyer könne er die Weltkirche nicht ändern, sagt Magin. Derzeit arbeitet er mit den anderen Verantwortlichen des Bistums in einem Strategie-Prozess. Darin geht es unter anderem darum, welche Visionen das Bistum aus dem Auftrag Jesu Christi heraus hat.

Frage: Will sich die Kirche denn überhaupt ändern?

Magin: Diese Frage kann man nicht für die Kirche beantworten. Ich erlebe in der Kirche viele Menschen, die Kirche ändern wollen und wollen, dass Kirche sich ändert. Ich erlebe nur sehr wenige, die das nicht wollen und alles wunderbar finden, wie es ist. Die Frage allerdings, wie Kirche sich ändern soll, ist oft heftig umstritten.

Frage: Wie wollen Sie denn selbst in der verantwortungsvollen Position als Generalvikar an der Veränderung der Kirche mitwirken? Oder geht das als Generalvikar gar nicht?

Magin: Das geht als Generalvikar schon auch und man hat sicherlich ein gutes Stück mehr Verantwortung. Aber es ist natürlich auch nicht so, dass ich als Generalvikar des Bistums Speyer die Weltkirche ändern könnte. Ich kann daran mitarbeiten und das will und werde ich gerne tun. Es braucht aber den Beitrag und das Ringen von ganz vielen Menschen. Bei allen Fragen, die inhaltlich auf dem Synodalen Weg diskutiert werden und auch umstritten sind, sieht und erlebt man in Deutschland das sehr ernsthafte Ringen um gute Wege für die Kirche. Und das erlebe ich in unserem Bistum genauso. Dazu kann und will ich auch beitragen.

Frage: Wie kann das konkret aussehen?

Magin: Wir arbeiten derzeit gerade in einem sogenannten Strategie-Prozess, in dem es einerseits um Visionen geht: Welche Vision haben wir als Bistum aus dem Auftrag Jesu Christi heraus? Zum anderen aber auch um die Haushaltsicherung für die Zukunft. Sicherlich werden die rein strukturellen Prozesse aber nicht ausreichen. Auch da zeigt uns ein Blick in die Geschichte, dass es darum geht, immer wieder neu umzukehren und anzufangen, den eigenen Glauben zu vertiefen und zu bezeugen. Auch wenn ich noch nicht konkret weiß, wie solche Prozesse aussehen können, ist es mir ein Anliegen, das anzustoßen, zu begleiten und zu unterstützen. Die Kirche muss ihren Weg also nach innen und nach außen engagiert gehen: nach innen in einer Form der geistlichen Erneuerung, Vertiefung und Umkehr, um dann nach außen hin sprachfähig zu sein und bei allen Fragen, die diese Welt in unserer Zeit hat, Zeugnis geben zu können für diesen Glauben.

Von Christoph Brüwer

Zur Person

Markus Magin wurde 1965 in Ludwigshafen geboren und wuchs in Mutterstadt auf. Nach einer Ausbildung zum Feinmechaniker studierte er Theologie und wurde 1994 zum Priester geweiht. Nach Stationen in der Seelsorge ernannte Bischof Karl-Heinz Wiesemann Magin 2009 zum Regens und Direktor des Priesterseminars St. German in Speyer. Seit dem 13. Mai 2022 ist er Generalvikar und damit Stellvertreter von Bischof Wiesemann und Leiter des Bischöflichen Ordinariats.