Tschechiens Linke wollen Referendum über Kirchengüter

Rolle rückwärts

Veröffentlicht am 25.08.2013 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Politik

Prag ‐ Jahrelang hatten die tschechischen Linksparteien bis aufs Messer gegen eine Rückgabe des nach 1948 von den Kommunisten verstaatlichten Eigentums der Kirchen bekämpft. Vergeblich: Seit einem Jahr ist ein entsprechendes Gesetz in Kraft, und es wurde seitdem, ungewöhnlich genug, auch noch vom Verfassungsgericht gegen einen Einspruch bestätigt. Doch selbst diese klare rechtliche Lage scheint Sozialdemokraten (CSSD), Kommunisten (KSCM) und die Partei von Staatspräsident Milos Zeman (Zemanovci) nicht abzuhalten, einen neue Angriff zu fahren.

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Wie in einer konzertierten Aktion preschten Ende vergangener Woche zunächst die Kommunisten mit der Forderung nach einem Referendum vor. Am Freitag schlossen sich dem die Sozialdemokraten an. Und schon im Präsidentschaftswahlkampf hatte für die Zemanovci deren Ehrenvorsitzender Zeman ein Referendum über die sogenannte Kirchenrestitution verlangt. Diese an sozialistische Zeiten erinnernde Front argumentiert, dass 80 Prozent der stark säkularisierten tschechischen Gesellschaft das Gesetz laut Umfragen ablehnten.

Ein Wert von drei Milliarden Euro

Das von den bürgerlichen Parteien mühsam mit den Kirchen ausgehandelte Gesetz sieht die Rückgabe von früherem Kircheneigentum im Wert von umgerechnet drei Milliarden Euro vor. Als Kompensation für nicht mehr zu restituierendes Eigentum sollen die Kirchen über einen Zeitraum von 30 Jahren zudem umgerechnet 2,3 Milliarden Euro erhalten. Der Staat zieht sich im Gegenzug aus dem Kirchenleben völlig zurück, zahlt beispielsweise nicht mehr die Priestergehälter.

Kardinal Dominik Duka aus Prag.
Bild: ©KNA

Kardinal Dominik Duka aus Prag.

Für die Linken war das Gesetz von Anfang an ein "großer Schwindel". Die Sozialdemokraten versuchten mit einer landesweiten Plakataktion den Eindruck zu erwecken, den Kirchen werde ein riesiges Geschenk gemacht. Auch bei den Kommunisten vermisste man so etwas wie ein Unrechtsbewusstsein für begangenes Unrecht. Dabei hatte das Verfassungsgericht den Parteien gleich nach der politischen Wende 1989 aufgegeben, die Schuld gegenüber den Kirchen und Religionsgemeinschaften schnellstmöglich zu tilgen. Das "schnellstmöglich" mündete in ein mehr als zwei Jahrzehnte dauerndes unwürdiges Tauziehen. Tschechien wurde zum letzten Land des früheren Ostblocks ohne einen Ausgleich mit den Kirchen.

Neue Verhandlungen

Jetzt soll an diesem Ausgleich wieder gerüttelt werden. CSSD-Chef Bohumil Sobotka kündigte am Freitag an, unmittelbar nach den hoffentlich für die Partei erfolgreichen Wahlen mit den Kirchen "neu verhandeln" zu wollen. Es gehe vor allem darum, "die Kompensationszahlungen zu senken". Außerdem wolle man schärfer jeden einzelnen Fall von Rückgabe untersuchen. Es bestehe der Verdacht, so Sobotka, dass auch Eigentum an die Kirchen gegeben werde, das vor der Machtergreifung der Kommunisten 1948 an den Staat gegangen sei. Man werde alle rechtlichen Möglichkeiten für ein Referendum ausloten.

Die Reaktion der Kirchen fiel zunächst noch zurückhaltend aus. Der Prager Kardinal Dominik Duka nannte das Vorpreschen der Kommunisten ein bloßes Wahlkampfgetöse. Er verteidigte den Ausgleich mit dem Staat, weil der der gesamten Gesellschaft zugute komme. Und er erinnerte daran, dass das Gesetz über die Eigentumsrückgabe "ein 20 Jahre währendes, nicht haltbares Provisorium" beendet habe. Nachdem aber nun auch die Sozialdemokraten Front gegen das Gesetz machen, dürfte das Echo aus Kirchenkreisen deutlicher ausfallen.

„Diebstahl fremden Eigentums bleibt Diebstahl - selbst wenn er den Segen von 100 Prozent der Bevölkerung haben sollte.“

—  Zitat: Aus der tschechischen Tageszeitung "Mlada fronta Dnes"

Ex-Finanzminister Miroslav Kalousek warnte nachdrücklich davor, an dem Gesetz zu rütteln. Ein Referendum würde "jede Eigentumssicherheit in Frage stellen". Auch Kommunistenchef Vojtech Filip wisse als gelernter Jurist genau, dass die erzielte Vereinbarung mit den Kirchen nur dann neu aufzuschnüren wäre, wenn dazu auch die Kirchenseite bereit sei. Insofern sei der Vorstoß "nichts anderes als populistisches Geschrei".

Gegen eine neue Debatte wandte sich auch die liberale Tageszeitung "Mlada fronta Dnes", die es in einem Kommentar auf den Punkt brachte: "Diebstahl fremden Eigentums bleibt Diebstahl - selbst wenn er den Segen von 100 Prozent der Bevölkerung haben sollte."

Von Hans-Jörg Schmidt (KNA)