Hanke über Vorgänger Brems: Bild wird nun von Schatten überlagert
Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke hat sich in einem Schreiben an die pastoralen Mitarbeitenden seines Bistums erschüttert über die Missbrauchsenthüllungen im Fall eines Eichstätter Diözesanpriesters gezeigt. "Der Priester hat jungen Menschen entsetzliches Leid zugefügt und wurde in seiner verbrecherischen Handlungsweise nicht gestoppt, sondern scheinbar nur versetzt, obwohl dem Ordinariat Vorkommnisse bekannt wurden", schreibt Hanke in einem auf Montag datiertem Schreiben, das der "Mediengruppe Bayern" (Dienstag) vorliegt.
Der Umgang der damaligen Bistumsleitung mit sexuellem Missbrauch sei eine "erschütternde Verhaltensweise und Vertuschung", so Hanke in seinem Brief. Nach Aktenlage hätten der damalige Eichstätter Bischof Alois Brems (1968-1983) und enge Mitarbeiter "aktiv dazu beigetragen, dass sich der Täter schließlich durch Flucht ins Ausland dem Haftbefehl der Justiz entziehen konnte". Hanke beklagte zudem, dass man dem beschuldigten Priester weiterhin materielle Unterstützung habe zukommen lassen.
"Das Leuchten bei der Erinnerung an ihn wird sich vielerorts mit diesem Schatten verlieren"
Hanke deutet dem Bericht zufolge auch eine Neubewertung des Lebenswerks von Brems an. Das schwere Unrecht könne nicht verschwiegen werden, "auch wenn es manchem schwerfallen mag, Bilder von prägenden Personen des diözesanen Lebens der jüngeren Vergangenheit hinterfragen und korrigieren zu müssen." Viele hätten Brems persönlich gekannt, er selbst sei von ihm zum Priester geweiht worden. "Sein Bild wird nun von einem Schatten überlagert", so Hanke. "Das Leuchten bei der Erinnerung an ihn wird sich vielerorts mit diesem Schatten verlieren." Laut Bericht hat in Eichstätt bereits eine Diskussion über eine Neubewertung von Brems Lebenswerk begonnen, der 1980 Ehrenbürger seiner Heimatstadt wurde. Einen ähnlichen Schritt deutete auch Hanke in seinem Schreiben an: "Wir werden ihn und sein Wirken angesichts dieser Handlungsweisen neu betrachten lernen müssen, wenn wir die Ereignisse setzen lassen konnten."
Konkret geht es in dem Fall um einen Eichstätter Diözesanpriester, der sich als sogenannter Fidei-Donum-Priester nach einer Missbrauchsanzeige einer jungen Frau 1969 zunächst nach Afrika abgesetzt und ab 1973 für weitere elf Jahre in Brasilien untergetaucht sein soll. Der Fall ist Teil des Berichts der Kölner Rechtsanwältin Bettina Janssen, die sich im Auftrag der Deutschen Bischofskonferenz mit im Ausland tätigen Priestern beschäftigt und ihre Untersuchung am 8. August veröffentlicht hat. Janssen zufolge hätten der damalige Adveniat-Funktionär Emil Stehle und die Eichstätter Diözesanleitung unter Bischof Brems den Priester vor Strafverfolgung geschützt, indem sie im Ausland zu seiner Tarnung beitrugen, etwa durch die Abänderung seines Namens bei Korrespondenzen und Geldüberweisungen.
1984 ist der Priester nach Verjährung der Vorwürfe und Einstellung der Fahndung nach Deutschland zurückgekehrt, zunächst aber nicht in sein Bistum, sondern in das Erzbistum München und Freising. Dort wurde er zwei Jahre lang als Seelsorger in der Pfarrei Garching an der Alz eingesetzt – der Pfarrei, in der ein Jahr später der wegen Kindesmissbrauch vorbestrafte Wiederholungstäter Peter H. von der Münchener Bistumsleitung mit der Seelsorge beauftragt wurde. Der Eichstätter Priester übernahm im Herbst 1986 eine Pfarrstelle in seinem Heimatbistum, ging 2005 in Ruhestand und starb 2016. An allen deutschen Einsatzorten wird inzwischen nach möglichen Betroffenen gesucht.
Auch missio München drängt auf Aufklärung
Unklar ist, warum das Bistum Eichstätt den Priester nach seiner Rückkehr nach Deutschland zunächst nicht bei sich arbeiten lassen wollte. Diese Frage wurde bereits im Janssen-Bericht gestellt, wurde aber bislang nicht beantwortet. Zuletzt drängte auch das katholische Hilfswerk missio München auf eine externe Untersuchung des Falls. Laut Janssen-Bericht ist ein vom Brems verfasstes Schreiben vom 26. Juli 1974 an missio München weitergeleitet worden. Der genaue Zeitpunkt ist jedoch unklar. Eine Sprecherin betonte am Dienstag, dass der Brief in den Akten des Hilfswerks bisher nicht auffindbar sei.
Die "Mediengruppe Bayern" hatte am Wochenende erstmal über den Fall berichtet. Damit sei sie einem diözesanen Untersuchungsbericht zu diesem Fall zuvorgekommen, der erst fertiggestellt und dann veröffentlicht werden sollte, schreibt Hanke in seinem Brief. Der neue Eichstätter Generalvikar sei seit seinem Amtsantritt unterwegs, um an früheren Einsatzorten des Geistlichen zu informieren und mögliche Betroffene auf die Unterstützungsangebote aufmerksam zu machen. Man wolle aus der Vergangenheit lernen, betont der Bischof: Bei der Aufarbeitung des Missbrauchs sollten demnach die Opfer und Betroffenen besonders im Fokus stehen. (cbr)