Unter Orgelklängen in Heimat empfangen – "Sie steht!"

Einst geköpfte Marienstatue kehrt erhobenen Hauptes zurück

Veröffentlicht am 29.10.2022 um 16:04 Uhr – Lesedauer: 

Straubing ‐ Eigentlich sollte der "Klinikaufenthalt" für die geköpfte Straubinger Madonna in Neuss nur wenige Monate dauern. Am Ende wurden es fast zwei Jahre. Nun ist die restaurierte Marienstatue wieder wohlgenesen in ihrer Heimat angekommen.

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Es ist 11.02 Uhr, als es ernst wird. Langsam senkt sich die Ladeklappe des Transporters und gibt immer mehr den Blick frei auf den kostbaren Inhalt. "Sie steht!", ruft Marcel Offermann erleichtert aus, als er den oberen Teil der in dickes Plastik gehüllten Marienstatue sieht. Über 600 Kilometer war die von ihm restaurierte Figur aus dem rheinischen Neuss per Lieferfahrzeug ins niederbayerische Straubing transportiert worden. Liegend hatte die durch Medien bekannt gewordene "geköpfte Madonna" im Dezember 2020 ihre Heimat gen Nordrhein-Westfalen verlassen, aufrecht und erhobenen Hauptes kehrte sie nun zurück in ihre Heimat.

Eine kleine Schar von Gläubigen hat sich mit Pfarrer Johannes Hofmann und seinem Seelsorgeteam in der Turmstube von Sankt Jakob zu einer Andacht eingefunden. Sie alle warten auf Maria. An der Rückwand steht bereits ein Tischchen mit einem Blumenstrauß darauf, dahinter zwei große, silberne Kerzenleuchter. Da endlich kommt sie angerollt auf der Sackkarre, auf die Offermann und seine Leute die schlanke, aber doch 230 Kilogramm schwere Gottesmutter gehoben haben. Dann ist es soweit. Wie Kinder, die sich an Weihnachten freuen, endlich ihr Geschenk auspacken zu dürfen, befreien die Männer nach und nach die Figur aus der Folie. Zugleich spielt die Orgel "Gegrüßet seist Du Königin!".

Geköpfte Marienstatue in Straubing
Bild: ©Bistum Regensburg/Ulli Scharrer

Der Fall der enthaupteten Madonna aus Straubing hat in den Medien für große Aufmerksamkeit und Bestürzung gesorgt.

Als erstes wird das liebliche Antlitz sichtbar. Die blauen Augen und das freundliche Lächeln dieser Frau schauen einen an. Fast hat man den Eindruck, als möchte sie erleichtert sagen: "Es ist geschafft." Das Schicksal dieser künstlerisch eher einfachen Madonnenfigur rührte vor zwei Jahren viele Menschen, die davon über die Facebook-Seite des Bistums Regensburg oder über Zeitungen und andere Medien erfuhren. Ein Polizist auf dem Weg zum Dienst hatte den abgeschlagenen Kopf mit einer übergezogenen Mund-Nase-Maske vor dem Eingang der Jesuitenkirche gefunden. In deren Vorraum stieß er dann auf den übrig gebliebenen Rest.

Offermann stieß bisweilen "unkatholische Flüche" aus

Auch der einstige Messdiener Offermann hörte von der Geschichte. Als ein Fachmann behauptete, man könne Maria nicht retten, sei sein Ehrgeiz als Restaurator geweckt worden, sagt er. Der "Puppendoktor" aus Neuss bot seine unentgeltliche Hilfe an und erhielt dabei Unterstützung von seinen Schützenbrüdern, darunter zwei Muslime. Die Beschädigungen stellten sich aber als umfangreicher heraus als zunächst vermutet. Vor allem war Feuchtigkeit in die Figur eingedrungen. Ein halbes Jahr verbrachte die Gottesmutter deshalb nahe der Heizung, um zu trocken.

Erst dann konnte Offermann Hand anlegen. Doch das vor 100 Jahren verwendete Material unterschiedlicher Güte ließ ihn bisweilen "unkatholische Flüche" ausstoßen. Beim Versuch, Dübel zu setzen, um Stabilität im Corpus für den wieder aufzusetzenden Kopf zu bekommen, zerbröselte ihm der Kalksandstein. Retter in der Not war ein Ingenieurteam der bayerischen Firma Hilti. Auch den Experten gingen erst acht Diamantbohrer kaputt. Mit chemischen Dübeln, mit denen sonst Autobahnbrücken zusammengehalten werden, klappte es letztlich.

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Maria hatte ihr Haupt zurück; das eigentliche Restaurieren mit Schleifen und der späteren Kosmetik konnte beginnen. "Wir wollten den alten Glanz erhalten und damit auch die vorgegebenen Farbgebung", sagt Offermann. So wie die Madonna dasteht, wirkt sie tatsächlich so, als hätte ihr der Klinikaufenthalt samt Wellness-Kur gut getan. Pfarrer Hofmann spendet ihr seinen Segen. Glücklich über die Rückkehr von Maria ist auch der rumänisch-orthodoxe Pfarrer Vasile Florin Reut, dessen Gemeinde als Gast in der Jesuitenkirche regelmäßig Gottesdienste feiert. Er spricht angesichts der gelungenen Restaurierung gar von einem "Sieg über das Böse".

Die Kosten von insgesamt schätzungsweise 20.000 Euro übernahmen Spender und Sponsoren. Der mutmaßliche Täter, ein 20-jähriger Mann, war von der Polizei zwar ermittelt worden. Im August 2021 kam er aber wieder auf freien Fuß, "da er krankheitsbedingt schuldunfähig" ist, wie die Staatsanwaltschaft Regensburg mitteilte. An ihren alten Wirkungsort soll die Madonna im Advent zurückkehren. In dieser Zeit wird der christliche Brauch des "Frauentragens" gepflegt – kräftige Männer werden schon mal gesucht.

Von Barbara Just (KNA)