Ex-Kanzler-Vertrauter sollte Kirche "mit Vernichtung" drohen
Der frühere Chef der österreichischen Staatsholding ÖBAG und ehemalige Vertraute von Ex-Bundeskanzler Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP), Thomas Schmid, hat erklärt, im März 2019 habe Kurz ihn beauftragt mit der Androhung der "Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz der Kirche". Das geht zumindest aus einem Geständnis hervor, das Schmid in einer von zwei am 19. Oktober veröffentlichten Anzeigen an die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) schrieb – wie das Portal derstandard.at berichtete.
Anlass war demnach die Kritik von Kardinal Christoph Schönborn an der Asylpolitik der Wiener Regierungskoalition aus ÖVP und FPÖ, vor allem an der geplanten Sicherungshaft an bestimmten Asylbewerbern. Rückblickend gesehen hatte Schmids Androhung keine konkreten Folgen für die Kirche, wie deren Vertreter seither mehrfach bestätigten.
Bekannt wurde der von Schmid geschilderte Vorfall durch die Veröffentlichung von Chat-Protokollen, bei denen Kurz ihn aufforderte, "Vollgas" gegen die römisch-katholische Kirche zu geben. Die Anweisung des damaligen Regierungschefs habe er als Anstiftung zur "gefährlichen Drohung" gegen die Kirche verstanden, so Schmid, damals noch Generalsekretär im Finanzministerium. Umgesetzt wurde diese Anweisung bei einem Treffen mit Peter Schipka, dem Generalsekretär der Bischofskonferenz.
"Ja super. Bitte Vollgas geben."
Zur Erinnerung: Bei den Ende März 2021 vom Magazin "profil" veröffentlichten Chat-Protokollen hatte Schmid, damals kurz vor dem Wechsel an die ÖBAG-Spitze, an Kurz geschrieben: "Heute ist die Kirche bei uns Schipka kommt um 16.00 Wir werden Ihnen ordentliches Package mitgeben Im Rahmen eines steuerprivilegien Checks aller Gruppen in der Republik wird für das BMF auch die Kirche massiv hinterfragt Alles sind gleich Dann gehen wir unsere Liste durch. LG Thomas", worauf Kurz antwortete: "Ja super. Bitte Vollgas geben.", und Schmid: "Yea! Das taugt mir voll".
Nachdem es kurz darauf – am 13. März 2019 – zum Gespräch mit Schipka kam, schrieb Schmid noch am selben Tag an Kurz: "Also Schipka war fertig! Steuerprivilegien müssen gestrichen werden Förderungen gekürzt Und bei Kultus und Denkmalpflege wesentliche Beiträge Heimopfergesetz werden wir deckeln Er war zunächst rot dann blass dann zittrig Er bot mir Schnaps an den ich in der Fastenzeit ablehnte weil Fastenzeit Waren aber freundlich und sachlich". – Der Kanzler bedankte sich: "Super danke vielmals!!!! Du Aufsichtsratssammler :)"
Kirche in Österreich zu Chatprotokollen: Wir sind nicht käuflich
Momentan sorgen Chatprotokolle von Bundeskanzler Sebastian Kurz für Aufsehen in Österreich: Wollte die einstige Regierung die Kirche wegen ihrer kritischen Haltung zur Asylpolitik unter Druck setzen? Die Bischofskonferenz nahm nun dazu Stellung.
Mit den "Steuerprivilegien" bezog sich Schmid unter anderem auf steuerliche Regelungen für Stiftungen aller religiösen Körperschaften in Österreich. Das Stichwort "Heimopfergesetz" galt einer 2017 beschlossenen Rente für Opfer von Misshandlungen in Heimen aller Träger im Land. Wie inzwischen bekannt wurde, war Schmid, obschon in leitender Position im Finanzministerium, mit den konkreten Sachverhalten nicht besonders gut vertraut. Zudem räumte er ein, dass er, um Kurz "nicht zu enttäuschen", die Wirkung seines Auftritts bei Schipka übertrieben habe.
Ex-Kanzler Kurz, inzwischen von weiteren Aussagen des jüngst zum Kronzeugen-Anwärter gewechselten Schmid belastet, hatte sich davor ebenfalls zur Causa "Vollgas" geäußert. Es handle sich dabei um eine der wenigen Episoden aus seiner Regierungszeit, die er bereue, gab der frühere Spitzenpolitiker in Interviews anlässlich seiner Buchveröffentlichung "Reden wir über Politik" zu verstehen. Seine Diktion bezüglich steuerlicher Sonderrechte der katholischen Kirche würde er nicht noch einmal verwenden. Sonst habe er aber in seiner ganzen Zeit in der Politik gut mit der katholischen Kirche "zusammengearbeitet", erklärte er Mitte Oktober der "Wiener Zeitung".
Lackner: Verhältnis der Kirche zur Regierung "nicht beschädigt"
Für die Bischofskonferenz und ihren Generalsekretär dürften die politische Drohgebärde und die Chats nicht mehr als eine peinliche und längst bereinigte Episode sein. So hat der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Franz Lackner, bereits im Juni 2021 mit Blick zu der Episode festgehalten, das Verhältnis der Kirche zur Regierung sei "nicht beschädigt". Die katholische Kirche fühle sich jedenfalls "nicht beleidigt". Und für die Wortwahl in den Chats wolle er "keine Noten verteilen", sagte der Salzburger Erzbischof damals.
Zuvor hatte Schipka Anfang April im Interview mit Österreichs Kirchenzeitungen dargelegt, wie er das Gespräch mit Schmid empfunden habe: "Thomas Schmid und sein Kollege waren bei mir, um anzukündigen, dass man mit uns hart verhandeln will. Das ist ungewöhnlich, entweder man verhandelt hart oder nicht. Sonst war es ein angenehmes Gespräch, ganz anders als man aus dem Chatverlauf den Eindruck hat. Es war sachlich und freundlich, wie am Ende der besagten SMS auch steht."
Er habe sich im Anschluss an das Gespräch zwar keine Sorgen gemacht, "aber ich habe mich gefragt, was das soll". Und zu den öffentlich gewordenen Chatverläufen fügte der Bischofskonferenz-Generalsekretär hinzu: "Die Sache ist wirklich sehr peinlich, aber nicht für mich. Ich empfinde es als eine Art Politik zu machen, die sich nicht gehört."