"Alter Dom" in Mainz: Neue Ausgrabungen des "Erkanbald-Entdeckers"
Es war ein sensationeller archäologischer Fund: Forscher in weißen Schutzanzügen öffneten im Juni 2019 einen rund 1.000 Jahre alten Sarkophag in der evangelischen Johanniskirche in Mainz. Danach dauerte es fünf Monate, bis sich das Rätsel um die bestattete Person löste: In dem Grab liege tatsächlich der 1021 verstorbene Mainzer Erzbischof Erkanbald bestattet, sagte Forschungsleiter Guido Faccani im November 2019 vor Journalisten. "Er ist es! Im Sarkophag liegt Erkanbald", jubelte er.
Am vergangenen Dienstagabend präsentierte Faccani neue archäologische Erkenntnisse, die nahelegen, dass es Christen in Mainz schon in der Spätantike, im fünften oder sechsten Jahrhundert in dieser Kirche gab – und sie dort ein Taufbecken hatten. "Die vertieft im Raum liegende rötliche Mörtelfläche könnte der Rest eines Taufbeckenbodens sein", so Faccani. Die Form des Beckens gehe aus den geringen Resten nicht mit Sicherheit hervor.
Einst Mainzer Kathedrale
Möglicherweise wurde das Taufhaus im Laufe des Frühmittelalters sogar wieder aufgegeben – denn der Übergang von der Erwachsenentaufe zur Kindstaufe im Laufe des sechsten und siebten Jahrhunderts lief wohl parallel zur Aufgabe von in den Boden eingelassenen Taufbecken zugunsten von Taufanlagen über dem Boden. In St. Johannis sei im siebten oder achten Jahrhundert wohl eine Taufanlage mit mehreren Sickerkanälen errichtet worden, in denen das für die Taufen verwendete geweihte Wasser wegsickern konnte.
Die Johanniskirche, die seit 1828 ein evangelisches Gotteshaus ist, gilt als eine der ältesten Kirchen Deutschlands und als eine der ältesten ehemaligen Bischofskirchen nördlich der Alpen. Die in direkter Nähe des Doms Sankt Martin gelegene Kirche wurde im Volksmund früher "Alter Dom" genannt. Durch Faccanis Erkenntnisse hat sich dieser Name wissenschaftlich bestätigt: Sankt Johannis war die Kathedrale der Mainzer Erzbischöfe bis 1036, als der Dom geweiht wurde und quasi die Nachfolge antrat. Nun kann Mainz mit Fug und Recht behaupten, zwei Dome zu haben.
Die Datierung der im Sarkophag gefundenen Kleidung und der Schuhe hatte gezeigt, dass darin nur ein Erzbischof liegen konnte, der um das Jahr 1000 in der Kirche bestattet wurde. Damit war zugleich klar: Es muss der Nachfolger des Mainzer Erzbischofs Willigis (975-1011) sein. Und das war Erzbischof Erkanbald, der von 1011 bis 1021 im Amt war. Das Skelett war sehr brüchig. Vom Kopf war mehr oder weniger nur noch Knochenmehl vorhanden. "Bild" hatte etwas respektlos "Brösel-Bischof" getitelt.
Das Ausgrabungsteam grub sich ab 2016 auch an einigen Stellen der Kirche St. Johannis "Schicht für Schicht in die Spätantike runter", so der wissenschaftliche Forschungsleiter Faccani jetzt. Die Archäologen fanden etwa einen Grabstein, der auf das fünfte Jahrhundert oder die erste Hälfte des sechsten Jahrhunderts datiert werde. Auf dessen Relief sei eine Weinranke, ein Kreuz und – rekonstruiert – ein Christogramm zu sehen. Ein Christogramm besteht aus den beiden übereinander geschriebenen griechischen Buchstaben X und P. Das sei "der einzige Fund in St. Johannis aus dem ersten Jahrtausend, der eindeutig mit der christlichen Religion zu verbinden ist", sagte Faccani.
Faszinierende Hypothese – bis auf Weiteres
Der Forscher unterstrich, dass es sich bei der Interpretation von Resten eines Taufbeckens im Westen des Gebäudes um eine Hypothese handele. Andere Möglichkeiten – etwa eine Badeanlage – könne man aber ziemlich sicher ausschließen. Bei seinem Vortrag im Landesmuseum Mainz wurde Faccani gefragt, ob sich die Hinweise auf einen möglichen Taufraum in der Architektur des fünften oder sechsten Jahrhunderts mit einer schriftlichen Quelle aus dem Jahr 566 in Verbindung bringen lassen, die Bischof Sidonius als ersten Bischof in Mainz und als Erbauer eines Baptisteriums (Taufhaus) erwähnt.
Dazu sagte Faccani sibyllinisch: "Wenn man das möchte: Ja. Und wenn man es nicht möchte: Nein." Es sei schön, die schriftliche Quelle zu haben, aber direkt mit dem jetzigen archäologischen Befund könne man das nicht zusammenbringen. Das Taufbecken bleibe eine faszinierende Hypothese – bis auf Weiteres.