Klinikseelsorgerin: "Ich möchte zur Diakonin geweiht werden"
Schon als Kind verspürte Christina Gauer (55) eine besondere Liebe zur Kirche. Bis heute erlebt die frühere Gemeindereferentin, die in der Klinikseelsorge in Neuwied tätig ist, ihren Dienst als erfüllend und sinnvoll. Zusätzlich besucht Gauer einen Kurs "Diakonische Leitungsdienste für Frauen" vom Netzwerk Diakonat der Frau. Auch wenn bis heute in der katholischen Kirche für Frauen der Zugang zur Weihe und den damit verbundenen Ämtern nicht möglich ist, spricht die Seelsorgerin im Interview mit katholisch.de über ihre Berufung zur Diakonin.
Frage: Frau Gauer, seit wann engagieren Sie sich in der Kirche?
Gauer: Ich bin in den 1960er Jahren geboren, als es den Mädchen noch nicht erlaubt war, Messdienerin zu werden. Aber schon damals brannte mein Herz für Jesus. Also bin ich jeden Tag zum Pfarrer meiner Heppenheimer Kirchengemeinde gegangen und habe um meinen großen Wunsch gekämpft. Irgendwann hat er nachgegeben, und somit wurde ich die erste Messdienerin dieser Gemeinde. Damit hat mein Engagement begonnen. Es folgten der Kinderchor, später in der Jugend war ich Sängerin unserer Kirchenband "Kairos". Dann folgte die Gestaltung unzähliger Jugendgottesdienste. Ich wurde Katechetin, Lektorin und Kommunionhelferin.
Frage: Nun schreiben wir das Jahr 2022 und Sie besuchen einen Kurs mit dem Titel "Diakonische Leitungsdienste für Frauen", obwohl Frauen in der katholischen Kirche gar nicht zur Diakonin geweiht werden können. Warum?
Gauer: Ja, das ist natürlich einerseits eine schmerzliche Erfahrung. Aber seit meiner frühen Jugend spüre ich die Berufung, als Diakonin tätig zu sein. Diese Berufung zieht sich durch mein ganzes Leben, ganz unabhängig davon, in welchen Berufen ich tatsächlich gearbeitet habe. Ich setze mich daher auch seit langem dafür ein, dass die Berufung von Frauen anerkannt wird und Frauen Zugang zu allen Weiheämtern bekommen. Deshalb habe ich auch nicht lange überlegt, als das Netzwerk Diakonat der Frau die entsprechende Fortbildung angeboten hat.
„Ich möchte zur Diakonin geweiht werden, weil ich damit auf Gottes Ruf antworte. Mein diakonisches Handeln erwächst ja aus meiner Liebe zu Jesus Christus. Ich kann ihm nur immer wieder sagen: 'Hier bin ich.'“
Frage: Warum wollen Sie selbst nun zur Diakonin geweiht werden? Können Sie Ihren Dienst am Nächsten nicht auch so leisten?
Gauer: Natürlich kann ich das. Aber ich möchte zur Diakonin geweiht werden, weil ich damit auf Gottes Ruf antworte. Mein diakonisches Handeln erwächst ja aus meiner Liebe zu Jesus Christus. Ich kann ihm nur immer wieder sagen: "Hier bin ich."
Frage: Haben Sie Erfahrungen in Ihrem beruflichen Leben gemacht, die Sie darin bestätigt haben, Diakonin werden zu wollen?
Gauer: Ja. Ich hatte schon immer ein Herz für Menschen mit Beeinträchtigungen, für kranke Menschen, Menschen am Rande unserer Gesellschaft oder in sozialen Nöten. Zunächst hatte ich als Erzieherin oft Einblick in die häusliche Situation der Kinder und konnte, immer in Zusammenarbeit mit karitativen Organisationen, reagieren und Hilfe organisieren. Bei meinem Einsatz als Gemeindereferentin war es ebenso. Seit sieben Jahren arbeite ich nun als Klinikseelsorgerin. Hier begleite ich Patientinnen und Patienten und deren Angehörige, sterbende Menschen, aber auch die Mitarbeitenden des Krankenhauses.
Frage: Gab es bislang Stolpersteine oder Hindernisse auf Ihrem beruflichen Weg als Frau in der Kirche?
Gauer: Nein. Beruflich gab es keine Hindernisse. Wenn Sie aber den Zugang zu Diensten und Ämtern in der katholischen Kirche meinen, dann natürlich.
Frage: Was lernt Frau in so einem Kurs?
Gauer: Es geht dabei um die drei beziehungsweise vier Grundvollzüge der Kirche. Da ist zunächst die "Diakonia", also der Dienst am Menschen. Hier geht es im Wesentlichen um die Nächstenliebe als Antwort auf die Nachfolge Jesu. Es gilt hinzuschauen und zuzuhören, was Menschen brauchen. Dabei ist es auch von Bedeutung, Netzwerke aufzubauen, sich also zum Beispiel mit Hilfsorganisationen zu vernetzen. Jesus ist das Vorbild, der die Menschen fragt: "Was willst du, dass ich dir tue?“". Jede Kursteilnehmerin ruft ein eigenes Projekt ins Leben, leitet dieses und dokumentiert die eigenen Erfahrungen in einer Sozialraum-Analyse. Hinzu kommen "Martyria", also Zeugnis geben vom eigenen Glauben und die Verkündigung des Evangeliums, "Leiturgeia", das Gestalten und Feiern von Gottesdiensten, und "Koinonia". Hier steht die Gemeinschaft als wesentliches Element christlichen Glaubens im Vordergrund. Auch unser Kurs lebt durch unsere ganz besondere Gemeinschaft.
Frage: Was macht die Gemeinschaft besonders?
Gauer: Wir sind 15 Frauen aus ganz unterschiedlichen Bistümern in Deutschland. Aber wir alle spüren die Berufung, Diakonin zu sein. Wir Frauen tragen uns dabei gegenseitig. Uns verbindet außerdem die Liebe zu und die Sorge um unsere Kirche. Wir setzen uns ein für einen geschlechtergerechten Umgang in der katholischen Kirche. Die Berufung von Frauen sehen wir als heilsame Ergänzung zu der von Männern. Schließlich gestalten Frauen und Männer die Kirche gemeinsam mit ihren je eigenen Charismen. Es könnte ein Aufbruch sein in die Kirche der Zukunft.
Frage: Wie gehen Sie mit diesem Konflikt zwischen Beruf und Berufung in der Kirche um?
Gauer: Mir hilft es, immer wieder meine Berufungsgeschichte zu erzählen, mit Menschen im Gespräch zu sein und mich um die Menschen zu kümmern, die mir anvertraut sind.
Frage: Der Synodale Weg in Deutschland hat sich mit Blick auf den Diakonat der Frau ziemlich klar positioniert und Papst Franziskus hat 2020 bereits die zweite Studienkommission zum Thema eingesetzt. Wenn Sie dem Papst etwas sagen könnten, was wäre das?
Gauer: Ich würde ihm von meiner Liebe zu Jesus Christus erzählen und von meinem Herz, das brennt für die Menschen. Und ich würde dem Papst erzählen, dass es auf der ganzen Welt unzählige Frauen gibt, die die Berufung haben zur Priesterin oder zur Diakonin. Ich bin überzeugt, dass er darum weiß.
Frage: Was ist Ihr Wunsch für die katholische Kirche?
Gauer: Ich wünsche mir keinen spektakulären Umbruch und schon gar keinen Zusammenbruch, sondern einen gemeinsamen Aufbruch von Frauen und Männern, Kindern und Jugendlichen. Ich wünsche mir außerdem, dass wir Frauen in der Kirche gemeinsam unsere weibliche Spiritualität leben können und unsere Berufungen endlich anerkannt werden.