Die deutschen Bischöfe in Rom: Gelingende Werbetour für Synodalen Weg?
Ob der Papst damit einen Vorgeschmack auf das gegeben hat, was die deutschen Bischöfe erwartet? Auf dem Rückflug von seiner Bahrain-Reise nahm Franziskus die Kirche in Deutschland ins Visier und betonte wie schon zuvor, Deutschland habe "eine große und schöne evangelische Kirche". "Ich will eine katholische Kirche sehen, die geschwisterlich mit der evangelischen Kirche" verbunden ist und "auf den religiösen Sinn des heiligen treuen Gottesvolks" hört, so der Pontifex. Doch in Deutschland bestehe die Gefahr, den Glaubenssinn dieses Volkes Gottes aus den Augen zu verlieren. "Und dann verfallen wir in rein ethische Debatten, in Diskussionen gemäß dem aktuellen Zeitgeist, in kirchenpolitische Diskussionen, in Diskussionen, die nicht aus der Theologie kommen und die nicht den Kern der Theologie treffen." Es braucht nicht viel Fantasie: Franziskus zielte mit seinen Worten auf den Synodalen Weg ab.
Von diesem Montag an befinden sich die deutschen Bischöfe rund eine Woche lang in Rom und absolvieren ihren turnusmäßigen Ad-limina-Besuch, der seinen Namen von der lateinischen Bezeichnung für die "Schwellen der Apostelgräber" herleitet. Eigentlich ein Routine-Termin: Die Bischöfe eines Landes informieren den Papst und die vatikanischen Behörden über die Situation in ihren Diözesen. Neben den Gesprächen mit dem Papst sind Treffen in den Dikasterien vorgesehen. Doch diesmal sind die Aufmerksamkeit und die Spannung besonders groß. Denn die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) kommt inmitten heftiger Debatten um Reformen in den Vatikan. Zum Ende des Besuchs treffen die Bischöfe mit den Behördenchefs und dem Papst zusammen und sprechen dabei über den Synodalen Weg. Der deutsche Reformprozess soll, so der Wunsch vieler seiner Delegierten, mit seinen Beschlüssen und Vorschlägen ein starkes Zeichen in die Weltkirche senden. Von der Begegnung in Rom werden Auswirkungen auf seinen Fortgang erwartet.
Vieles, was Kirche in Deutschland beschäftigt
Auch abgesehen vom Synodalen Weg gibt es einiges, was die Kirche in Deutschland schwer beschäftigt. Die Missbrauchsaufarbeitung wird von vielen als zu schleppend wahrgenommen, was für einen enormen Vertrauensverlust unter den Gläubigen sorgt. Sinnbildlich dafür steht die Lage im Erzbistum Köln, die kurz vor dem Ad-limina-Besuch neue Brisanz erhalten hat: Nach Interviewaussagen einer ehemaligen Mitarbeiterin im Generalvikariat hat die Staatsanwaltschaft nun doch Ermittlungen gegen Kardinal Rainer Maria Woelki wegen einer möglichen falschen eidesstattlichen Erklärung im Fall des ehemaligen Sternsinger-Chefs Winfried Pilz aufgenommen. Nicht nur im Erzbistum, sondern in ganz Deutschland fragen sich viele Katholiken, warum der Papst immer noch keine Entscheidung über Woelkis Rücktrittsgesuch gefällt hat.
Eigentlich soll der Synodale Weg der Ausweg aus dieser Vertrauenskrise sein. Doch der Reformprozess löst im Vatikan Alarmstimmung aus – selbst bei den Fragen, die die Kirche in Deutschland theoretisch auch ohne Zustimmung aus Rom angehen könnte. Besonders argwöhnisch betrachtet der Vatikan den Beschluss zur Schaffung eines Synodalen Rats, in dem Laien und Bischöfe künftig gemeinsam über Themen entscheiden sollen, welche die Kirche in Deutschland betreffen. Im Juli hieß es in einer Note aus dem Staatssekretariat, dass der Synodale Weg keine Berechtigung habe, "die Bischöfe und die Gläubigen zur Annahme neuer Formen der Leitung und neuer Ausrichtungen der Lehre und der Moral zu verpflichten". Hochrangige Kurienmitarbeiter sprechen immer wieder von "großen Sorgen", mit denen man nach Deutschland blicke. Und auch das deutsche Episkopat ist in Sachen Synodaler Weg alles andere als geeint.
Trotz all dem zeigten sich einige Bischöfe im Vorfeld der Rom-Reise optimistisch, für mehr Verständnis für den Synodalen Weg werben zu können. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sprach noch am Wochenende von einer großen Chance. Ihm sei bewusst, dass es in Rom "viel Unverständnis zu unserem Weg gibt". Die Bischöfe wollten die Themen des Reformprozesses und auch ihre Differenzen offen und ehrlich ansprechen. Der Aachener Bischof Helmut Dieser sagte vergangene Woche besonders mit Blick auf Veränderungen in der kirchlichen Sexualmoral, er würde dem Papst gerne verständlich machen, "dass ich gerade all das machen will, was er uns vorschlägt". Der Papst habe selbst gesagt, es brauche Mut zu Entscheidungen.
ZdK: Beschlüsse mit Entschiedenheit vertreten
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) erwartet von den Bischöfen, dass sie in Rom die Beschlüsse der Synodalversammlung mit aller Entschiedenheit vertreten. "Es ist zu wünschen, dass es im direkten Gespräch gelingt, das eine oder andere Zerrbild zu den Zielen der synodalen Delegierten stärker an der Wirklichkeit zu orientieren", sagt Präsidentin Irme Stetter-Karp gegenüber katholisch.de. Die Vorwürfe aus dem Vatikan gegenüber dem Reformprozess gingen teils deutlich an der Wirklichkeit vorbei. "Wer immer noch glaubt, mit Verallgemeinerungen und dem Vorwurf, hier werde allein dem Zeitgeist gehuldigt, substanziell notwendige Veränderungen abwehren zu können, übersieht den Ernst der Lage einer von systemischer Vertuschung des Missbrauchs gezeichneten Kirche", so Stetter-Karp.
Aber wie erfolgversprechend ist das Vorhaben der deutschen Bischöfe, im Vatikan für mehr Verständnis für den Synodalen Weg zu werben? Der italienische Journalist und Vatikan-Experte Marco Politi glaubt nicht, dass es in Rom zu einer Wende kommt. "Im Großen und Ganzen ist es so wie in einem Schachspiel, das sich in einem Stillstand befindet: Es sind keine Züge möglich", sagt Politi gegenüber katholisch.de. In den "großen Fragen", die auch der Synodale Weg behandelt – Rolle der Frau, Neubewertung von Homosexualität und Zölibat – gebe es in der gesamten Weltkirche aktuell eine große Spaltung. "Da kommt man nicht voran."
Ein Machtwort des Papstes, den Synodalen Weg in Deutschland etwa zu stoppen, erwartet Politi jedoch nicht. "Er ist in einer Situation, in der er nicht offen gegen die Kirche in Deutschland sprechen will. Aber er ist aufgrund der weltkirchlichen Lage nicht im Stande, den Synodalen Weg zu billigen." Deshalb verschanze er sich in der Öffentlichkeit hinter Formulierungen wie die, dass es in Deutschland bereits eine evangelische Kirche gebe. "Es wird so sein, dass die Kirche in Deutschland ihre Dokumente verabschiedet und die Kurie dann sagen wird, diese Entscheidungen können nur auf Weltebene getroffen werden", sagt der Vatikan-Kenner.
Einblicke in die römische Gefühlslage gab zuletzt auch der Augsburger Bischof Bertram Meier, der das vatikanische Denken aus seiner Zeit im Staatssekretariat bestens kennt. Er geht davon aus, "dass keiner in Rom Interesse an harter Auseinandersetzung hat". Die deutschen Bischöfe sieht er in einer Art Bringschuld: "Die Kunst wird sein, den Synodalen Weg, den wir in Deutschland gehen, in die synodalen Prozesse der Weltkirche einzuklinken."
Weltsynode entscheidend?
Auch Marco Politi lenkt den Blick auf den weltweiten synodalen Prozess. Franziskus wolle, dass die Kirche über die umstrittenen Fragen spreche. Entscheidend wird laut dem Vatikan-Experten daher sein, wie sich die Weltsynode weiter abspielt. "Die Frage ist, ob es dort einen konziliaren Geist gibt, der die großen Probleme anpacken will." Aktuell gebe es aber noch eine große "ängstliche Mitte" im Vatikan.
Übrigens: Wie für einige andere Bischöfe auch, ist es für den DBK-Vorsitzenden Bätzing der erste Ad-limina-Besuch. Der bislang letzte fand 2015 statt. Damals kam es am Ende zu Unstimmigkeiten. Der Papst hatte in seiner Rede zur abschließenden Audienz frei gesprochen und den vorbereiteten, schriftlichen Text ausgehändigt. Dabei soll es Diskrepanzen zwischen den schriftlichen und mündlichen Aussagen gegeben haben, denn der Text rechnete mit dem Glaubensleben in Deutschland ab. Seither gibt es zu den Ad-limina-Besuchen von Bischöfen keine schriftlichen Reden des Papstes mehr. Doch diesmal dürfte der Papst auch Auge in Auge mit den deutschen Bischöfen unangenehme und heikle Dinge ansprechen.