Auch Elon Musk arbeitet gerne mit alten Klischees

Dicke Mönche, lüsterne Nonnen: Ein Blick auf antiklerikale Karikaturen

Veröffentlicht am 23.11.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Elon Musk spottet mit einem triebgesteuerten Mönch gegen Donald Trump. Damit stellt er sich in eine Reihe mit vielen Zeichnern, die über die Jahrhunderte Nonnen und Mönche als Karikaturmotive verwendet haben – unter sehr unterschiedlichen Vorzeichen.

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Elon Musk ist nicht dafür bekannt, beim Äußern seiner Meinung Hemmungen zu haben. So war er sich auch nicht zu schade, Donald Trump mit einem Mönch zu vergleichen, der angesichts einer Frau mit entblößtem Hinterteil (auf dem der Twitter-Vogel zu sehen ist) die Hände zum Gebet zusammenschlägt. Der Twitter-Chef hatte es dem Ex-US-Präsidenten erlaubt, nach dessen Sperrung Anfang 2021 zu Twitter zurückzukehren, Trump zögert jedoch noch. Spannend dabei ist nicht zuletzt, dass Musk – bewusst oder unbewusst – mit dem lüsternen Mönch ein altes Klischee bedient, dass es seit Jahrhunderten gibt und in Karikaturen schon in verschiedensten Zusammenhängen genutzt wurde. Ohnehin hat es das Klosterleben oft in Spottbilder geschafft.

Sich über Religion lustig zu machen ist eine Praxis, die das Christentum seit seiner Entstehung begleitet. In einer Pagenschule auf dem römischen Palatin wurde eine Kritzelei aus dem 2. Jahrhundert gefunden: der gekreuzigte Jesus mit Eselskopf. Ein Junge lästert damit über einen Mitschüler, der Christ war. Später geraten vor allem die Vertreter der Religion in den Mittelpunkt der Kritik. Zu Zeiten der Reformation machen sich deren Anhänger in bildlicher Form – viele Menschen können nicht lesen – über markante Vertreter des alten Glaubens lustig und verteilen diesen Spott in Form von Flugblättern unter den Leuten. Der Spott ist ein probates Mittel, die herrschenden Verhältnisse und ihre Vertreter anzugreifen.

Niedergang des Klosterlebens

Mönche und Nonnen bieten sich im späten Mittelalter als Zielscheibe der Satire über die Maßen an. Im Spätmittelalter herrscht ein allgemeiner Niedergang des Klosterlebens. Nonnen und Mönche übertreten immer wieder ihre Ordensregeln, von Armut und Keuschheit ist nicht mehr viel übrig, vielmehr herrscht in vielen Klöstern der Prunk und nicht wenige Ordensleute haben kaum verhohlen Geliebte. Dadurch hat das Ansehen der Ordensleute im 15. und 16. Jahrhundert ganz erheblich gelitten.

Hier setzen die Reformatoren an: Ein bekanntes Blatt aus dem Jahr 1521 zeigt einen Mönch, der von drei Frauengestalten in Schach gehalten wird, die den Hochmut, die Wollust und den Geiz symbolisieren. Dem Mönch gegenüber steht ein Mann, der ihm ein Buch unter die Nase hält und ihn damit an die Bibel und seine Gelübde erinnert. Das gesellschaftliche Vorurteil wird überzeichnet und als Grundsatzkritik an der gesamten Institution auf den Punkt gebracht. Betrunkene und lüsterne Ordensleute sind in aller Munde.

Bild: ©picture-alliance/akg-images

Beim "Teufel mit Sackpfeife" wird auf einem Mönchkopf musiziert.

Neben Klöstern sind auch der Papst und das Ablasswesen gern genommene Ziele des Spotts. Immer wieder herausgestellt wird der scheinheilige Lebensstil der Kirchenleute – gerne gepaart mit Tiervergleichen, die sich in dieser Zeit großer Beliebtheit erfreuen: Der Papst mit Eselskopf oder ein Teufel, der auf einem Mönchkopf Dudelsack spielt, sind häufige Motive. Die Kritik ist rücksichtslos und derb.

In Zeiten der Religionskriege greifen solche Spottbilder weiter um sich. Ein Mönch, der einer Nonne an die entblößte Brust fasst, auf einem Flugblatt aus dem Jahr 1600, neun Jahre später ein Blatt mit dem programmatischen Titel "Bruder Fettwanst" – all das kursiert und verfestigt die Klischees.

Glaube im Zentrum der Kritik

Während der Aufklärung verschiebt sich dann der Fokus der Karikaturen: Statt Kirchenvertretern steht nun der Glaube selbst im Zentrum der Kritik. Er gilt als Feind von Bildung, Vernunft und Fortschritt. In den Revolutionsjahren um das Jahr 1848 kommt dann eine politische Komponente dazu: Demokratische und linksliberale Satireblätter spotten gegen die Kirche, weil sie in ihren Augen eine Stütze des alten Regimes ist. In diesem Zusammenhang greifen die Zeichner wieder auf die Klischees der Reformationszeit zurück: Faule und dicke Mönche, verbitterte oder eingesperrt wirkende Nonnen. Auch der Zölibat wird mit Spott überzogen, Priester gelten als scheinheilig und ihnen wird in den Bildern nachgesagt, dass sie es auf Haushälterinnen oder Beichtkinder abgesehen haben. Einige der Klischees sollten sich 150 Jahre später im Rahmen des Missbrauchsskandals bewahrheiten. Später haben solche Blätter in Zeiten des Kulturkampfs wieder Hochkonjunktur in Deutschland.

Bild: ©picture-alliance/akg-images

Félicien Rops deutete in den 1870er Jahren die Versuchung des heiligen Antonius um.

Auch in anderen europäischen Ländern blühen die Kirchenkarikaturen: Bis zum Ersten Weltkrieg gibt es in Frankreich etwa 114 antiklerikale Karikaturenzeitschriften, in deren Tradition bis heute etwa "Charlie Hebdo" steht. Paris war ein Zentrum der gezeichneten Kirchensatire. Wie in der Zeit der Religionskriege auch wurde hier mit anzüglichen Witzen nicht gegeizt. 1878 malte Félicien Rops die Versuchung des heiligen Antonius, doch statt Jesus hängt dort eine nackte Frau am Kreuz und verführt den Heiligen. Kreuz-Satiren erfahren dadurch einen Aufschwung.

Auch die Nazis verwendeten antiklerikale Satire als Propagandamittel

Die Antiklerikalen können mit ihren Satireblättern im 19. Jahrhundert große Erfolge verbuchen. Denn die Katholiken haben es versäumt, mit eigenen Karikaturen zurückzuschlagen. In den 1870er Jahren gibt es zwar Versuche katholischer Spotthefte, die sind allerdings nicht besonders langlebig. Der Publizist Victor Naumann formuliert es 1907 so: "Warum muss nicht nur Langeweile das Höhen- und Sittenmaß katholischer Zeitungsfeuilletons sein, sondern weshalb ist auch das Vermeiden des Humors und der Satire nötig, warum ist ein gutes katholisches Witzblatt unmöglich? ... Falsche Prüderie, die mit Sittlichkeit nichts zu tun hat, ist der Grund."

So haben sich die Motive der antiklerikalen Satire bis heute verfestigt, auch die Nazis verwendeten sie als Propagandamittel. Bis heute sind in so manchem Wohnzimmer dicke, Bier trinkende Mönche noch zu finden – und wie sich an Elon Musk ablesen lässt, haben sie es auch in die Meme-Kultur des 21. Jahrhunderts geschafft. In der Kirche lässt sich damit allerdings niemand mehr hinter dem Ofen hervorholen, dort ist man gegenüber der Satire in Europa weitgehend abgestumpft. Hier spielen religiöse Karikaturen vielmehr im Kontext des Islam eine Rolle: Spott über den Propheten Mohammed hat bis heute das Zeug, Unruhe zu stiften. Bis dahin, dass Islamisten Zeichner deswegen ermorden.

Von Christoph Paul Hartmann