Standpunkt

Der Ton in der Kirche wird rauer – was ist der gemeinsame Nenner?

Veröffentlicht am 01.12.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Innerkirchliche Debatten werden immer schärfer. Dazu stehen große Herausforderungen bevor. Für Pia Dyckmans stellt sich deshalb eine entscheidende Frage: Wie lernt die Kirche, unterschiedliche Positionen auszuhalten?

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Einen Tag nach Adventsbeginn beginnt katholisch.de auf der eigenen Facebook-Seite mit folgenden Worten: "Der Ton in unserer Gesellschaft wird immer rauer. Das werden Sie sicher nicht nur in den Kommentarspalten unserer Artikel gemerkt haben." Das Portal sah sich gezwungen, seine Netiquette zu verschärfen, damit User*innen sich frei in ihrer Meinungsäußerung fühlen. Schon traurig, dass "respektvolles Miteinander … ein frommer Wunschtraum" für einige ist.

Der Ton wird auch innerhalb der katholischen Kirche rauer. Vatikan gegen Deutschland, liberal gegen konservativ – wobei diese Kategorien mit Vorsicht zu genießen sind –, Kirchenpolitiker*in gegen Theolog*innen. Die theologischen Debatten sind meist fundiert, heterogen und leidenschaftlich. Ein enormer Gewinn der vergangenen Jahre, dass wir offen unsere Stimme erheben, Missstände ankreiden oder andere theologische Meinungen vertreten können. Wir diskutieren alle leidenschaftlich, kämpfen für unsere Sicht der Dinge, weil es für uns alle um etwas Existenzielles geht: unseren Glauben. Mit alle meine ich nicht nur uns nicht-geweihte Menschen, sondern auch die Geistlichen und Amtsträger.

Die christlichen Kirchen stehen vor enormen Herausforderungen. Die Kirchenaustrittszahlen jagen von einem Rekord zum nächsten. Menschen unter 40 haben nur noch wenig Interesse, geschweige denn Bindung zur verfassten Kirche. Die Skandale tun ihr Übriges. Oft bekomme ich zutiefst kritische Anfragen, auf die ich keine Antworten habe. Die Sinus-Daten zeichnen für die Kirche keine hoffnungsfroheren Aussichten. Die Pluralität innerhalb der Kirche wird sicher eine weitere große Herausforderung sein, mit der wir lernen müssen, umzugehen. Empathie und Respekt allen Beteiligten gegenüber sollten dafür Grundlage sein. Denn wenn wir Menschen noch von unserem Glauben überzeugen wollen, ist eine Selbstzerfleischung nur wenig attraktiv.

Vielfalt ist anstrengend, keine Frage. Aber einer Sache müssen wir uns stellen, wenn wir weiter eine gläubige Gemeinschaft sein wollen: Wie lernen wir die unterschiedlichen Perspektiven innerhalb der katholischen Kirche auszuhalten? Was ist der notwendige gemeinsame Nenner?

Von Pia Dyckmans

Die Autorin

Pia Dyckmans ist Pressesprecherin und Stabstellenleiterin Medien und Öffentlichkeitsarbeit im Bistum Eichstätt.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.