Allmendinger: Kirche könnte mehr für Zusammenhalt der Gesellschaft tun
Die Soziologin Jutta Allmendinger glaubt nicht an Gott – die Kirche hat für sie aber eine wichtige Rolle dabei, gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stiften. Im NDR-Interview sagte die Präsidentin des Wissenschaftszentrums für Sozialforschung am Mittwoch, dass die Kirche dabei aber noch viel mehr tun könne. Sie selbst sei durch ihren Konfirmationsunterricht stark geprägt worden, und zwar nicht nur durch die religiöse Bildung. "Ich wuchs unter meinesgleichen auf. Nicht aber im Konfirmationsunterricht – da waren von einer Jahrgangsstufe, egal aus welchen Elternhäusern, alle beisammen. Das fand ich damals richtig aufregend", so die Soziologin. Der gemeinsame Unterricht für alle aus einem Jahrgang habe einen Ausgleich bewirkt, wo das Schulsystem für Trennungen gesorgt habe.
Daher seien die Kirchen auch wichtig für die Gesellschaft: "Gerade in heutigen Zeiten, wo ja sehr viel anderes weggebrochen ist, was noch Gemeinsamkeit gestiftet hat, sind die Kirchen meines Erachtens so wichtig wie selten", betonte die Wissenschaftlerin. Auch wenn solche Thesen auf viel Protest stießen, sei sie davon überzeugt, dass die Kirche trotz starker Verluste das Potenzial habe, Menschen über gemeinsame Wertvorstellungen zu binden. Aus Sicht von Allmendinger stehen die Kirchen für Werte wie Akzeptanz, Respekt, Toleranz, des ausgleichenden Miteinanders, des gegenseitigen Helfens und der Umverteilung. Diese Werte teile sie auch, obwohl sie zu sehr Wissenschaftlerin sei, um an Gott zu glauben.
Jutta Allmendinger ist seit 2007 Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung und eine der bekanntesten Soziologinnen und Soziologen Deutschlands. An der Humboldt-Universität zu Berlin ist sie Professorin für Bildungssoziologie und Arbeitsmarktforschung. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich mit Gerechtigkeitsfragen und der Prägung von Lebensverläufen durch Institutionen der Bildung, des Arbeitsmarkts und des Wohlfahrtsstaats. 2021 wurde sie von Papst Franziskus zum Mitglied der Päpstlichen Akademie der Sozialwissenschaften berufen. (fxn)