Caritas-Präsident Neher fordert Nachbesserungen beim Mindestlohn

"Keine Nachteile für Jugendliche"

Veröffentlicht am 02.04.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Politik

Bonn ‐ Nach monatelangem Ringen zwischen Union und SPD um die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns hat das Bundeskabinett am Mittwoch einen entsprechenden Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) gebilligt. Danach soll ab 2015 deutschlandweit mindestens ein Gehalt von 8,50 Euro pro Stunde gezahlt werden. Kritik an dem Vorhaben gibt es weiterhin – von Gewerkschaften und kirchlichen Verbänden .

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Caritas-Präsident Peter Neher sieht die Gefahr, dass durch den Mindestlohn für Jugendliche nach der Schule ein Job attraktiver sein könnte als eine Ausbildung. Er fordert daher, junge Erwachsene ohne Ausbildung länger als in dem Entwurf der Bundesregierung vorgesehen vom Mindestlohn auszunehmen – und zwar bis zum Alter von 21 statt nur bis zum Alter von 18 Jahren. "Die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns darf nicht dazu führen, dass sich die Startchancen von Jugendlichen ins Berufsleben verschlechtern", fasst er am Mittwoch in Berlin zusammen.

Neher: Kommission muss Folgen des Mindestlohns überprüfen

Auch bei Praktika ist es nach Ansicht der Caritas sinnvoll, sie in den ersten drei Monaten nicht dem Mindestlohn zu unterstellen. Zwar sei es klar, dass Praktikanten nicht als billige Arbeitskräfte ausgebeutet werden dürften. "Gleichzeitig dürfen die Hürden aber nicht so hoch gelegt werden, dass es für Arbeitgeber wie beispielsweise Kultureinrichtungen unmöglich wird, Praktikumsplätze anzubieten", erläutert Neher.

Der ovale Tisch vor der Sitzung des Kabinetts im Bundeskanzleramt in Berlin.
Bild: ©dpa/picture alliance/Soeren Stache

Hier wird Politik gemacht: der Kabinettstisch im Bundeskanzleramt in Berlin.

Positiv sieht der Caritas-Präsident die Tatsache, dass der Mindestlohn durch eine Kommission festgelegt werden soll. In dem Gremium müssten auch Wissenschaftler mit Stimmrecht vertreten sein, fordert Neher. Die Kommission müsse die Auswirkungen des Mindestlohns regelmäßig überprüfen und eingreifen, falls sich negative Folgen ergeben.

Geht es nach der Bundesregierung, startet der flächendeckende gesetzliche Mindestlohn zum 1. Januar 2015. Für eine Übergangszeit von zwei Jahren sind aber noch tariflich vereinbarte Löhne unterhalb dieses Betrages möglich. Von der neuen Regelung ausgenommen werden sollen Langzeitarbeitslose für sechs Monate, wenn sie einen Job finden. Ursprünglich hatte Arbeitsministerin Nahles geplant, dass die Betroffenen nur dann schlechter bezahlt werden dürfen, wenn der Arbeitgeber für sie Lohnkostenzuschüsse der Arbeitsagentur erhält. Auf Druck des Kanzleramtes wurde das geändert.

Bsirske kritisiert Ausnahmen für Langzeitarbeitslose

Letzteres ist für Verdi-Chef Frank Bsirske Anlass zu Kritik. Im RBB Inforadio sagte er, der Mindestlohn solle vor Lohndumping schützen. "Das muss für Langzeitarbeitslose genauso gelten wie für jedermann und jede Frau".

In dem Entwurf wird keine Branche als Ganzes ausgeklammert - dennoch soll es Ausnahmen geben, zum Beispiel für Spargelstecher, Erdbeerpflücker, Taxifahrer oder Zeitungsausträger. Mit dem Kabinettsbeschluss vom Mittwoch ist der Weg frei für das parlamentarische Verfahren. Nach Darstellung von Ministerin Nahles könnte das Gesetz Anfang Juli im Bundestag verabschiedet werden und dann nach der Sommerpause im September den Bundesrat passieren. (gho/dpa)