Weihnachtsgefühl unverzichtbarer Wert für Gesellschaft

Liturgiewissenschaftler: Weihnachten ist weiterhin ein religiöses Fest

Veröffentlicht am 15.12.2022 um 12:29 Uhr – Lesedauer: 

Erfurt ‐ Für Kirche und Theologie sei die heutige Popularität von Weihnachten vielfach ein Ärgernis, weil darin das religiös-christliche Bekenntnis immer mehr unterzugehen scheine: Liturgiewissenschaftler Stephan Wahle gibt aber etwas Entwarnung.

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Weihnachten behält in der Gesellschaft dem Freiburger Theologen Stephan Wahle zufolge weiter eine religiöse Dimension. "Auch wenn Stress und Hektik Begleiterscheinungen einer nicht immer besinnlichen 'Vorweihnachtszeit' sind, scheint das weihnachtlich gestimmte Lebensgefühl doch ein ganz spezieller und unverzichtbarer Wert für eine solidarische Gesellschaft zu sein", sagte Wahle am Mittwochabend bei einer Gastvorlesung in Erfurt. Die Allgegenwart des Weihnachtsthemas in den Medien und sozialen Netzwerken könne die Menschen für eine längere Weile aus der Vielfalt eigener Aktivitäten zusammenführen.

"Weihnachten, so lässt sich ohne große empirische Untersuchungen sagen, ist äußerst populär – mitunter das typische Fest der Postmoderne", hob Wahle hervor. Für Kirche und Theologie sei diese Popularität vielfach ein Ärgernis, scheine doch in der unzweifelhaft kulturellen Bedeutung des Festes das religiös-christliche Bekenntnis immer mehr unterzugehen. Weihnachten sei jedoch weiterhin ein religiöses Fest, auch wenn es vielfach nur noch als kulturelle Institution erscheine, so der Liturgiewissenschaftler.

"Schenken kann als eine christliche Tugend verstanden werden"

Die Geschenkpraxis bestätigt ihm zufolge nicht die These von der "modernen Degeneration des Weihnachtsfestes". Dabei verwies er auf die vielen Wohltätigkeitsveranstaltungen, die rund um die Weihnachtszeit ebenso Hochkonjunktur hätten wie der Einzelhandel. "Schenken kann als eine christliche Tugend verstanden werden, wenn es im Horizont dessen geschieht, was Gott in Jesus Christus selbst getan hat", so Wahle. "So werden in dem kulturellen Brauch der wohltätigen Gaben die diakonische Dimension des Weihnachtsfestes sowie seine Bedeutung für das alltägliche Leben deutlich, die für eine solidarische Gesellschaft unverzichtbar bleibt."

Das weite Repertoire der alten und neuen Weihnachtslieder und der Geschenkebrauch schließlich seien zwei Beispiele "für den stillen Protest gegen jegliche Form der Angst und der Bedrängnis, des Egoismus und der sozialen Kälte". In diesem Sinne sei Weihnachten weiterhin ein religiöses Fest, auch wenn es vielfach nur noch als kulturelle Institution erscheine. (KNA)