Rottenburg-Stuttgart bereitet Auflösung der Integrierten Gemeinde vor
Das Bistum Rottenburg-Stuttgart macht Ernst mit der Auflösung des diözesanen Vereins der "Katholischen Integrierten Gemeinde". Im aktuellen Amtsblatt (Dezember) kündigt Generalvikar Clemens Stroppel die Auflösung der Gemeinschaft an. Die "Katholische Integrierte Gemeinde in der Diözese Rottenburg-Stuttgart" sei seit langem inaktiv, in den letzten Jahren hätten keine Kontakte mehr zwischen der Diözese und dem Verein bestanden. Über das Amtsblatt werden nun der Vorsitzende oder andere Vorstandsmitglieder aufgefordert, eventuelle Bedenken gegen die Auflösung des Vereins bis zum 15. Januar an die zuständige Hauptabteilung des Bischöflichen Ordinariats zu melden. Der Rottenburg-Stuttgarter Verein ist der letzte von zwei verbliebenen kirchenrechtlichen Zusammenschlüssen der ehemaligen Gemeinschaft.
Schon seit Oktober ist bekannt, dass das süddeutsche Bistum eine Auflösung des Vereins plant. Gegenüber katholisch.de erklärte ein Sprecher, dass der Verein de facto schon seit Jahren aufgrund der Überalterung der Mitglieder nicht mehr bestehe. Die Gemeinschaft ist in Rottenburg-Stuttgart in der kirchenrechtlichen Form eines öffentlichen kanonischen Vereins organisiert. Da öffentliche Vereine nur durch die zuständige kirchliche Autorität, in diesem Fall den Diözesanbischof, aufgelöst werden können, besteht die 1991 in dieser Rechtsform errichtete Gemeinschaft trotzdem rechtlich noch. "Der Verein ist wie beschrieben nicht mehr aktiv, wurde aber de jure noch nicht aufgelöst. Um de jure zu ratifizieren, was de facto schon erfolgt ist, soll es nun eine Vereinsauflösung seitens der Diözese geben", so ein Sprecher des Bistums im Oktober.
Auflösung in München und Freising, Augsburg und Münster bereits erfolgt
Ebenfalls im Oktober hatte das Erzbistum Paderborn angekündigt, dass der in der Rechtsform eines privaten kanonischen Vereins organisierte Zusammenschluss in der Erzdiözese vor der Auflösung stehe. Nach Auskunft der Pressestelle des Erzbistums führt die Bistumsleitung Gespräche mit Vertretern der KIG mit dem Ziel einer Auflösung. Private Vereine können sich gemäß ihren Satzungsbestimmungen selbst auflösen. Außerdem ist eine Auflösung durch die zuständige Autorität möglich, wenn "wenn seine Tätigkeit zu einem schweren Schaden für die kirchliche Lehre bzw. Disziplin wird oder den Gläubigen zum Ärgernis gereicht", so das Kirchenrecht. Im Sommer 2021 wurde die als öffentlicher Verein organisierte "Gemeinschaft der Priester im Dienst an Integrierten Gemeinden" des Erzbistums durch den mittlerweile emeritierten Erzbischof Hans-Josef Becker aufgelöst.
Nach Schilderungen von ehemaligen Mitgliedern über geistliche Manipulationen in einem System psychischer und finanzieller Abhängigkeit ordnete Kardinal Reinhard Marx 2019 eine Visitation der Gemeinschaft im Erzbistum München und Freising an. Auf der Grundlage des Visitationsberichts Ende 2020 löste der Münchener Erzbischof den Verein in seiner Diözese auf. Nach der Auflösung wurden zudem neue Vorwürfe erhoben. Nach der Auflösung der diözesanen kanonischen Vereine der KIG des Bistums Augsburg (2022) und im Bistum Münster ist die Gemeinschaft damit wohl bald in allen deutschen Diözesen, in denen sie aktiv war, kirchenrechtlich abgewickelt. International gab oder gibt es Niederlassungen in den Diözesen Wien (Österreich), Rom und Frascati (Italien), Budapest und Pécs (Ungarn), Dar es Salaam und Morogoro (Tansania) und im Lateinischen Patriarchat Jerusalem, deren aktueller Status nicht bekannt ist.
2020 distanzierte sich der emeritierte Papst Benedikt XVI. von der KIG, zu der er jahrzehntelang enge Verbindungen unterhalten hatte. Er sei offensichtlich "über manches im Innenleben" der Gemeinde "nicht informiert oder gar getäuscht" worden, sagte er gegenüber der Herder-Korrespondenz. 1978 wurde die KIG von den damaligen Erzbischöfen in Paderborn und München, Johannes Degenhardt und Joseph Ratzinger, kirchlich anerkannt und 1985 als öffentlicher kanonischer Verein errichtet. Anfang des Monats hat der Bayerische Rundfunk neue Recherchen zur KIG veröffentlicht. Unter Verweis auf kircheninterne Dokumente hieß es, dass hochrangige Amtsträger frühzeitig über Missstände in der als ambitioniertes Reformprojekt gestarteten Gruppierung informiert waren, aber nur zögerlich reagiert hatten. (fxn)