Dogmatiker: "Kirche keine Demokratie" kein gutes Argument
Der Dogmatiker Wolfgang Beinert sieht das Argument, dass die Kirche keine Demokratie sei, für nicht relevant im Reformdiskurs an. In einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "Stimmen der Zeit" betonte der emeritierte Theologieprofessor, dass die Feststellung zwar richtig sei, aber nichts zur Verfassung der Kirche aussage. "Denn Demokratie ist eine Staatsform; die Kirche aber ist kein Staat", so Beinert. Damit sei aber noch nicht gesagt, dass Verfahrensweisen, welche innerhalb einer Staatsform gängig sind, prinzipiell in der Kirchenverfassung illegitim sind.
Mit Blick auf die Geschichte der Formen der Entscheidungsfindung in der Kirche zeige sich, dass Mehrheitsentscheidungen eine lange Tradition hätten. Sie habe "auch immer demokratie- und parlamentsaffine Verfahren entwickelt und angewendet, bis zur Stunde: Mittels Wahl (mit Zweidrittelmehrheit) wird der Papst bestimmt, durch Abstimmungen werden in zahlreichen Ortskirchen Domkapitel, Bischöfe, Pfarrer, Pfarrgemeinderäte, Kirchensteuerausschüsse konstituiert", erläutert der Dogmatiker. Der Modus der Abstimmung sei also in der Kirche nicht a priori auszuschließen.
Brennende Fragen betreffen Zweckdienlichkeit, nicht Wahrheit
Dabei sei es auch kein Einwand, dass sich über Wahrheit nicht abstimmen ließe, schließlich beträfen die meisten der aus Sicht Beinerts anstehenden Probleme die Wahrheitsfrage überhaupt nicht. Stattdessen gehe es um die Zweckdienlichkeit einer Maßnahme: "Der priesterliche Zölibat beispielshalber ist weder wahr noch falsch, weder richtig noch unrichtig; zur Debatte steht lediglich, ob er gegenwärtig den Zielen der Kirche (das Wort Gottes zu verkünden und die Sakramente zu spenden) gerecht wird oder nicht", so Beinert.
Auch bei den Konzilen sei nicht Wahrheit durch Abstimmung erzeugt worden: "Das Konzil von Nikaia (325) hat nicht mehrheitlich entschieden, dass in der Trinität der Sohn dem Vater wesensgleich (homoousios) ist, sondern nur, dass dieser nicht-biblische Terminus exakt wiedergibt, was durch die in der Schrift niedergelegte Offenbarung über das Verhältnis von Vater und Sohn ausgesagt ist", so der Dogmatiker. Daher sei es auch nicht einzusehen, warum in der gegenwärtigen Kirche nicht von Bischöfen und Laien durch Mehrheit entschieden werden könne, ob etwas glaubenskonform oder nicht sei: "Es wird also beispielshalber nicht durch Mehrheitsbeschluss in einem synodalen Vorgang entschieden, ob Frauen ordinationsfähig sind oder nicht, sondern nur, ob die Behauptung wahr ist, dass kraft göttlichen Gesetzes Frauen nur ihres Geschlechtes wegen nicht geweiht werden können." Wolfgang Beinert war von 1978 bis zu seiner Emeritierung 1998 Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Universität Regensburg. (fxn)