Der Pontifex sei völlig frei, für diesen Fall Vorkehrungen zu treffen

Kirchenrechtler Bier: Amtsunfähigkeit des Papstes ist Regelungslücke

Veröffentlicht am 20.12.2022 um 14:36 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Papst Franziskus hat verraten, dass er Vorkehrungen für seine Amtsunfähigkeit getroffen hat. Was aber, wenn er das nicht täte? Das ist eine Lücke im Kirchenrecht, sagt Kirchenrechtler Georg Bier. Er hofft auf konkrete Vorgaben bei Franziskus.

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Der Freiburger Kirchenrechtler Georg Bier sieht mit Blick auf die nun bekannt gewordene Rücktrittserklärung von Papst Franziskus im Falle seiner Amtsunfähigkeit eine Lücke im Kirchenrecht. "Es ist nicht vorgesehen, wie in einem solchen Fall zu verfahren ist", so Bier gegenüber katholisch.de am Dienstag. Dies habe mit dem Jurisdiktionsprimat des Papstes zu tun.

Bier hofft, dass Papst Franziskus in seiner Rücktrittsregelung konkret und eindeutig ist. Es sei "aus kirchenrechtlicher Sicht zu hoffen, dass dort Umstände festgelegt sind, die eine objektive Nachprüfung zulassen", so der Kirchenrechtler. Dazu gehörten etwa spezifische medizinische Diagnosen oder eine vorgegebene Anzahl Ärzte, die die Amtsunfähigkeit unabhängig feststellen müssten. Es sei sogar möglich, dass der Papst bestimmte Personen benennt, die vorübergehend die Kirche etwa in der Zeit eines Komas leiten.

"Der Papst ist in seinem Handeln völlig frei", so Bier weiter. Es gebe keine Instanz, die im Ernstfall über den Papst entscheide, etwa wenn dieser ins Koma falle oder unter einer schweren Krankheit leide. In einem solchen Fall "haben wir einen Papst, der nicht mehr fähig ist, sein Amt wahrzunehmen". Die Kardinäle seien dann allerdings auch nicht berechtigt, einen neuen Papst zu wählen, da das Kirchenrecht einen Papstabtritt nur durch dessen Tod oder einen Rücktritt vorsehe. Mit einem amtsunfähigen Papst seien dem Kardinalskollegium die Hände gebunden. Gerade deshalb sei es zu begrüßen, wenn der Papst für diesen rechtlich nicht geregelten Fall Vorgaben formuliert und genau festlegt, wie dann gegebenfalls zu verfahren ist. Mit einer unter bestimmten Voraussetzungen wirksam werdenden Rücktrittserklärung eröffnet er dem Kardinalskollegium insbesondere die Möglichkeit, schon zu seinen Lebzeiten einen Nachfolger für das Amt des Papstes zu wählen.

Papst hatte über bedingte Rücktrittserklärung gesprochen

Am Samstag hatte der Pontifex in einem Interview mit der spanischen Zeitung ABC angegeben, dass er eine Rücktrittserklärung für den Fall unterschrieben habe, dass er amtsunfähig werden sollte. Ein entsprechendes Dokument habe er dem damaligen Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone gegeben, der bis Mitte Oktober 2013 im Amt war. Weitere Angaben über den Inhalt der Erklärung machte er nicht und sagte lediglich, dass es "um eine Verhinderung durch medizinische Umstände oder was auch immer" gehe.

Im Interview sagte Franziskus zudem, dass er glaube, dass auch seine Vorgänger Pius XII. (1939-1958) und Paul VI. (1963-1978) solche bedingten Rücktrittserklärungen unterschrieben hätten. In einem Text auf "Vatican News" legte der päpstliche Mediendirektor Andrea Tornielli am Montag dar, dass Paul VI. eine solche Erklärung "im Falle eines vermutlich unheilbaren oder lang andauernden Gebrechens ... oder im Falle eines anderen schweren und anhaltenden Hindernisses" getroffen habe. In diesem Falle hätte er auf sein Amt verzichtet.

Ähnliche Regelungen sind für Bischöfe verpflichtend. Jeder Diözesanbischof muss laut can. 413 CIC bei seinem Amtsantritt ein Verzeichnis anlegen, in dem er regelt, wer ihn im Fall einer Amtsunfähigkeit vertritt. (cph)