Woelki: Kann Weihe nicht abschütteln wie Fluse am Bischofsrock
Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki empfiehlt Geduld in der Frage, ob der Papst sein Rücktrittsangebot annimmt. Er sei kein Politiker, der jederzeit seinen Rücktritt erklären könne, sagte Woelki im Interview der "Kölnischen Rundschau" (Montag, online). "Ich bin Priester, ich bin Bischof, vom Papst ernannt. Das ist mit einer Weihe verbunden und nicht mit einer Kommunal- oder Bundestagswahl."
Woelki sagte weiter: "Ich kann diese Weihe nicht einfach abschütteln wie eine lästige Fluse am Bischofsrock. Über dieses Amt, wie lange es dauert, entscheidet der Papst. Ganz alleine. Und das respektiere ich selbstverständlich und empfehle anderen, dies auch zu tun." Vor allem wegen der Missbrauchsaufarbeitung war im Erzbistum Köln eine Vertrauenskrise entstanden. Papst Franziskus hatte Woelki im Herbst 2021 in eine mehrmonatige Auszeit geschickt und ihn später aufgefordert, seinen Rücktritt anzubieten. Über den Amtsverzicht hat der Papst noch nicht entschieden.
Außerdem machte Woelki klar, das die Einheit mit Papst und Weltkirche sowie eine Einheit in Fragen des Glaubens zum "spezifisch Katholischen" gehörten. "Das ist für mich ein wichtiges Kriterium katholischer Identität." Mit Blick auf den jüngsten Besuch der deutschen Bischöfe im Vatikan und den katholischen Reformprozess Synodaler Weg ergänzte der Kardinal: "Und ich habe es so wahrgenommen, dass man uns genau die Sorge um diese Identität mit nach Hause gegeben hat. Dass wir in unserer Sorge, wie das Evangelium heute verkündet werden kann, diese Frage der Einheit mit zu bedenken haben."
Beim Besuch im Vatikan sei eine gemeinsame Begegnung mit Leitern mehrerer römischer Spitzenbehörden eine "ganz neue Form" gewesen, so Woelki. "Ich habe es so erlebt, dass sehr enge Mitarbeiter des Papstes versucht haben, deutlich zu machen, wo Möglichkeiten und Grenzen des Synodalen Weges sind. Dessen Themen berühren ja große theologische Probleme, die im Geist des Evangeliums – der Bibel und der Tradition, des Lehramtes, das sie interpretiert, und auch im Gebet – immer wieder betrachtet und beurteilt werden müssen."
Vor diesem Hintergrund sei es gut, diese Stimmen "aus dem Herzen der Weltkirche" zu hören und direkt miteinander ins Gespräch zu kommen. "Der Papst hatte zudem selbst wiederholt betont, wir sollten den Brief, den er vor zwei Jahren an uns gerichtet hat, gut studieren; und dass es ihm wichtig ist, dass wir unseren Weg nur im Kontext der Weltkirche gehen könnten", so Woelki.
In Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Missbrauch in seinem Erzbistum habe Woelki nach eigenen Worten ein "Chaos" vorgefunden. "Es gab Akten, die man überall suchen musste – bei der Personalabteilung, im Offizialat, beim Leiter der Abteilung für Intervention und Prävention." Und weiter: "Ich wollte, dass die Akten zusammen und sauber geführt werden; ich wollte wissen, welche Leistungen wir zahlen; und mir war wichtig, dass die noch lebenden Täter finanziell dafür herangezogen werden." Das Gutachten der Kanzlei Gercke Wollschläger von 2021 zeige, "welches Chaos herrschte und welche Fehler gemacht wurden", so der Kardinal. "Da hatte ich massive Bretter zu bohren. Gegen den Widerstand so einiger im Erzbistum."
Mitte Dezember hatte Woelki im presserechtlichen Streit mit der "Bild"-Zeitung eine neue, dritte eidesstattliche Versicherung abgegeben. Darin bekräftigt er, von Missbrauchsvorwürfen gegen den früheren "Sternsinger"-Präsidenten Winfried Pilz bis Ende Juni 2022 keine Kenntnis gehabt zu haben. Woelki wird vorgehalten, das Bistum Dresden-Meißen nicht frühzeitig über Pilz informiert zu haben, der dort seinen Ruhestand verbracht hatte.
In der eidesstattlichen Versicherung geht der Kardinal auf die Interview-Aussage der früheren Personalchef-Assistentin Hildegard Dahm ein, wonach sie bereits 2015 für ein Arbeitstreffen ihres Chefs mit dem Erzbischof eine Liste mit beschuldigten Priestern erstellt habe – darunter auch Pilz. Dazu schreibt Woelki: "Ich kann mich nicht daran erinnern, dass ich diese Liste erhalten habe, dass ich diese Liste zur Kenntnis genommen, also angesehen habe." Somit könne er sich auch nicht daran erinnern, dass er auf dieser Liste den Namen Pilz gesehen habe.
Nach Dahms Aussage leitete die Kölner Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Woelki wegen des Verdachts einer Falschaussage in einer vorhergehenden eidesstattlichen Versicherung ein. Auch darin betont der Kardinal, erst im Juni vom Fall Pilz erfahren zu haben. Der "Kölnischen Rundschau" sagte Woelki jetzt: "Beim besten Willen, an diese konkrete Liste aus Januar 2015, die in einer Zeitung abgedruckt war, an die habe ich wirklich keine Erinnerung. Seinerzeit ging es vorrangig darum, eine vernünftige und sachgerechte Aufarbeitung möglich zu machen." Er habe insgesamt den Willen zu einer "unbedingten" Aufarbeitung.
Als er nach Köln gekommen sei, sei "die Akte P." geschlossen gewesen, erklärte Woelki. Sein Vorgänger, Kardinal Joachim Meisner, habe den Vorgang zugemacht; für ihn selbst sei in dieser Hinsicht nichts mehr zu tun gewesen. "Auch wenn P. auf der Liste gestanden hätte, gab es für mich keinen Grund, die Akte wieder aufzumachen. Nur dann hätte ich ja sehen können, dass der Fall damals nicht nach Dresden gemeldet worden wäre." Dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet sei, sei "natürlich ein ernster Vorgang", betonte der Kardinal. "Die Staatsanwaltschaft tut ihre Pflicht, sie wird ihre Gründe haben. Ich warte in vollkommener Gelassenheit das Ergebnis ab." (rom/KNA)
26.12., 18.10 Uhr: ergänzt um weitere Aussagen Woelkis im Interview.