Grünen-Politiker fordert mehr Mitbestimmung auch für kirchliche Arbeitnehmer

Bsirske: Grundordnung erster Schritt weg vom kirchlichen Arbeitsrecht

Veröffentlicht am 27.12.2022 um 11:21 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Die Regierung will das kirchliche Arbeitsrecht dem staatlichen angleichen – doch das Vorhaben wurde noch nicht angegangen. Das soll sich 2023 ändern. Der zuständige Fachpolitiker Frank Bsirske sieht in der neuen Grundordnung einen ersten Schritt.

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Der arbeits- und sozialpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Frank Bsirske, sieht in der neuen Grundordnung des kirchlichen Dienstes den ersten Schritt zur Überwindung des kirchlichen Arbeitsrechts. In einem Beitrag für die Januar-Ausgabe der Herder-Korrespondenz zeigte sich der ehemalige Vorsitzende der Gewerkschaft ver.di überzeugt, dass es im Bundestag bereits jetzt eine Mehrheit dafür gebe, die bisher bestehende Ausnahme für Kirchen im Betriebsverfassungsgesetz abzuschaffen. Bisher sind Kirchen von der Geltung des Gesetzes ausgenommen. Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche haben stattdessen ein eigenes kollektives Arbeitsrecht, das weniger Beteiligungsrechte als das staatliche Recht vorsieht.

Bsirske kritisierte unter anderem die im kirchlichen Recht bislang nicht vorgesehene Unternehmensmitbestimmung: Eine Beteiligung von Arbeitnehmervertretern in Aufsichtsgremien kirchlicher Unternehmen ist im kirchlichen Recht nicht vorgesehen. Für den Politiker ist dieser kirchliche Sonderweg ein "Relikt aus der Vergangenheit". Die Beteiligungsrechte im Betriebsverfassungsgesetz seien "grundlegende Rechte mit Verfassungsrang, die den Beschäftigten schon viel zu lange vorenthalten werden", so Bsirske weiter: "Die Rechte zu gewähren, würde dabei in gar keiner Weise verhindern, dass christliche Werte bei kirchlichen Trägern gelebt werden." Auch aus den Reihen katholischer Mitarbeitervertreter wurde Kritik an der fehlenden wirtschaftlichen Mitbestimmung geäußert.

Der ehemalige Gewerkschafter würdigte zwar die Vergütungsnormen im Bereich der Caritas, die sich am Tarifvertrag Öffentlicher Dienst orientieren, im Gegensatz zur uneinheitlichen Situation in der Diakonie. Zugleich machte er aber das Beharren der Kirchen auf dem Dritten Weg zur Aushandlung von Arbeitsbedingungen und Vergütungen anstelle von Verhandlungen zwischen Arbeitgeberseite und Gewerkschaften für eine Schieflage in sozialen Einrichtungen verantwortlich. "Diese Uneinheitlichkeit erfordert zwingend staatliches und tarifliches Handeln", so Bsirske.

Staatliche Reform des kirchlichen Arbeitsrechts für 2023 auf der Agenda

Für das kommende Jahr kündigte der Bundestagsabgeordnete an, dass der Prüfauftrag des Koalitionsvertrags zu einer Angleichung des kirchlichen ans staatliche Arbeitsrecht angegangen werde. Dazu solle ein Dialog mit den kirchlichen Wohlfahrtsorganisationen begonnen werden. Die Einrichtungen von Caritas und Diakonie sind die größten kirchlichen Arbeitgeber. Bsirske hofft darauf, dass auch in den Kirchen Mehrheiten für einen Systemwechsel hin zu einer Angleichung ans allgemeine Arbeitsrecht entstehen, so dass die anstehenden Veränderungen von einem großen gesellschaftlichen Konsens getragen werden.

Bislang sind keine konkreten Pläne zur Umsetzung des Prüfauftrags aus dem Koalitionsvertrag bekannt. Der Spielraum der Politik im Bereich des kirchlichen Arbeitsrechts ist aufgrund des grundgesetzlich abgesicherten Selbstverwaltungsrechts der Kirchen gering. Zugleich steht das kirchliche Arbeitsrecht durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unter Druck. Vor allem die Gewerkschaften fordern seit geraumer Zeit die Abschaffung von Ausnahmen für Kirchen, insbesondere im Betriebsverfassungsgesetz, das auf Religionsgemeinschaften keine Anwendung findet. Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz sieht Ausnahmen vor und erlaubt eine unterschiedliche Behandlung von Beschäftigten wegen der Religion oder der Weltanschauung bei der Beschäftigung durch Religionsgemeinschaften. (fxn)