Älter als die Sternsinger: Die Geschichte der Haussegnung
Gaunerzinken oder Segenszeichen? Diese Frage stellt sich für viele Menschen in Deutschland, Österreich und der Schweiz wohl nicht, wenn sie die drei Buchstaben C+M+B begleitet von einer Jahreszahl auf einem Türrahmen sehen. Der Segen, den Sternsinger mit Kreide an die Häuser schreiben, ist gerade in traditionell katholisch geprägten Gebieten dem Großteil der Bevölkerung ein Begriff – das trifft auch auf Münster zu. Dort meldete sich jedoch Ende Dezember 2017 ein Rentner bei der Polizei, um mutmaßliche Geheimzeichen von Einbrechern an seinem Haus zu melden.
Doch die Beamten verarbeiteten die besorgte Meldung zu einer launigen Pressemitteilung mit folgendem Inhalt: Der Mitbürger im fortgeschrittenen Alter habe wahrscheinlich den Sternsingersegen 20*C+M+B*17 mit Gaunerzeichen verwechselt. Der Vorfall machte in ganz Deutschland die Runde und die Satire-Internetseite "Der Postillon" deutete die bekannten drei Buchstaben zu "Cleptis Mansio Beneficiarum = Dieben als Wohltat geltendes Haus" um. Der Rentner zeigte sich betrübt über die schlechte Presse und bekundete öffentlich, den Segen der Sternsinger sehr wohl zu erkennen. Er beschwerte sich schließlich darüber, dass die Polizei sich lieber über ihn lustig gemacht habe als die geheimnisvollen Zeichen an der Hauswand eingehend zu untersuchen. Ob es sich dabei nun um Segenszeichen oder einen Verbrechercode gehandelt hat, scheint also je nach Sichtweise nicht eindeutig geklärt zu sein.
Unstrittig ist jedoch, dass Haus- und Türsegnungen eine sehr lange Tradition haben. Das ist nicht verwunderlich, denn die magische oder sakrale Absicherung des Eingangs zur Schutz gewährenden Behausung kann bis in die Gegenwart als ein menschliches Grundbedürfnis gelten. In den polytheistischen Religionen der Antike gab es eine Vielzahl von Göttern, die als mythische Schutzherren infrage kamen und mit deren Symbolen man Tür und Tor gegen feindliche Mächte oder den bösen Blick eines Besuchers absicherte. Besonders oft wurden dazu Wächterfiguren und ein heutzutage in diesem Zusammenhang eher überraschendes Zeichen verwendet: der Phallus.
Der Penis steht in besonderer Weise für den griechisch-römischen Fruchtbarkeitsgott Priapos, der als Hüter des Gartens galt. In antiken Sagen wurde jedoch beschrieben, dass es ihm durch die Androhung einer Vergewaltigung mit seinem übergroßen Glied gelinge, Einbrecher und ungebetene Besucher abzuschrecken. Der Penis war in der Antike also nicht nur ein Fruchtbarkeitssymbol, sondern auch ein aggressives Zeichen von Macht. Diese Symbolik war bis ins Mittelalter derart weit verbreitet, dass Phalli teilweise sogar an romanischen und gotischen Kirchenfassaden zu finden sind – wie etwa am Wiener Stephansdom.
Die Rauhnächte: eine magische Zeit
Im Judentum wird die Türschwelle ebenfalls als eine besondere Grenze verstanden, für die man Gottes Segen erbittet. Das wohl bekannteste Zeichen dafür ist die Mesusa genannte Kapsel am rechten Türpfosten in jüdischen Häusern, deren Wurzeln sich bis in die Antike zurückverfolgen lassen. Im Innern der oft kunstvoll verzierten Mesusot befindet sich eine Passage aus dem Schma Jisrael, einem der wichtigsten Gebete im Judentum. Auch wenn das Anbringen der Kapseln nur für die meisten Türen innerhalb eines Hauses verpflichtend ist, finden sie sich häufig auch an der Eingangstür. Gläubige Juden berühren eine Mesusa beim Betreten der Wohnung und führen die Hand danach zum Kuss an den Mund. In Israel gibt es sogar Kontrolleure für die Mesusot, die auf die richtige Anbringung und korrekte Abschrift des innenliegenden Pergaments achten, damit der göttliche Segen wirken kann, der gemäß der jüdischen Volksfrömmigkeit von ihr ausgeht.
Der Segen der Sternsinger hat seine Wurzeln in einem anderen Brauchtum: den Rauhnächten. Darunter werden meist die zwölf Nächte zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag verstanden. Je nach Region zählt man jedoch auch die Nächte ab dem 20. Dezember mit der längsten Nacht des Jahres zu den Rauhnächten. In vielen Gegenden Europas gelten diese Tage und Nächte bereits seit den vorchristlichen Jahrhunderten als eine besondere, geradezu magische Zeit. Mit Gebet, Räucherwerk und anderen Bräuchen wurden Haus, Hof, Einwohner und Vieh gesegnet. Auf diese Weise wollte man sich gegen die sogenannte "Wilde Jagd" von Geistern aus dem Reich des Übernatürlichen schützen, die nach dem Volksglauben in der Zeit zwischen den Jahren stattfand.
Die christliche Liturgie übernahm für das Hochfest der Erscheinung des Herrn am 6. Januar diese Haussegnungen. Die beim Sternsingersegen vorhandenen Plus-Zeichen sind daher als Kreuze – die Zeichen Jesu – zu deuten. Die Buchstaben C oder K, M und B standen wohl für die Heiligen des Tages, die Heiligen Drei Könige Kaspar, Melchior und Balthasar. Eine andere Tradition bezieht die Buchstaben auf eine andere Dreiergruppe, die "Drei Heiligen Mädchen": Katharina von Alexandrien, Margareta von Antiochien und Barbara. Sie gelten in dieser Reihenfolge als Schutzpatroninnen des Lehr-, Nähr- und Wehrstandes und "wichtigste Jungfrauen". Damit avancierten sie im Mittelalter zu den bedeutendsten Heiligen und wurden der Gruppe der 14 Nothelfer hinzugefügt. Ihre Verehrung griff die Mythologie der Römer, Kelten und nordischen Völker auf, die drei Schicksalsgöttinnen kannten.
Spätestens seit 1958, als das Kindermissionswerk damit begann, das Sternsingerbrauchtum bundesweit zu vereinheitlichen, wurden die drei Buchstaben des Türsegens auf Jesus Christus hin gedeutet: "Christus Mansionem Benedicat", was "Christus segne dieses Haus" bedeutet, ist die häufigste Erklärung. Eine weitere Erklärung ist die Wortfolge "Cogito, Matrimonium, Baptesimus" als Verweis auf die göttlichen Offenbarungen Christi in den "Ich bin"-Worten, bei der Hochzeit zu Kana und in der Taufe im Jordan. Oder aber "Christus Multorum Benefactor" – "Christus, Wohltäter Vieler".
Ritus der Haussegnung während Pandemie in Familien wiederentdeckt
Heute tragen die zahlreichen gekrönten Häupter im Kindesalter dazu bei, dass in Deutschland jedes Jahr in den Tagen um den 6. Januar die größte Hilfsaktion von Kindern für Kinder weltweit stattfindet. 2021 und 2022 konnten die Sternsinger wegen der Corona-Pandemie nicht überall den Segen Gottes an die Hauswände und Wohnungstüren schreiben. Um unnötige Kontakte zu verhindern und keinerlei Risiko im Blick auf die Verbreitung des Virus einzugehen, wurde die Aktion in den ersten Jahren der Pandemie offiziell abgesagt.
In vielen Familien wurde in dieser Zeit der Ritus der Haussegnung jedoch als Liturgie wiederentdeckt, die mit den Lieben daheim gefeiert werden kann. Einzelne Diözesen gaben hierzu Anleitungen heraus, das Benediktionale enthält den Ritus einer Haussegnung und auch im Gotteslob finden sich Wortgottesfeiern die zu diesem Zweck angepasst werden können. Das ist sicherlich eine schöne Geste, denn schließlich sind es die Familien selbst, die ein Haus mit Leben erfüllen. Eine gottesdienstliche Feier kann daran erinnern, dass ein Segen christlich verstanden kein magischer Schutz ist, sondern Geborgenheit in Gott ausdrückt – was mit dem ethischen Anspruch einhergeht, selbst zum Segen für andere zu werden.