Wie Marktl und Altötting des verstorbenen Benedikt XVI. gedenken
Neujahrstag 2023 in Altötting. Es ist 11 Uhr, als Pater Heinrich in Sankt Konrad an den Ambo schreitet. Immer um diese Tageszeit werden Andachtsgegenstände gesegnet, die die Leute mitgebracht haben. Ein paar Besucherinnen und Besucher sitzen in den Kirchenbänken. Sie holen Rosenkränze und anderes aus ihren Taschen. Der Kapuziner waltet seines Amtes. Stiller Zuschauer der Zeremonie ist Benedikt XVI.: Ein großes Bild an der rechten Seite zeigt ihn mit erhobenen Händen – jener Moment, als er als frischgewählter Papst vom Balkon des Petersdoms die Menschen grüßte. Es soll an ihn erinnern, der am letzten Tag des Jahres 2022 mit 95 Jahren in Rom gestorben ist.
Zu dem oberbayerischen Marienwallfahrtsort hatte Joseph Ratzinger von Kindesbeinen an eine besondere Beziehung. Als dort 1934 der Kapuzinerbruder Konrad heilig gesprochen wurde, war der damals siebenjährige Bub mit seiner Familie dabei. Bei den Kapuzinern legte er Jahre später auch bei seiner Papstreise durch Bayern eine Mittagspause ein. Man kennt sich. Auch Pater Heinrich hat ihn öfter erlebt; den Tod des emeritierten Kirchenmannes sieht der Ordensmann nüchtern. Ist er doch selbst 85 und hat gesundheitlich auch schon einiges mitgemacht.
Gleich um die Ecke in der großen neobarocken Basilika Sankt Anna, für deren Bau einst auch Vater Ratzinger spendete, hat man vorne neben dem Altar ebenfalls ein gerahmtes Foto des bayerischen Papstes in der Nachbarschaft zum Jesuskind in der Krippe aufgestellt. Daneben brennt die Osterkerze. Der Zelebrant des Sonntagsgottesdienstes erinnert in seiner Begrüßung ans alte Jahr mit seinem "tragischen Schlusspunkt". Heute aber gelte es den Blick nach vorne zu richten, findet er. Trotz aller Belastungen und Sorgen, die Gläubigen lägen sicher in der Hand Gottes.
"Schau ma' mal, ob die heute gehen"
Unter der Orgelempore, wo mehrere Papstwappen angebracht sind, hängt über jenem von Benedikt XVI. mit Korbiniansbär, Pilgermuschel und Freisinger Mohr ein transparenter, schwarzer Schleier. Auf den drei Stehtischen darunter liegt zum Mitnehmen die Jahresschrift der Kapuziner aus; auch einige Stapel mit Erinnerungsbildern – übrig geblieben vom Besuch Benedikts in Altötting am 11. September 2006.
Am Kapellplatz platziert eine Devotionalienhändlerin Kerzen mit dem Abbild Benedikts vor ihrem Laden. "Schau ma' mal, ob die heute gehen", sagt sie.
In der Stiftskirche Sankt Philipp und Jakobus geht derweil der "Tod von Eding" in sechs Meter Höhe auf einem Uhrenkasten seinem Geschäft nach. Seit mehr als 400 Jahren gilt, dass bei jedem Schlag, den das 50 Zentimeter große Skelett mit der Sense in der Hand ausführt, irgendwo auf der Welt ein Mensch sein Leben lassen muss. Die drei Ratzinger-Kinder schauten einst staunend hinauf: "Wir lernten verstehen, dass dies ein Ruf ist, die Kostbarkeit der geschenkten Zeit zu erkennen und sie zu nützen."
Im vom Weihrauch durchzogenen Gotteshaus lächelt einem wiederum Benedikt vom Bild entgegen. Im prächtigen Kondolenzbuch haben sich schon einige eingetragen: "Ein Sohn Bayerns ist heimgegangen. Gott gebe ihm die ewige Ruh", heißt es da, oder: "Beschütze und behüte uns!"
Im Geburtszimmer des Papstes brennt eine Kerze
Vor der 2016 enthüllten Papstfigur an der Wand des Kongregationssaals auf dem Kapellplatz, wo zu seinen Fußen Grabkerzen brennen, steht eine Gruppe von Ausflüglern. Eine 66-jährige Rentnerin hält kurz inne. Natürlich sei man stolz auf den bayerischen Papst, aber vor neun Jahren sei sie aus der Kirche ausgetreten. "Glaube und Kirche sind zwei verschiedene Sachen", sagt die Frau. Und dass er, bei aller Intelligenz, in Sachen Missbrauch mehr hätte tun müssen.
Ortswechsel: Im nur wenige Kilometer entfernten Marktl am Inn kam Benedikt am 16. April 1927 als Joseph Aloisius Ratzinger zur Welt. Sein Geburtshaus ist eigentlich den Winter über geschlossen, jetzt wurde es kurzzeitig geöffnet. Auch dort war man vorbereitet. Ein Aktenordner "Im Fall des Todes von Papst em. Benedikt" lag griffbereit.
Besucher kommen, sie nutzen den sonnigen Tag für einen Ausflug. Sogar Polen und Italiener sind darunter, berichtet Franz Haringer, der Theologische Leiter. Er selbst gibt immer wieder Interviews für internationale Presseteams. Im Geburtszimmer des Papstes brennt derweil eine Kerze; nur umgeben von einem Tuch. Ganz schlicht, so wie sich das Benedikt XVI. auch für seine Trauerfeierlichkeiten gewünscht hat. Um 17.00 Uhr steht in der Pfarrkirche Sankt Oswald der Sterberosenkranz an – in guter katholischer Tradition.