Benediktiner warnt vor Idealisierung der Orden in Reformdebatten
Der ehemalige Abt des Klosters Einsiedeln, Pater Martin Werlen, warnt vor einer unkritischen Sicht auf Orden. In einem Beitrag für das theologische Feuilleton "Feinschwarz" (Montag) stellt der Benediktiner fest, dass Ordensleute in der Öffentlichkeit sehr präsent sind und in den Reformdebatten als vorbildlich gelten. "Wird man damit aber dem Phänomen der Klöster gerecht? Ist die Klöster-Euphorie im synodalen Prozess angebracht?", fragt Werlen. Ordensleute könnten zwar selbstverständlich viele Impulse aus ihrem Erfahrungshorizont einbringen. Dennoch müsse man einen kritischen Blick auf die Ordenslandschaft werfen: "Die meisten Klöster wurden und werden kaum als prophetische Zeichen wahrgenommen", so der Ordensmann. Es gebe in der Vergangenheit wie in der Gegenwart vieles, was die Kirche und Gläubige nicht von Klöstern lernen sollten.
Für Werlen ist die Berufung der Ordensleute, "prophetisch zu knistern". Diese wesentliche Dimension des Ordenslebens sei aber weitgehend preisgegeben worden. Viele Gemeinschaften würden heute hauptsächlich dafür geschätzt, Traditionen zu hüten. "Dabei geht es nicht so sehr um die Tradition (durch den Wandel der Zeiten Jesus Christus die Treue halten), sondern um das Hüten des Zeitgeistes früherer Jahrhunderte", so der Benediktiner weiter. Das mache Gemeinschaften dafür anfällig, sich von ideologischen Gruppierungen einspannen zu lassen: "Es gibt auch heute noch Klöster, die sich rühmen, Wahrer der Traditionen zu sein, aber nicht Förderer der Erneuerungen."
Machtmissbrauch gegenüber Frauen
Auch den Umgang mit Macht sieht Werlen kritisch. Früher seien Klöster zwar weltliche Machtzentren gewesen. Noch heute wirke dieses Selbstverständnis nach. "Die Macht einer christlichen Gemeinschaft aber muss sich gerade im uneigennützigen Dienst erweisen", betont der frühere Abt. Immer noch sei die Macht in Ordensniederlassungen hauptsächlich bei Männern und früher ausschließlich bei Klerikern. "Männer bestimmen über die Frauen in Ordensgemeinschaften. Warum haben Ordensmänner nicht schon lange realisiert, wie daneben das ist?", fragt der Benediktiner.
Weiter kritisiert Werlen den Umgang mit Nachwuchssorgen: "Der heilige Benedikt kennt keine Sorge um Nachwuchs, wohl aber die Sorge für den Nachwuchs." Heute nehme die Sorge um den Bestand einer Gemeinschaft oft so großen Raum ein, dass die Gefahr manipulativen Verhaltens gegenüber jungen Menschen bestehe: "Sind die Menschen aber einmal in der Gemeinschaft, fehlen die Prüfung und Betreuung, die zu einer gesunden Reifung der Berufung beitragen könnte."
Martin Werlen ist seit 1983 Mönch im Benediktinerkloster Einsiedeln. Von 2001 bis 2013 war er Abt der Klöster Einsiedeln und Fahr und damit Mitglied der Schweizer Bischofskonferenz. Seit 2020 leitet er die Propstei St. Gerold in Vorarlberg, die zum Kloster Einsiedeln gehört. (fxn)