"Santo subito" für Benedikt? Keine Überholspur-Heiligsprechung!
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Heute wird der emeritierte Papst Benedikt XVI., der Deutsche Joseph Ratzinger, zu Grabe getragen. Bundesweit läuten die Trauerglocken, in vielen Bischofskirchen in Deutschland wird dem Papst gedacht. Die Spitzen aller fünf Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland reisen nach Rom, um den verstorbenen Pontifex zu würdigen, eine große Delegation aus Bayern ist auch dabei. Eine würdige Totenmesse für einen bedeutenden Theologen und früheren Papst.
Schon gibt es aber die ersten Stimmen aus seinem Umfeld, die – ähnlich wie einst beim Requiem für Johannes Paul II. – "Santo subito"-Rufer erwarten und vielleicht sogar erhoffen. Benedikt XVI. selbst nannte sich einen "demütigen Arbeiter im Weinberg des Herrn". Einige seiner Weggefährten versuchen aber bereits jetzt, ihn zum Kirchenlehrer aufzubauen.
Es ist zu hoffen, dass die Überholspur-Heiligsprechung von Karol Wojtyla keine Wiederholung erfährt. Denn es hat schon seinen Sinn, dass Heiligsprechungen früher erst nach Jahrzehnten oder Jahrhunderten erfolgten. Bis die Verfahren abgeschlossen waren, waren alte Kontrahenten, gegnerische Lager und Interessen längst Geschichte und Historiker konnten aus der Distanz bewerten, wie heilsbringend und wegweisend das jeweilige Wirken tatsächlich war.
Sicher war niemand, der in der katholischen Kirche heiliggesprochen wurde, als Mensch ohne Fehler. Doch Heiligsprechungen wurden zuletzt genutzt, um Kirchenpolitik zu betreiben – und das ist ein Problem. Zumal, wenn Päpste im Schnellverfahren ihre Vorgänger heiligsprechen: Eine solche Selbstsakralisierung schadet der Glaubwürdigkeit der Kirche.
Die Autorin
Annette Zoch ist Politikredakteurin der "Süddeutschen Zeitung" und schreibt dort über Religion und Kirche.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.