Warten wäre im Interesse der Kirche

Lüdecke rät bei Heiligsprechung Benedikts XVI. zu Zurückhaltung

Veröffentlicht am 08.01.2023 um 11:16 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Der emeritierte Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke rät, mit Blick auf ein Kanonisationsverfahren für Benedikt XVI. noch zu warten. Dies wäre im Interesse der Kirche. Das hängt mit der Heiligsprechung von Päpsten generell zusammen.

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In der Debatte um eine schnelle Heiligsprechung von Papst Benedikt XVI. rät der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke der katholischen Kirche zu Vorsicht und Zurückhaltung. Zwar könnte Papst Franziskus völlig souverän und ohne Beachtung von Fristen über eine Selig- und Heiligsprechung entscheiden, sagte der emeritierte Theologieprofessor am Sonntag im WDR. Dennoch wäre es im Interesse der Kirche, mit Blick auf Joseph Ratzinger noch zu warten. Zudem könnte sich eine häufige Heiligsprechung von Päpsten "abnutzen".

"Heilige sind Papstprodukte", sagte Lüdecke. Sie würden politisch nach ihrem Nutzen für die Kirche ausgesucht. Durch "Heiligkeitsmodelle" würden Leitbilder für die Kirche gesteuert – etwa Tugenden wie Demut und Gehorsam, oder Lehren wie Sexualmoral und kirchenpolitische Fragen.

Lüdecke verwies in diesem Zusammenhang auf umstrittene Entscheidungen von Kardinal Joseph Ratzinger und Papst Benedikt. Er habe als Chef der Glaubenskongregation und damit als "Lehrpolizist" über Jahre Karrieren von Theologen zerstört, die eine andere Auffassung über Glaubensfragen vertreten hätten. Auch blieben – wie bei Papst Johannes Paul II. – viele Fragen mit Blick auf den Umgang mit Missbrauchstätern offen. "Ich würde die Kirche im Dorf lassen", sagte der Theologe. "Gründlichkeit geht hier vor Schnelligkeit."

"Gründlichkeit geht hier vor Schnelligkeit"

Zuvor hatte sich der in Mainz lehrende katholische Theologe Oliver Wintzek Warnungen angeschlossen, den früheren Papst Benedikt XVI. schnell zum Kirchenlehrer zu erheben oder selig zu sprechen. "Man würde ihn damit eigentlich der Kritik entheben wollen", sagte der Dogmatiker am Freitagabend dem kirchlichen Kölner Onlineportal domradio.de. Die Erhebung zum Kirchenlehrer sei eine "Art theologische Heiligsprechung". Das von ihm Gelehrte erhielte dadurch ein "Gütesiegel normativer Art".

In seiner Amtszeit habe Benedikt viele Theologinnen und Theologen gemaßregelt. "Dass er gegen die Moderne opponierte, mit ihr immer fremdelte, dass er eine Entweltlichung von dieser Gegenwart verfocht, stimmt", sagte Wintzek, der an der Katholischen Hochschule in Mainz lehrt: "Somit hat seine ganze Theologie irgendwie die Aura, dass sie aus der Zeit und damit auch aus der Welt gefallen ist."

Der Theologe kritisierte zudem "inflationäre Selig- und Heiligsprechungen von Päpsten" in der jüngeren Vergangenheit: "Damit soll sozusagen diese Amtsstruktur in die Aura des Sakrosankten erhoben werden." Er regte stattdessen Diskussion darüber an, ob nicht Theologen wie Karl Rahner, Hans Küng, Johann Baptist Metz und Leonardo Boff zu Kirchenlehrern erhoben werden sollten.

Die Bezeichnung Kirchenlehrer ist ein offizieller Titel, den die katholische Kirche einem Heiligen verleiht, der sich durch Rechtgläubigkeit der Lehre, Heiligkeit des Lebens oder hervorragende wissenschaftliche Leistung und ausdrückliche Anerkennung durch die Kirche auszeichnet. Die Ernennung erfolgt durch den Papst. (KNA)