Podschun: Habe Verständnis für Protest der jungen Generation
Der kleine Ort Lützerath im Rheinischen Braunkohlerevier wird geräumt – trotzdem haben sich Aktivisten im Weiler postiert und demonstrieren gegen den Abriss des Dorfes. Unter den Anwesenden ist auch der Bundesvorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Gregor Podschun. Im Interview spricht er über Motive und Ziele der Aktion.
Frage: Warum sind Sie eigentlich in Lützerath, Herr Podschun?
Podschun: Lützerath ist für uns als BDKJ ein Symbol für die momentane Energiepolitik, in dem Fall des Landes Nordrhein-Westfalen, aber natürlich auch bundesweit. Es zeigt deutlich, dass keine Energiewende stattfindet, die aber dringend nötig wäre, um die 1,5-Grad-Grenze einhalten zu können. Alle Studien beweisen, dass momentan nicht noch mehr Braunkohle benötigt wird, um noch bis 2035 zu einem Kohleausstieg zu kommen. Es wäre nicht notwendig, auch dieses Dorf noch abzubaggern – und dennoch geschieht es. Das verdeutlicht, dass die Energiewende von der Regierung nicht ernst gemeint ist. Wir sorgen uns als Vertreter der jungen Generation, dass die 1,5-Grad-Grenze nicht zu halten ist. Daher ist es für uns wichtig, mit den Demonstrationen der letzten Zeit zu zeigen, dass die junge Generation sich für eine Zukunftsfähigkeit der Menschheit einsetzt.
Frage: In Lützerath leben die ursprünglichen Bewohner nicht mehr, der Abriss ist beschlossene Sache. Ist der Kampf dort nicht schon lange verloren?
Podschun: Die Frage ist, um was hier gekämpft wird: Geht es um dieses Dorf oder um etwas Größeres? Wir glauben letzteres: Das Dorf steht als Symbol stellvertretend für die gesamte Energiepolitik. Dafür lohnt es sich zu kämpfen und deutlich zu machen: Hier geschehen brachiale Dinge. Dieses riesige Loch ist ein unglaublicher Eingriff in die Natur des Landes. Dazu kommt der enorme CO2-Ausstoß des Braunkohleabbaus. Der Energiesektor ist einer der größten CO2-Verursacher überhaupt. Was hier abgebaggert wird, ist mit verantwortlich für den hohen CO2-Ausstoß Deutschlands und auch der Erde. Wir kämpfen dafür, dass sich das endlich ändert und dass wir eine Energiewende hin zu erneuerbaren Energien vollziehen. Dafür ist Lützerath der richtige Ort.
Frage: Bringen sich die Kirchen ausreichend in die Diskussion um die Zukunft der Energieversorgung ein?
Podschun: Ich nehme wahr, dass ein Nachdenken darüber zunimmt, welche Rolle die Kirchen spielen. Meiner Meinung nach müsste allerdings gerade die katholische Kirche eine bedeutende Vorreiterrolle einnehmen. Nicht zuletzt durch die Enzyklika "Laudato si", die Papst Franziskus geschrieben hat, sollte sich die katholische Kirche noch deutlicher politisch positionieren und für den Erhalt der Schöpfung einsetzen. Zum anderen muss man sagen, dass die beiden großen Kirchen nach der öffentlichen Hand die zweitgrößten Beschaffer in Deutschland sind. Das heißt, wir müssen uns die Frage stellen, mit welchen Produkten gehaushaltet wird. Wie gehen wir mit Energie um? Wie gehen wir mit Dachflächen um? Wie gehen wir mit den Immobilien um, die die Kirchen haben? Da steht die Frage nach ökologischen Bedingungen und der Nachhaltigkeit im Raum, von Pachtverträgen und Geldanlagen. Das sind alles Fragen, die sich die Kirchen dringend stellen müssen. Da vermisse ich ehrlich gesagt noch ein bisschen die Ambition, da stringenter voranzugehen.
Frage: Die Proteste im Rheinischen Braunkohlerevier stehen in Verdacht, dass es dort auch zu Ausschreitungen von Extremisten kommen kann. Wo hört für Sie der legitime Protest auf?
Podschun: Ich lehne es von Grund auf ab, dass Menschen, die für den Klimawandel eintreten und dafür friedliche Protestformen wählen, als Terroristen verunglimpft werden – dazu gehört auch ziviler Ungehorsam. Ich halte die Proteste hier wie auch Aktionen von Menschen, die sich auf Straßen festkleben, für legitime Protestformen, die in Deutschland ausgeübt werden müssen. Es ist ja nicht so, dass die Menschen das tun, um anderen zu schaden, sondern sie tun es, um darauf aufmerksam zu machen, dass, wenn unsere Regierung nicht handelt, die Menschheit am Klimawandel zugrunde gehen wird.
Daher kann ich es verstehen, dass junge Menschen, die ihre eigene Generation und ihre eigene Zukunft in Gefahr sehen, zu Mitteln des Protests greifen. Für mich ist da eine Grenze erreicht, wo durch Protest Menschen Gewalt zugefügt wird. Das wäre für mich eine nicht legitime Protestform.