Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz hat sich zur aktuellen Situation im Nahen Osten geäußert

"Der Terror muss aufgehalten werden"

Veröffentlicht am 26.08.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Treffen sich regelmäßig im Frühjahr und Herbst zu ihrer Vollversammlung: Die deutschen Bischöfe.
Bild: © KNA
Irak

Bonn ‐ Seit Monaten treibt die Terrororganisation "Islamischer Staat" im Irak ihr Unwesen. Jetzt hat sich auch der Ständige Rat der Deutschen Bischofskonferenz zur aktuellen Situation im Nahen Osten geäußert. Um die Terroristen aufzuhalten, könnten auch Waffenlieferungen nicht mehr kategorisch ausgeschlossen werden, heißt es in einer am Montag in Bonn veröffentlichten Erklärung. Katholisch.de. dokumentiert die Erklärung im Wortlaut:

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Erklärung des Ständigen Rates

"Der Irak, seit Jahrzehnten geschunden durch Diktatur, Krieg und Bürgerkrieg, erlebt seit einigen Monaten einen neuen Tiefpunkt seiner jüngeren Geschichte. Die Terrororganisation ISIS (seit Kurzem auch 'Islamischer Staat' genannt), die schon seit einiger Zeit größere Gebiete in Syrien kontrolliert, hat in den zurückliegenden Monaten etwa ein Drittel des irakischen Staatsgebietes in ihre Gewalt gebracht und ein grenzüberschreitendes sogenanntes 'Kalifat' errichtet. Die Millionenmetropole Mossul ist in ihre Hände gefallen, ebenso andere wichtige Städte. Dabei gehen die sunnitischen Dschihadisten mit ungeheurer Grausamkeit vor. Alle, die sich ihrer Version des Islam nicht unterwerfen wollen, haben zu leiden – besonders aber die religiösen Minderheiten.

In der Folge von Zwangskonversionen, Vertreibung und Mord stehen die Christen und die kleine Glaubensgemeinschaft der Jesiden im Herrschaftsgebiet der Terror-Milizen vor der Auslöschung. Sie versuchen, in die autonome Kurdenregion zu fliehen, um Leib und Leben zu retten. Für die Christen bedeuten die Einnahme von Mossul und der christlichen Stadt Karakosch (das biblische Ninive) weitere Stationen des Martyriums, das mit dem Bürgerkrieg nach der Invasion des Irak (2003) begann. In den zurückliegenden Wochen hat die internationale Gemeinschaft – vor allem die Vereinigten Staaten – erfolgreich begonnen, sich dem mörderischen Treiben entgegenzustellen.

Franziskus an einem Ambo im Petersdom
Bild: ©picture alliance/Stefano Spaziani

Franziskus spricht gestikulierend an einem Ambo im Petersdom.

Waffenlieferungen nicht ausgeschlossen

Gemeinsam mit Papst Franziskus und den Bischöfen im Irak fordern wir: Der Terror muss aufgehalten werden, und die unzähligen Vertriebenen müssen die Chance erhalten, zügig in ihre Heimat zurückzukehren. Deshalb begrüßen wir es, dass die Staatengemeinschaft in diesen Tagen intensiv über eine wirkungsvolle Bekämpfung der ISIS-Terroristen berät. In Deutschland wird vor allem über die Lieferung von Waffen an die kurdischen Kämpfer diskutiert, die sich dem Ansturm von ISIS entgegenstellen.

Dazu möchten wir als Bischöfe festhalten: Militärische Maßnahmen, zu denen auch die Lieferung von Waffen an eine im Konflikt befindliche Gruppe gehört, dürfen niemals ein selbstverständliches und unhinterfragtes Mittel der Friedens- und Sicherheitspolitik sein. Sie können aber in bestimmten Situationen auch nicht ausgeschlossen werden, sofern keine anderen – gewaltfreien oder gewaltärmeren – Handlungsoptionen vorhanden sind, um die Ausrottung ganzer Volksgruppen und massenhafte schwerste Menschenrechtsverletzungen zu verhindern.

Staaten haben sogenannte "Schutzverantwortung"

Wir erinnern in diesem Zusammenhang an die rechtliche Pflicht der Staaten, gegen Völkermord aktiv tätig zu werden, und die sogenannte 'Schutzverantwortung' (responsibility to protect) zur Abwehr schlimmster, viele Menschen bedrohender Verbrechen. Diese Maßgabe entspricht den Grundsätzen der katholischen Lehre über den gerechten Frieden.

Die Lage im Orient wirft für viele in unserer Gesellschaft die Frage nach der Rolle des Islam auf. Besonders verstörend wirkt es, dass Hunderte Muslime, die in Europa gelebt haben, sich dem Kampf von ISIS und anderen militanten oder terroristischen Organisationen angeschlossen haben. Die deutschen Bischöfe stellen sich auch weiterhin all jenen entgegen, die das Feindbild eines seinem Wesen nach gewalttätigen Islam propagieren.

Bild: ©picture alliance/abaca

Mitglieder der islamistischen Terrororganisation ISIS posieren mit ihrer Flagge.

Islam und ISIS sind nicht dasselbe. Vielmehr tobt in der muslimischen Welt selbst ein hitziger, manchmal erbarmungsloser und mörderischer Kampf um das rechte Verständnis der eigenen Religion und zu Recht wird immer wieder auf die große Zahl der Muslime hingewiesen, die Opfer dieses Konflikts werden. Hier sind die muslimischen Religions- sowie Staatsführer in besonderer Weise gefordert, Position zu beziehen. Dennoch: Die überwältigende Mehrheit der friedliebenden Muslime muss sich der Frage stellen, welche Faktoren den beängstigenden Entwicklungen in der eigenen Religionsgemeinschaft zugrunde liegen. Nur auf Fehler, Versäumnisse und Schuld zu verweisen, die außerhalb der islamischen Kultur liegen, greift zu kurz.

Opfer brauchen unmittelbare humanitäre Unterstützung

Die Opfer der Katastrophen im Mittleren Osten brauchen unmittelbare humanitäre Unterstützung. Dies ist nicht nur eine Aufgabe der Staaten. Alle können zur Hilfe beitragen, dazu gehört auch die Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen. Wir danken allen, die bereits auf vielerlei Weise helfen und bitten die Menschen in Deutschland, gleich welcher Religion oder Weltanschauung sie anhängen, das Los der Bedrängten durch ihre Spende zu erleichtern. Caritas international, das auf Not- und Katastrophenhilfe spezialisierte Hilfswerk des Deutschen Caritasverbandes, sorgt gemeinsam mit den Partnern vor Ort für eine wirksame Unterstützung der Notleidenden.

Wir rufen die Gläubigen zum nicht nachlassenden Gebet für die Menschen im Mittleren Osten auf. Es gilt den verfolgten und bedrängten christlichen Glaubensgeschwistern, aber auch allen anderen Opfern von Willkür und Gewalt. Möge der allmächtige und barmherzige Gott in jener Weltgegend Wege des Friedens weisen, die durch die biblische Geschichte besonders ausgezeichnet ist und in der auch der Islam seinen Ursprung hat!"

Stichwort "Ständiger Rat"

Der Ständige Rat ist nach der Vollversammlung das wichtigste Organ der katholischen Deutschen Bischofskonferenz. Dem Gremium gehören die 27 Ortsbischöfe, im Unterschied zur Vollversammlung aber nicht die Weihbischöfe an. Regulärer Tagungsort ist das Kloster Himmelspforten in Würzburg. Der seit 1974 bestehende Rat, der üblicherweise fünfmal im Jahr zusammenkommt, befasst sich laut Statuten mit den laufenden Aufgaben der Bischofskonferenz. Er koordiniert die pastorale Arbeit in den Diözesen und berät "dringliche kirchenpolitische und organisatorische Fragen". Festgeschrieben sind auch "Dringlichkeitsentscheidungen in Angelegenheiten, die in die Zuständigkeit der Vollversammlung fallen, aber keinen Aufschub" dulden. (KNA)