Missbrauch: Früherer Vatikan-Berater zu Homosexualität sanktioniert
Dem in Paris tätigen Priester und Psychoanalytiker Tony Anatrella sind nach einem kanonischen Verfahren wegen Missbrauchsvorwürfen jegliche priesterlichen und therapeutischen Tätigkeiten untersagt worden. Wie die Erzdiözese am Dienstag mitteilte, habe das Dikasterium für die Glaubenslehre Anatrella angewiesen, ohne jede Verzögerung auf die Ausübung seines Berufes als Therapeut verzichten. In Präzisierung des Erlasses habe ihm der Pariser Erzbischof Laurent Ulrich außerdem verboten, die Messe öffentlich zu feiern oder zu konzelebrieren, die Beichte zu hören, Bücher zu veröffentlichen oder an öffentlichen Veranstaltungen teilzunehmen. Medienberichten zufolge wird Anatrella vorgeworfen, junge Männer, darunter auch Seminaristen, im Rahmen einer Therapie sexuell missbraucht zu haben.
Besondere Brisanz hat der Fall deshalb, weil Anatrella den Heiligen Stuhl jahrelang in Fragen der Sexualität beraten hat. 2005 war er einer der Mitverfasser des Verbots des Vatikans, homosexuelle Männer zu Priestern zu weihen. In einer Analyse der vatikanischen Entscheidung schrieb er unter anderem, dass ein Homosexueller weder die "bräutliche Verbindung" zwischen Gott und der Kirche noch die "geistliche Vaterschaft" eines Priesters verkörpern kann.
Bereits 2006 wurde von Vorwürfen mehrerer Männer berichtet, die zu Anatrella geschickt worden seien, weil sie homosexuelle Neigungen gezeigt hätten. Den mutmaßlichen Betroffenen wurde damals jedoch nicht geglaubt. Als 2016 erneut Vorwürfe erhoben wurden, wurden in einer Erklärung potenzielle Opfer von Anatrella ermutigt, sich an die Erzdiözese zu wenden und Anzeige zu erstatten. Wie die Erzdiözese Paris betonte, habe sie 2016 auch das kanonische Verfahren gegen Anatrella eingeleitet, nachdem mehreren Anzeigen von der französischen Justiz wegen Verjährung nicht nachgegangen worden sei. Bereits 2018 wurde er vom Erzbistum mit ähnlichen Sanktionen wie jetzt belegt belegt. In dieser Zeit beendete auch der Vatikan seine Zusammenarbeit mit dem Psychoanalytiker. (mal)
20.01., 9:15 Uhr: dritter Absatz um weitere Details ergänzt.