Bistümer äußern sich zu Gründen

Statistik veröffentlicht: Kirchenaustritte in NRW auf Höchstniveau

Veröffentlicht am 27.01.2023 um 11:04 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Schockzahlen: Im vergangenen Jahr sind rund 44 Prozent mehr Menschen in NRW aus den Kirchen ausgetreten als 2021. Im krisengeschüttelten Erzbistum Köln fühlt sich die evangelische Kirche in Mithaftung genommen.

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In Nordrhein-Westfalen ist die Zahl der Kirchenaustritte im vergangenen Jahr erneut deutlich gestiegen. Sie wuchs um rund 44 Prozent auf 223.509 und erreichte damit zum zweiten Mal in Folge einen Höchstwert, wie eine Statistik des NRW-Justizministeriums von Donnerstag zeigt. Im Jahr 2021 hatten 155.322 Menschen im bevölkerungsreichsten Bundesland die katholische oder evangelische Kirche verlassen. Die Zahlen beziehen sich auf die Austritte, die Kirchenmitglieder vor den 129 Amtsgerichten in NRW erklärten. Da nur manche Gerichte die Konfession erfassen, unterscheidet die Statistik des Justizministeriums nicht zwischen katholischer und evangelischer Zugehörigkeit.

In kircheneigenen Statistiken stach 2021 das Erzbistum Köln hervor: Rund 40 Prozent der ausgetretenen Katholikinnen und Katholiken sowie rund 25 Prozent aller Ausgetretenen in NRW kamen aus der Kölner Erzdiözese. Kardinal Rainer Maria Woelki befindet sich in einer Vertrauenskrise, die sich unter anderem an der Missbrauchsaufarbeitung entzündete. Wie groß die Köln-Quote für 2022 ausfällt, wird die Statistik der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) im kommenden Sommer zeigen.

Bistümer äußern sich

Das Erzbistum Köln nennt den Missbrauchsskandal als einen der Gründe für die hohen Zahlen. "Wir müssen anerkennen, dass der schmerzvolle Weg der Aufarbeitung und andere Krisen das Vertrauen vieler Menschen in die Kirche heftig erschüttert haben", teilte die Erzdiözese der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) mit. Die Krise wirkt sich auch auf die evangelische Kirche aus – zumindest nimmt es die rheinische Landeskirche so wahr. Besonders im Stadtgebiet Köln seien die Austrittszahlen hoch, heißt es auf KNA-Anfrage. "Dies ist ein Zeichen dafür, dass wir als Protestanten leider in eine Art ökumenische Mithaftung genommen werden."

Das Bistum Münster warnte, die Krise mache an den Grenzen des Erzbistums Köln nicht Halt. Das Erzbistum Paderborn stellt solche Effekte dagegen nicht fest. Neben der Missbrauchsaufarbeitung und dem damit einhergehenden Vertrauensverlust sehen mehrere Bistümer und Landeskirchen in fehlender Kirchenbindung eine wichtige Motivation, um die Institution zu verlassen. Dass die gestiegenen Lebenshaltungskosten und der Wunsch, Kirchensteuer zu sparen, im vergangenen Jahr zu mehr Austritten führten, konnten sie hingegen nicht bestätigen. Allein die Lippische Landeskirche berichtete von entsprechenden Rückmeldungen.

Austrittswillige müssen in NRW persönlich vor dem Amtsgericht erscheinen. Alternativ können sie ihre Absicht über einen Notar erklären, was verhältnismäßig wenig Menschen tun. Die Landesregierung lehnte vergangenen Juli die Möglichkeit ab, den Kirchenaustritt online zu erledigen. Terminbuchungen hingegen sind bei manchen Amtsgerichten per Mausklick möglich. Je nach Wohnort kann die Wartezeiten bis zu dreieinhalb Monate betragen. Wegen der hohen Nachfrage stockten einige Gerichte – unter anderem in Köln – in den vergangenen zwei Jahren ihre Termine mehrfach auf. (KNA)