Kirche sei vor "Tribunal der gesellschaftlichen Moral" deklassiert worden

Religionssoziologe zu Vertrauensverlust: Kirche macht alles falsch

Veröffentlicht am 28.01.2023 um 13:25 Uhr – Lesedauer: 

Köln ‐ Laut einer aktuellen Umfrage sinkt das Vertrauen in die katholische Kirche und den Papst immer weiter. Schuld daran ist vor allem die Kirche selbst, sagt Religionssoziologe Michael Ebertz. Er hat Ideen, wie sich dieser Trend aufhalten lässt.

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Religionssoziologe Michael Ebertz sieht die Schuld für den Vertrauensverlust der katholischen Kirche bei der Institution selbst. "Bei der katholischen Kirche klafft im Grunde permanent und immer größer die Kluft zwischen dem, was die Menschen eigentlich von ihr erwarten und was man auch an Erwartungen und an Hoffnungen erzeugt hat in den letzten Jahren", sagte Ebertz in einem Interview mit dem Kölner "Domradio" am Samstag"Die katholische Kirche hat ein dauerndes Frauenproblem und sie enttäuscht permanent Erwartungen." Als Beispiele nannte er weiterhin größer werdende Pfarreien, die sinkende Zahl an Priestern und damit verbunden die schlechtere Erreichbarkeit des kirchlichen Personals. Zudem stritten die Bischöfe öffentlich untereinander und es gebe keine gute Kommunikation zwischen den deutschen Bischöfen und Rom. "Auch das Missbrauchsthema kriegt die Kirche nicht in den Griff. Im Grunde ist sie vor dem Tribunal der gesellschaftlichen Moral eigentlich deklassiert worden. Sie ist gescheitert", sagt Ebertz.

Der Religionssoziologe äußerte sich anlässlich einer am Dienstag veröffentlichten Forsa-Umfrage, laut der lediglich 8 Prozent der Bundesbürger großes Vertrauen zur katholischen Kirche haben. Die Kirche verlor damit im Vergleich zum Vorjahr vier Prozentpunkte. Größer ist laut Umfrage das Vertrauen in die evangelische Kirche mit 31 Prozent (minus zwei Prozentpunkte). Den stärksten Vertrauensrückgang hat die Institution "Papst" zu verzeichnen. Sie kommt nur noch auf 16 Prozent (minus 10 Prozentpunkte).

Kirche der unterschiedlichen Geschwindigkeiten

"Jetzt ist es so, dass die Vertrauensstimmung sowohl gegenüber dem Papst als auch gegenüber der römisch-katholischen Kirche am tiefsten Punkt der letzten Jahre angekommen ist", so Ebertz. Im Verlauf der vergangenen 20 Jahre habe die evangelische Kirche deutlich besser abgeschnitten als die katholische, da sie insgesamt "modernitätsbewusster oder modernitätsnäher" sei, und öffentlich derzeit "relativ verhalten" kommuniziere. Trotzdem liege sie am tiefsten Punkt ihrer Kurve. "Vertrauen heißt ja eigentlich, dass die berechtigten Erwartungen nicht enttäuscht werden", erläuterte der Religionssoziologe. "Die Kirche macht derzeit alles falsch, was man eigentlich falsch machen kann."

Auf die Frage, was die katholische Kirche tun müsste, um wieder Vertrauen zurückzugewinnen, antwortete Ebertz, dass es einen "gepflegten Ort der Verständigung" und der verbindlichen Entscheidung in der Kirche brauche. "Das kann durchaus ja heißen, dass in der katholischen Kirche in Deutschland die Uhren etwas anders laufen als etwa irgendwo in Afrika oder Lateinamerika", so Ebertz. "Warum sollte es denn nicht eine Kirche mit unterschiedlichen Modernisierungsgeschwindigkeiten geben?" Zudem brauche es eine bessere Medienarbeit, "die im Grunde auch den Menschen erklärt, warum etwas so und auch gegensätzlich ist". (cbr)