Knop: Klerikalismus, Sexismus und Gehorsam Ursachen für Kirchenkrise
Die Erfurter Dogmatikerin Julia Knop spricht sich für eine grundlegend erneuerte Lehre von der Kirche aus, um das umfassende Systemversagen zu überwinden. In der aktuellen Ausgabe der Monatszeitschrift Herder-Korrespondenz (Februar) sieht die Theologin die Gründe für das von ihr festgestellte Systemversagen in Klerikalismus, Sexismus und einer spirituellen Überhöhung von Gehorsam. "Institutionell (rechtlich, liturgisch, doktrinell, spirituell, habituell) kultiviert, schlagen sich diese Wurzelsünden in Strukturen der Sünde nieder, die das System Kirche sklerosieren", so Knop. Daher müsse eine erneuerte Ekklesiologie nicht nur aufhören, diese Wurzelsünden zu fördern oder zu tolerieren, sondern sie aktiv verhindern. "Und es braucht eine Neukonfiguration des individuellen Verhältnisses zur Institution Kirche, das immun wird gegenüber den Manipulationen des Denkens, des Glaubens und des Betens, die Klerikalismus, Sexismus und eine kirchliche Ideologie des Gehorsams provozierten", so Knop weiter.
Zu einer solchen erneuerten Ekklesiologie gehöre eine umfassende, alle Dimensionen und Facetten des Glaubens berücksichtigende und alle einbeziehende Vergewisserung des Katholischen. Konkret nennt die Theologin "ein Gottesbild, das keine patriarchalen Muster mehr bedient, sondern allen zum Anker wird; ein Glaube, der Menschen vor Gott groß und frei sein lässt; eine Kirche, die vor aller Welt für Gerechtigkeit einsteht, Vielfalt als Ausdruck des Geistwirkens Gottes erkennt, (spirituelle, intellektuelle, sexuelle) Selbstbestimmung achtet und fördert; eine Praxis, die wirklich und nicht nur im Modus der selbstgewissen Behauptung 'sakramental' wirkt, also bedeutsam und heilsam dafür ist, Menschen untereinander und mit Gott zu verbinden".
Schädliche Prägungen von Gläubigen müssten erst verlernt werden
In der katholischen Kirche sei die Krise deshalb so massiv und existenziell, weil der Glaube in katholischer Tradition in hohem Maße kirchlicher Glaube sei. Wenn der Glaube derart stark infrage stehe, habe das auch Auswirkungen auf die kirchliche Verortung der Gläubigen. Damit sei die Kirchenkrise nicht nur eine institutionelle Krise, sondern zugleich eine Krise des überlieferten Glaubens und des individuellen Glaubenslebens und erfasse damit alle Dimensionen: Inhalte, Sozialformen und Gebetspraxis. "Keiner dieser Bereiche kann mehr als heilige, unantastbare Enklave gepflegt oder unberührt von den Wechselfällen der Zeit oder dem Zustand der kirchlichen Institution betrachtet werden", betont die Dogmatikerin. Was über Jahrzehnte für wahr und richtig erklärt und den Gläubigen anempfohlen oder abgefordert worden sei, stehe angesichts des "Zusammenbruchs der Kirche als vertrauenswürdiger, lebensdienlicher religiöser und moralischer Autorität" grundsätzlich mit infrage.
Klerikalismus, Sexismus und eine Unkultur des Gehorsams durchsetzen nach Ansicht Knops kirchliche Strukturen sowie Sprache und Verhalten von Verantwortung und vergiften so Glauben, Beten und Denken der Gläubigen: "Jahrzehntelang kultiviert, habitualisiert und internalisiert, begünstigen sie Missbrauch und Vertuschung, Co-Klerikalismus und Bystandertum, aber ganz eminent auch die eigene Anfälligkeit, missbräuchlichem Verhalten zum Opfer zu fallen und emotional, sexuell, spirituell oder intellektuell manipuliert zu werden." Dass diese Strukturen erst mit dem gegenwärtigen Scheitern des Systems Kirche offenbar würden, sei zwar tragisch und beschämend. Es könne aber auch reinigend wirken: "Als Not wendender, vielleicht sogar Not lösender Aufbruch hin zu einer selbstbestimmten freimütigen Katholizität, die im 21. Jahrhundert trägt und Menschen hilft, zu leben", so Knop weiter.
Es komme nun darauf an, prekäre Glaubenssätze, die Sprache, Wertvorstellungen und Verhalten prägten, aktiv zu "verlernen". Diese Grundeinstellungen liegen laut Knop tiefer als gesellschaftliche Konventionen; sie seien "Grundeinstellungen des Weltzugangs". Daher sei es auch schwierig, sie wahrzunehmen und als nicht notwendig zu erkennen. Dabei helfe die gegenwärtige Lage der Kirche: "Das komplexe Systemversagen, die Erschütterung über das wahre Gesicht manch religiöser Gestalten und die vielen individuellen Verlustgeschichten legen die zerstörerische Macht kirchlicher Wurzelsünden schonungslos frei", so die Dogmatikerin. (fxn)