"Das Recht schweigt zu Lebensdramen"
Bundestagspräsident Norbert Lammert betonte zum Auftakt, dass es sich "vielleicht um das anspruchsvollste Gesetzgebungsverfahren in dieser Legislaturperiode handelt". In der Debatte wurden immer wieder die Grenzen des Gesetzgebers angesichts der existenziellen Situation des Sterbens deutlich.
Einigkeit bestand darin, dass es vor allem darum gehen müsse, das Sterben des Einzelnen so weit wie möglich menschenwürdig zu gestalten, nämlich durch einen Ausbau der Palliativmedizin und der Hospize. In Deutschland ist die Tötung auf Verlangen verboten, der Suizid ist aber ebenso straffrei wie die Beihilfe dazu. Nachdem Einzelne, aber auch Vereine, dies für sich zu einem Angebot oder gar Geschäftsmodell ausgebaut haben, sucht der Gesetzgeber nach einer Regelung. Mehrmals - zuletzt 2012 - scheiterte er bislang an der schwierigen Materie.
Geschäfte mit der Tötung sollen verboten werden
Konsens herrscht inzwischen darüber, dass Geschäfte mit der Tötung in jedem Fall verboten werden sollen. Vier von fünf fraktionsübergreifenden Positionspapieren, die der Debatte zugrunde lagen, sprachen sich ferner dafür aus, alle organisierten Angebote, etwa durch Sterbehilfevereine oder einzelne Ärzte, zu untersagen.
Nur eine Gruppe um Renate Künast (Grüne) und Petra Sitte (Die Linke) will uneigennützig handelnde Vereine unter gewissen Bedingungen erlauben. Sie sehen vor allem im selbstbestimmten Sterben das zu schützende Rechtsgut; im Recht, "dass ich selbst mein Leben beenden darf", wie Künast sagte. Der Gesetzgeber müsse vor allem dafür sorgen, dass "keine Fremdbestimmung" vorliegt.
Doch nicht nur Elisabeth Scharfenberg (Grüne) stellte infrage, ob wirklich von Selbststimmung gesprochen werden könne, wenn die Entscheidung durch Angst vor Schmerzen, Einsamkeit und Hilflosigkeit falle. Gerade in einer alternden Gesellschaft dürfe der Suizid nicht als scheinbar normaler Ausweg eröffnet werden.
Suizidbeihilfe bald Normalfall?
Zahlreiche Abgeordnete fürchten, dass die Suizidbeihilfe zum Normalfall werden könnte. Claudia Lücking-Michel (CDU) warnte vor ökonomischem und psychosozialem Druck. Wenn sich die Suizidbeihilfe einmal etabliert hätte, müssten sich die Betroffenen zwangsläufig dazu verhalten. Und ihr Parteikollege Michael Brand (CDU) mahnte, die Tür nicht mal einen Spalt weit zu öffnen. Auch in Belgien und den Niederlanden habe man mit engen Kriterien begonnen und inzwischen sogar die aktive Sterbehilfe für Kinder erlaubt.
In ihren Positionen liegen drei der eingebrachten Vorlagen nahe beieinander. Sie treten für eine fortgeltende Sraflosigkeit des assistierten Suizids im Einzelfall ein.Die SPD-Abgeordneten Eva Högl und Kerstin Griese fordern aber von den Landesärztekammern, ihr Standesrecht für die Suizidhilfe zu öffnen. Diese sei zwar keine ärztliche Aufgabe, dem einzelnen Mediziner müsse aber eine Gewissensentscheidung möglich sein.
Kauder für Zurückhaltung des Gesetzgebers
Der CDU-Abgeordnete Peter Hintze verlangte hingegen mit anderen Abgeordneten eine ausdrückliche Erlaubnis für Ärzte, unter genau genannten Bedingungen Beihilfe zu leisten. Er erhofft sich dadurch mehr Rechtssicherheit. Allerdings wies nicht nur der Unions-Fraktionsvorsitzende Volker Kauder (CDU) darauf hin, dass gerade die detaillierte Regelung den Arzt erst in ernste Konflikte mit dem Strafrecht bringen könne. Kauder plädierte für Zurückhaltung des Gesetzgebers, gerade um das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nicht zu stören.
Die Debatte diente nicht zuletzt der Aufklärung über bestehende Möglichkeiten der Sterbebegleitung. Bundesgesundheitsminister Herrmann Gröhe (CDU) verweis etwa auf das heute schon geltende Recht, lebensverlängernde Maßnahmen abzulehnen, oder die Möglichkeiten moderner Schmerztherapie. Selbsttötung und Beihilfehandlungen seien aus gutem Grund straffrei: "Das Recht schweigt zu den Lebensdramen." Er warnte davor, die Selbtstötung zu einem Akt wahrer Selbstbestimmung zu verklären.
Von Christoph Scholz (KNA)