Pastor Christian Olding über das Sonntagsevangelium

Vergeben und Vergessen

Veröffentlicht am 18.02.2023 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 4 MINUTEN
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Geldern ‐ "Rache ist süß", heißt es – doch ihr Nachgeschmack ist bitter. Wie kann ich in Anbetracht des Bösen leben, ohne unter der Last des Hasses zusätzlich zu leiden? Pastor Christian Olding lässt sich Jesu Worte von jemandem erklären, der es wissen muss: Dietrich Bonhoeffer.

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Impuls von Pastor Christian Olding

"Rache ist süß": Dieses geflügelte Wort mag für eine Momentaufnahme herhalten können, doch der Nachgeschmack der Rache ist ein anderer. Es mag mir gelungen sein, mein Gegenüber schmerzlich zu treffen, doch meine eigenen Verletzungen sind dadurch noch lange nicht geheilt. Mag ich aus der Last meiner Erfahrung auch ein Wurfgeschoss schmieden, doch den Konflikt löse ich so noch lange nicht.
Manch einer mag sich eher still leidend zurückziehen und frisst alles in sich hinein. Doch was zu schnell heruntergeschluckt wird, stößt bald wieder auf. Bitterkeit verdirbt den Geschmack am Leben.

Wenn ich mich entschließe, meine Vergebungsbereitschaft nicht mehr an das Schuldbekenntnis des anderen zu knüpfen, dann entscheide ich mich, dass die erlittene Kränkung meinen Lebensweg nicht dauerhaft blockieren darf. Jemandem zu vergeben, heißt, ihn loszulassen. Ansonsten mache ich meinen inneren Frieden vom Tun und Lassen der anderen Person abhängig. Wenn ich mich weigere zu vergeben, dann will ich noch immer etwas von ihr. Sie geht vielleicht längst unbeschwert ihrer Wege. Die Last "des Nachtragens" wiegt dafür in meinen Händen immer schwerer und ihre scharfen Kanten schneiden zusätzlich in mein Inneres. Während ich meine, die Person durch meine Unversöhnlichkeit zu bestrafen, treffe ich zuallererst mich selbst.

Dass dieser Weg aber bitte nicht missverstanden wird. Jesus nennt das Böse böse und den Feind einen Feind. Jesus fordert keine plötzliche Harmonie, die das Geschehene vergessen sein lässt. Er sagt nicht: Ihr müsst jetzt beste Freunde werden. Aber er sagt: "Selig du Armer, selig du Enttäuschte, selig du Verletzter. Deine Ehre, deine Sicherheit, dein Schutz liegen in Gottes Händen. Sei stark und kreativ und sei ein Botschafter des Reiches. Segne und fluche nicht. Sprich und schweige nicht. Wende dich zu und nicht ab. Streite, aber verstoße nicht!"

Dietrich Bonhoeffer hat das so ausgelegt: "Die Überwindung des Anderen erfolgt nun dadurch, dass sein Böses sich totlaufen muss, dass es nicht findet, was es sucht, nämlich Widerstand und damit neues Böses, an dem es sich um so mehr entzünden könnte. Das Böse wird darin ohnmächtig, dass es keinen Gegenstand, keinen Widerstand findet, sondern willig getragen und erlitten wird. Hier stößt das Böse auf einen Gegner, dem es nicht gewachsen ist."

Jesus hat nicht nur für mich am Kreuz gelitten, sondern auch für den da vor mir, der mir von ganzem Herzen unsympathisch oder zuwider ist. Auch der, den ich nicht lieben kann, der Böses tat, ist und bleibt ein Geschöpf Gottes. Diese Würde kann niemand verlieren. Sie kann ihm nicht genommen werden, weder durch andere noch durch sich selbst.

Aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 5,38–48)

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn. Ich aber sage euch: Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand, sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt, dann halt ihm auch die andere hin!

Und wenn dich einer vor Gericht bringen will, um dir das Hemd wegzunehmen, dann lass ihm auch den Mantel! Und wenn dich einer zwingen will, eine Meile mit ihm zu gehen, dann geh zwei mit ihm! Wer dich bittet, dem gib, und wer von dir borgen will, den weise nicht ab!

Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen, damit ihr Kinder eures Vaters im Himmel werdet; denn er lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten und er lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.

Wenn ihr nämlich nur die liebt, die euch lieben, welchen Lohn könnt ihr dafür erwarten? Tun das nicht auch die Zöllner? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr damit Besonderes? Tun das nicht auch die Heiden? Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist!

Der Autor

Christian Olding ist Pastor in der Pfarrei St. Maria Magdalena in Geldern.

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