Vorsicht vor dem "Weiberfastnachts-Effekt" – gerade in der Kirche!
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Mit Weiberfastnacht beginnt heute in vielen Regionen der Straßenkarneval: In Köln und anderen Karnevalshochburgen stürmen kostümierte Frauen das Rathaus und übernehmen für einen Tag die Macht. Wer das jedoch als Gestus weiblicher Ermächtigung sieht, hat Karneval gründlich missverstanden – und so einiges in der Kirche wohl auch.
An den "jecken Tagen" steht die Welt Kopf, das wussten schon die mittelalterlichen Narren: Es wurde wild über Standesgrenzen hinweg gefeiert, sodass Herrschende und Beherrschte auf einer Stufe standen. Eben nicht, weil gesellschaftliche Hierarchien nicht mehr galten, sondern gerade deshalb: Wie viel Revolution wirklich in der geplanten katholischen Bischöfin auf dem Kölner Karnevalswagen steckt, darf zumindest bezweifelt werden. Denn der kalkulierte Tabubruch bestätigt den Status Quo und erweist sich so als faszinierendes Machtinstrument.
Und wenn sich jemand historisch damit auskennt, dann die Institution Kirche. Sie tolerierte das wilde Treiben nicht nur als psychologisches Ventil, sondern interpretierte es als Katechese in der Vorbereitung auf Ostern. In der Tradition von Augustinus' Gottesstaat und Teufelsstaat deutete sie Karneval als verkehrte Welt, in welcher der sprichwörtliche Teufel los ist. Das lässt sich nicht lange durchhalten: Am Aschermittwoch ist bekanntlich alles vorbei und die göttliche Ordnung setzt sich durch.
Dort, wo der Druck zu groß wird, das Ventil kontrolliert öffnen, um anschließend wieder zum Regelbetrieb zurückzukehren? Ein Schelm, wer dabei an gegenwärtige Kirchenpolitik denkt. Es muss nicht gleich ein Rundumschlag in der Art des Kirchenrechtlers Norbert Lüdecke sein. Manch hart erkämpfter Tabubruch hat tatsächlich die Grenzen des Sagbaren deutlich verschoben – bis ins kirchliche Arbeitsrecht hinein.
Vor allem Duldungen und Ausnahmeregelungen aber laufen Gefahr, falsche Hoffnungen zu wecken, während sie vor allem der Systemstabilisierung dienen – und auch rückwirkend instrumentalisiert werden können. Eine Frauenpredigtwoche etwa zeigt vor allem an, dass Frauen nicht geweiht werden und daher "normalerweise" nicht predigen dürfen. Genauso wie die Segnung homosexueller Paare illustriert, dass diese Paare nicht heiraten dürfen, weil ihre Beziehung "normalerweise" als falsch bewertet wird. Um was es sich handelt, muss in jedem Fall einzeln bewertet und vielleicht auch errungen werden. In jedem Fall aber ist Wachsamkeit geraten – denn der Weiberfastnachts-Effekt hinterlässt ein bitteres Gefühl.
Die Autorin
Valerie Mitwali ist Redaktionsmitarbeiterin bei katholisch.de und promoviert an der Ruhr-Universität Bochum in systematischer Theologie.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.