Ordensfrau über Berufung: "Dachte zuerst, das passt nicht zu mir"
Schwester Josefa Maria (39) ist Vinzentinerin in München. 2020 ist sie in die Kongregation der Barmherzigen Schwestern vom heiligen Vinzenz von Paul eingetreten. Davor arbeitete sie bei dem internationalen Flugzeugbauer Airbus. Im Interview mit katholisch.de spricht die Ordensfrau über ihren Glauben und ihr Leben im Orden.
Frage: Schwester Josefa Maria, könnten Sie bitte kurz das Leben beschreiben, das Sie vor dem Ordenseintritt hatten?
Schwester Josefa Maria: Ich war Projektleiterin bei Airbus in München. Ich hatte viel Verantwortung und habe gut verdient. Ich konnte mir eine schöne Wohnung leisten. Ich hatte alles, mir hat es an nichts gefehlt, eigentlich. Ich war gesund, mein Job hat mir Spaß gemacht und privat hatte ich tolle Freunde und eine liebevolle Familie. Ich bin viel gereist und ausgegangen, ich hatte auch eine kleine Schwäche für High Heels und Handtaschen. Es war ein schönes Leben und eine große Freiheit.
Frage: Sie sagen "eigentlich". Was ist passiert, dass Sie dieses Leben freiwillig aufgegeben haben?
Schwester Josefa Maria: Nichts Außergewöhnliches. Ich hatte alles und dennoch fehlte etwas. Das heißt nicht, dass ich unglücklich war oder so. Aber jedes Mal, wenn ich beruflich einen Erfolg hatte, fragte ich mich: "Für wen mache ich das eigentlich? Willst du das so weitermachen bis zur Rente?" Diese Fragen waren der Beginn meiner Suche.
Frage: Was wollten Sie suchen?
Schwester Josefa Maria: Ich habe gemerkt, dass mir etwas fehlte. Mir ging es so gut und von diesem "mir geht’s so gut" wollte ich etwas zurückgeben. Ich wollte teilen was mich erfüllt. Ich kann mich noch gut an die Firmung meiner jüngeren Schwester erinnern. Mir war es wichtig, dass ich ihre Firmpatin wurde, und so war ich nach einer längeren Zeit mal wieder in einer Kirche und in einem Gottesdienst. Da habe ich gemerkt: "Da gibt es noch mehr, mehr im Leben." Ich habe meinen Glauben wiederentdeckt und mich auf die Suche nach Gott im Alltag gemacht.
Frage: Wer hat Ihnen dabei geholfen, den Glauben wieder zu entdecken?
Schwester Josefa Maria: Das waren vor allem andere Ordensfrauen. Ich hatte Kontakt mit einer ganz wunderbaren Ordensgemeinschaft und bin dort mit anderen jungen Frauen, die auch auf der Suche waren, in Kontakt gekommen. Ich habe dann auch eine geistliche Begleiterin gefunden, eine Ordensfrau, sie hat mir immer wieder die richtigen Fragen gestellt. Einmal habe ich bei Schweigeexerzitien eine Ordensfrau erlebt. Sie sah so glücklich und zufrieden aus. Ihr Gesicht strahlte richtig. Damals dachte ich: "Das will ich auch". Es hat aber noch ein paar Jahre gedauert, bis ich mich dazu entschieden haben, wirklich in einen Orden einzutreten.
Frage: Hatten Sie keine Zweifel an Ihrer Entscheidung?
Schwester Josefa Maria: Doch. Anfangs habe ich mich schon gefragt: "Jede andere ist braver und frommer als ich. Warum also ich, lieber Gott?" Ich konnte mir das nicht vorstellen für mich. Ich dachte, so ein braves Ordensleben, das passt doch nicht zu mir. Heute weiß ich: Ordensleben ist vielfältig und herausfordernd und nie langweilig. Aber der Gedanke ließ mich nicht los, dass genau dieses Leben in einer Gemeinschaft und vor allem ein Leben für andere Menschen auch etwas für mich sein könnte.
Frage: Wie haben Ihre Eltern damals auf Ihre Entscheidung reagiert, dass Sie Ordensfrau werden wollen?
Schwester Josefa Maria: Begeisterung sieht anders aus. Mein Vater konnte nicht verstehen, warum ich das, was ich beruflich aufgebaut hatte, einfach so aufgeben will. Und meine Mutter fragte mich, ob ich denn keine eigene Familie und Kinder haben wollte. Auch meine jüngere Schwester wollte mich nicht ziehen lassen. Aber ich war ihnen deshalb nicht böse. Das waren ihre Bedenken und Ängste, und wir haben darüber gesprochen. Als sie gemerkt haben, dass es mir ernst ist und ich diesen Weg gehen möchte, haben sie mich unterstützt. Sie waren auch bei meiner Professfeier dabei, das hat mich sehr gefreut.
Frage: War es schwer, alle Schuhe und Handtaschen vor dem Eintritt in die Kongregation wegzugeben?
Schwester Josefa Maria: Nein, es hat sich leicht angefühlt. Ich habe meinen Job gekündigt, die Wohnung aufgelöst und vieles verschenkt. Danach wurde es noch leichter. Das war für mich die Bestätigung, dass es die richtige Entscheidung ist.
Frage: Haben Sie sich Ihren Ordensnamen selbst ausgesucht?
Schwester Josefa Maria: Ich habe drei Vorschläge gemacht und meine Mitschwestern haben dann einen Namen ausgewählt. Ich wünschte mir eine weibliche Form von "Josef". Denn "Josef" bedeutet im Hebräischen: "Gott gibt hinzu". Für mich ist das ein schöner Gedanke. Ich mag meinen Ordensnamen "Josefa Maria" sehr gerne.
Frage: Ist das Leben in einer Ordensgemeinschaft nun anders als in einer schicken Wohnung in München?
Schwester Josefa Maria: Ja, jetzt ist es für mich persönlich erfüllter. Ich bin in einem Konvent mit vier weiteren Ordensfrauen in einer Wohnung in München zusammen. Für mich passt es, ich kann nun meinen Glauben in dieser Gemeinschaft leben. Das ist so ein Geschenk für mich. Wir beginnen den Tag gemeinsam mit einem Gebet und beschließen den Tag auch so. Wir teilen unseren Alltag, essen gemeinsam und tauschen uns aus. Ich schätze die Zeit in Gemeinschaft, auch wie wir unseren Glauben leben. Ich genieße auch die Momente der Stille. Wir haben in unserer Kongregation keine Klausur. Meine Mitschwestern wirken in unserem Alten- und Pflegeheim, wo sie sich um Menschen in körperlicher und seelischer Not kümmern. Ordensleben heißt auch, dass ich Urlaub und freie Tage habe, da besuche ich zum Beispiel meinen kleinen Neffen und kann ihm auch mit meinem Taschengeld etwas Schönes kaufen.
Frage: Womit verdienen Sie heute Ihr Geld in der Kongregation?
Schwester Josefa Maria: In unserer Kongregation bin ich für die Wertearbeit zuständig. Das heißt, ich begleite unsere Mitarbeitenden und entdecke mit ihnen gemeinsam unsere vinzentinischen Werte,; ich versuche ihnen etwa dabei zu helfen, sich für andere Menschen stark zu machen. Wir haben einige Einrichtungen, das sind Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser, einen Wirtschaftsbetrieb, mit insgesamt fast 2000 Mitarbeitern. Davon sind 140 Schwestern. Uns alle treibt der Geist der Nächstenliebe an. Jetzt kann ich mit anderen teilen, was mich erfüllt. Ich versuche auch alle Einrichtungen regelmäßig zu besuchen, da komme ich viel rum.
Frage: Auch mit dem Flugzeug?
Schwester Josefa: Das fragen mich meine Mitschwestern auch öfters: Ob ich das Fliegen vermissen würde, weil ich ja so viel gereist bin. Also, fehlen tut mir das nicht. Im Orden bin ich auch schon nach Rom geflogen, dienstlich. Wenn es sein muss, fliege ich gerne wieder. Ich bin mit manchen früheren Kollegen auch noch in Kontakt. Ich finde, dass es auf Dauer nicht gesund sein kann, wenn man sich künstlich von seinem Leben vor dem Eintritt in den Orden distanziert. Es gehört, ebenso wie Freunde und Familie, zu meinem Leben dazu. Ich bin auch dankbar, für das, was ich bei Airbus gelernt haben. Das kann ich nun gut für meine Aufgaben hier in der Kongregation nutzen. Ich gehe mutig meinen Weg mit Gott, von Augenblick zu Augenblick. Das hat schon unsere Ordenspatronin, die Heilige Louise von Marillac so gesagt. Heute bin ich dankbar, dass ich sagen kann: "Ich bin angekommen". Ich habe nun gefunden was mich frei und erfüllt leben lässt.