"Wir sehen die Überforderung der kirchlichen Verantwortungsträger"

Betroffene: Landtage sollen Missbrauch in der Kirche aufarbeiten

Veröffentlicht am 28.02.2023 um 13:29 Uhr – Lesedauer: 

Dresden ‐ Viele Beobachter fordern eine stärkere Rolle des Staates bei der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der Kirche. Betroffenenvertreter haben dies nun bekräftigt – und sehen vor allem die Landtage der Bundesländer in der Pflicht.

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Am Rande der Bischofs-Vollversammlung in Dresden haben Betroffenengruppen ihre Forderung nach Federführung des Staates bei der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der Kirche bekräftigt. "Wir sehen die Landtage in der Pflicht, in ihrer Verantwortung zu schauen, was sie tun können", sagte der Geschäftsführer des Eckigen Tischs, Matthias Katsch, am Dienstag in Dresden. Man solle nicht erst warten, bis möglicherweise der Bundestag eine entsprechende Wahrheitskommission einsetze.

Katsch erklärte, die Politik sehe die Aufarbeitung in der Kirche häufig nicht als ihre Aufgabe. Es gehe aber nicht etwa darum, dass der Staat sich in die inneren Angelegenheiten der Kirche einmischen solle, sondern: "Es geht um die Aufklärung von Verbrechen, die im Raum der Kirche geschehen sind und bei denen Kirchenvertreter Täter und Vertuscher gewesen sind." Katsch räumte ein, dass bisher auch eine gesetzliche Grundlage für eine solche staatliche Aufarbeitungskommission fehle. Die Unterschiede zwischen Bistums- und Ländergrenzen sieht Katsch nicht als ein unüberwindbares Problem bei einer konkreten Umsetzung."

"Eine Institution kann sich nicht selbst aufarbeiten"

Gregor Mennicken von der "Initiativgruppe Aufarbeitung von unten", die Missbrauchsbetroffene im Bistum Dresden-Dresden unterstützt, erklärte: "Eine Institution kann sich nicht selbst aufarbeiten. Wir sehen die Hilflosigkeit, wir sehen die Überforderung der kirchlichen Verantwortungsträger." Zugleich appellierte der Dresdner Psychotherapeut an die Kirchenleitungen, stärker von sich aus auf Pfarrgemeinden zuzugehen, wo Täter aktiv waren: "Denn es gibt dort Menschen, die unter dem Schweigen leiden."

Am Montag hatte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße erklärt, er unterstütze die Forderung der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung, Kerstin Claus, dass der Staat sich mehr in die Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der Kirche einbringen müsse. Auch der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, sagte: "Es hilft uns, wenn die Politik mehr Verantwortung zu übernehmen bereit ist. Denn es gilt, den Betroffenen sexuellen Missbrauchs Gerechtigkeit widerfahren zu lassen."

Noch bis Donnerstag tagen die deutschen Bischöfe in Dresden. Dabei beraten sie auch über eine Weiterentwicklung der Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch und Machtmissbrauch im religiös-spirituellen Zusammenhang. (KNA)