Himmelklar – Der katholische Podcast

Österreichs Laien-Präsident: Blicke manchmal neidisch nach Deutschland

Veröffentlicht am 01.03.2023 um 00:30 Uhr – Lesedauer: 
Ferdinand Kaineder
Bild: © Privat

Bonn ‐ Deutschland hat das ZdK, Österreich die Katholische Aktion. Deren Präsident blickt mit ein wenig Neid auf das Nachbarland. Im Interview betont Ferdinand Kaineder, dass auch Laien in Österreich sich Veränderungen in der Kirche wünschen. Und er sagt, warum er den Synodalen Weg schätzt.

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Die Katholische Aktion (KA) ist das österreichische Pendant zum Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Zwischen beiden gibt es viele Gemeinsamkeiten, aber auch einige strukturelle Unterschiede. KA-Präsident Ferdinand Kaineder schaut gerade auf die Unabhängigkeit der deutschen Laienorganisation manchmal mit etwas Neid, gibt er im Interview zu. Im Blick auf die unterschiedliche Behandlung der Geschlechter in der Kirche spricht er von einem "Verfassungsfehler" – und wünscht sich in Österreich unter anderem eine Wahl von Bischöfen.

Frage: Wie unterscheidet Österreichs Katholische Aktion vom Zentralkomitee der deutschen Katholiken?

Kaineder: Ich glaube, dass das ZdK sehr unabhängig ist, weil es durch Verbände organisiert ist. Wir als katholische Aktion sind eigentlich zusammen mit den Bischöfen konzipiert worden. Unser Statut besagt, dass wir bottom-up gewählt werden. Die Vertreterinnen und Vertreter sind gewählt aus den verschiedenen Bereichen wie etwa der Kinder- oder Jugendarbeit und weiteren Bereichen. Wir sind in Österreich die größte und auch die offizielle Laienorganisation. Das muss so festgestellt werden.

Da werden jetzt wahrscheinlich Auswärtige sagen, wir seien in Abhängigkeit zu den Bischöfen. Da muss ich sagen, das stimmt, weil ich zum Beispiel auch als Präsident der Katholischen Aktion Österreich von der Bischofskonferenz bestätigt werden musste. Das gilt für die Vizepräsidentinnen genauso.

Heißt das, dass wir den Bischöfen nur nach dem Mund reden? Wir sehen das anders. Wir sehen uns in einer Art bischöflichen Tonalität gesetzt. Wir sehen an der Basis der Kirche verschiedene Entwicklungen. Wir müssen aber niemals die Bischöfe vorher fragen, wenn wir etwas öffentlich sagen. Das ist wie eine Ellipse, es gibt zwei Brennpunkte. Auf der einen Seite sind die Bischöfe, und auf der anderen Seite ist die Katholische Aktion. Ein Beispiel sind unsere Dossiers im synodalen Prozess: "Ökologischer Umkehr und Mitweltgerechtigkeit", "Geschlechtergerechtigkeit", "Der Weg zum Frieden", "Arbeit und soziale Fairness", "Beteiligung und Mitverantwortung" – das sind fünf generelle Themen. Die sind bei uns aus der Basis entstanden und jetzt unsere Orientierung in Richtung Zukunft.

Also es stimmt, wir sind die offizielle Laienorganisation der Bischöfe. Wir sind aber nicht in einer linearen Abhängigkeit. Wir sind in unseren Entscheidungen und in unserem Gehen frei.

Frage: Wie ist denn das Miteinander mit den Bischöfen? Wie gehen Sie damit um, wenn es zum Beispiel zu Konflikten kommt? Das ZdK in Deutschland muss ja im Prinzip keine Rücksicht darauf nehmen, was die Bischöfe denken.

Kaineder: Ich glaube, das ist ähnlich wie beim synodalen Prozess. Ich bin ja selbst etwas erstaunt, dass ganz wenig über das Framing der Kirche gesprochen wird. Wo steht das drin? Welche Ressourcen gibt es? Wie viel Geld ist eigentlich vorhanden? Wer hat die Macht über das Geld? Das ist schon sehr entscheidend, wenn man etwas weiterentwickelt. Der Bestand, der jetzt steht, hat das Geld, die Ressourcen, die Immobilien. Von daher ist es gar nicht so leicht, etwas zu verändern.

In Österreich nehmen wir wahr, dass die Katholische Aktion in den letzten 20 bis 25 Jahren von den meisten Bischöfen, aber nicht von allen, sukzessive verkleinert wurde. Man hat sich auch ein wenig distanziert und hat uns auch weniger Ressourcen gegeben, als uns eigentlich zugestanden hätten. Man hat manches ersetzt durch die Movimenti. Viele unserer Bischöfe sind eigentlich näher bei den Movimenti als bei ihrer offiziellen Katholischen Aktion.

Ein Kreuz vor einer Leinwand mit dem Logo des ZdK
Bild: ©KNA/Harald Oppitz (Symbolbild)

"Wenn es um die finanziellen Ressourcen geht und um die Möglichkeit, auch Dinge in die Hand zu nehmen", blicke die Katholische Aktion manchmal neidisch auf das ZdK, sagt Ferdinand Kaineder.

Frage: Also bei den geistlichen Gemeinschaften. Kann man das so sagen?

Kaineder: Ja, genau. Wir sind gerade dabei, das vielleicht auch ein wenig wieder umzukehren oder in der Deutungshoheit der verschiedenen kirchlichen Präsenzen uns auch wieder wesentlich näher bei den Bischöfen zu melden. Das Verhältnis selbst ist gut. Wir haben einen Referatsbischof, wir werden von den Bischöfen gehört. Unsere Stellungnahmen werden auch wahrgenommen.

Fairerweise muss man aber sagen, im Bereich der Entwicklung der katholischen Kirche in Österreich hat man eigentlich dieses große Standbein der Katholischen Aktion in den letzten 20 bis 25 Jahren eher vernachlässigt und hat das mit anderen geistlichen Bewegungen gefüllt. Das spürt man auch aus meiner Sicht, weil die Katholische Aktion wirklich in allen Farben präsent war. Durch dieses Ersetzen von verschiedenen Dingen bewerben Pfarren die Katholische Aktion jetzt nicht mehr so stark oder sehen sie auch nicht mehr so sehr als Vehikel der Pastoral.

Das ist ein spannender Prozess, den wir gestalten wollen. Wir fühlen uns da eigentlich auch als Impulsgeber, auch in der Hinsicht, dass die Kirche Räume schafft, wo sich Menschen treffen können, wo es auf die Getauften ankommt. Wollt ihr, dass Menschen auch in 50 Jahren noch etwas von der Botschaft hören? Das ist unser Zug, auch die Bischöfe wieder mehr dafür zu gewinnen, eigentlich auf diese bewährte Form der Katholischen Aktion zu setzen.

Frage: Gucken Sie da manchmal ein bisschen neidisch rüber nach Deutschland, dass das ZdK eigenständiger agieren kann und nicht so sehr von den Bischöfen?

Kaineder: Wenn es um die finanziellen Ressourcen geht und um die Möglichkeit, auch Dinge in die Hand zu nehmen – und das ist auch immer wieder Geld, dann blicken wir schon ein wenig neidisch dorthin. Wir waren auch in Berlin und haben dort das ZdK besucht. Es gibt aber auch unter uns die Möglichkeit, es wurde dann nur verloren oder nicht mehr weiter kultiviert, dass wir uns mit Eigenmitteln oder mit solidarischen Finanzierungsmodellen auch wieder neu aufstellen.

Wir sehen uns selbst im Paradigma des Gehens, also nicht in der institutionellen Sesshaftigkeit, sondern die Katholische Aktion muss eher in Anlehnung an die Ordensgemeinschaften eine prophetische Dimension der Kirche sein. Von daher sehen wir eigentlich: Wenn die Kirche in 30 oder 50 Jahren Bestand haben will, dann kann das ja nicht nur auf Basis der Hierarchie geschehen, sondern das muss aus einem Netz von aktiven und begeisterten Menschen kommen. Ich glaube, weil die Strukturprozesse in Österreich auch ziemlich hierarchisch geprägt sind, werden wir vielleicht so was erleben wie die Genossenschaften des Gemeinwesens, wo sich Leute zusammentun.

In Österreich gibt es zum Beispiel in Ottensheim eine Kulturgenossenschaft, also Menschen, die genossenschaftlich Kultur betreiben. So muss man sich das auch vorstellen, dass Menschen vielleicht genossenschaftlich miteinander das betreiben, was Jesus auf den Weg gebracht hat. Das fehlt mir auch ein wenig beim synodalen Prozess, das ist fast eine Sprachlosigkeit in Richtung einer tiefen Jesus-Orientierung. Man hört viel von Struktur und von Begriffen, aber diese tiefe Jesus-Orientierung fehlt mir. Aber vielleicht ist sie auch ganz selbstverständlich und man spricht nicht darüber. So erlebe ich das auch öfter. Aber ich glaube, es braucht wieder eine massive Orientierung hin zu diesem Jesus-Geschehen und dem, was sich daraus entfaltet hat. Es hat ja doch ein paar Hundert Jahre gedauert, bis sich die Kirche institutionell mit der Macht verknüpft hat. Das ist auch, glaube ich, unser Dilemma in dieser Zeit.

Das gelochte Metallkreuz des Synodalen Weges
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht (Symbolbild)

"Ich schätze den Synodalen Weg sehr, auch diese klare und gedankliche, am synodalen Habitus festgemachte Art der Treffen und der Körpersprache, wie man zusammenkommt", sagt Ferdinand Kaineder. "Ich schätze, dass man wirklich als Netz agiert, auf Augenhöhe miteinander spricht und sich darauf einlässt."

Frage: Den synodalen Prozess haben Sie gerade schon angesprochen. Das Dokument, das letzten Sommer aus Österreich in den Vatikan gegangen ist, überschneidet sich ja sehr mit den Wünschen der Gläubigen in Deutschland. Frauenweihe ist da ein ganz großes Thema, mehr auf die Menschen an den Rändern blicken, mehr Mitbestimmung für Laien wird sich auch gewünscht. Wie betrachten Sie das?

Kaineder: Aus meiner Sicht ist es auch bei den Bischöfen angekommen, dass das wirklich das virulenteste Thema ist. Wir selbst sprechen wirklich sehr konsequent von einer Art Verfassungsfehler, der der Kirche innewohnt. Wir können drüber sprechen. Manche sagen auch, der synodale Prozess wird die Leute hinhalten. Er beruhigt sie wieder und so wird es bleiben.

Wir reden ganz offen vom Verfassungsfehler, der darin besteht, dass die Geschlechter unterschiedlich behandelt werden. Die Geschlechterfrage ist nicht offen. Wenn der synodale Prozess nicht in einer Veränderung des Kirchenrechts mündet, dann wird das aus meiner Sicht nicht wirklich zielführend sein. Das Bestehende ist durch das rechtlich Institutionelle abgesichert.

Wir müssen weitergehen. Das Ding müssen wir so angehen, dass das Leben im Rucksack Platz hat. Die Leute sollen mitkommen. Bei uns in Österreich gibt es ja auch Stimmen wie etwa die vom Wiener Dogmatiker Tück, der davor warnt, dass die Risse im Gebälk wieder größer werden. Da merkt man ja das Interesse. Es soll sich nicht fundamental ändern, aber die Geschlechterfrage muss fundamental geändert werden. Das muss sich auch im Kirchenrecht abbilden.

Ich bin auch überzeugt, die zwei Prinzipien synodal und hierarchisch müssen in einem richtigen Verhältnis zueinander sein. Das machen jetzt Firmen sogar der Kirche nach. Aber das synodale Prinzip ist ja 40 Jahre oder länger vernachlässigt worden. Das Netz als Netz zu sehen und synaptisch zu denken, das ist ja die Zukunft. Die Hierarchie hat den Sinn, wenn es zu einem Chaos oder zu einer Unordnung kommt, dass man dann schon sagen kann, das bringen wir in Ordnung. Jetzt wird eigentlich die Hierarchie, also die Spitze als Lösung gesehen. Da werden die Leute nicht mitgehen. Da werden die Leute sich auch distanzieren.

Das Schlimme ist, dass sich Leute derzeit von der Kirche distanzieren, die in der Kirche engagiert waren. Sie haben sich engagiert und sind müde geworden. Wenn das Hierarchische das fallen lässt, da muss dieses Netz gelingen im Blick auf die Zukunft. Da muss zum Beispiel auch die Bischofsernennung mit dem Prinzip einer Wahl verbunden sein. Die Ortskirche kann nicht einfach dasitzen und staunend warten, was auf sie zukommt. Das muss in irgendeiner Form mit der Ortskirche unbedingt verknüpft sein. In Deutschland und in Basel gibt es da schon Modelle. Es soll zudem nicht nur im Geheimen, sondern auch transparent verknüpft sein. So etwas wünsche ich mir vom synodalen Prozess.

Da bin ich auch den Deutschen sehr dankbar. Die haben eine Klarheit in den Formulierungen. Die Texte sind viel länger als in Österreich, weil wir da das Gemütlichere wieder mitbringen. Aber ich bin da sehr dankbar, dass hier klar gedacht wird und dass auch theologisch reflektiert wird und die Dinge wirklich auf den Punkt gebracht werden, wo es weitergehen muss, soll und sicherlich auch kann.

Frage: Da sprechen Sie jetzt über den Synodalen Weg in Deutschland. Wie blicken Sie denn auf den Synodalen Weg? Es gibt aus dem Ausland auch viel Kritik.

Kaineder: Ich war selbst in Bratislava bei den europäischen Sozialtagen der Europäischen Bischofskonferenz dabei. Dort wird einem klar, wie unterschiedlich die Körpergestalten von nationalen katholischen Kirchen mitunter sind. In diesen Unterschiedlichkeiten, glaube ich, muss man das auch sehen und dem muss man auch Rechnung tragen. Ich bin fest überzeugt, wenn wir weltweit sehen, wird die Weltkirche nicht umhinkommen, dass sie den regionalen Bezügen einfach mehr Raum gibt.

Was die Spannungen und die Auseinandersetzungen betrifft: Ich schätze den Synodalen Weg sehr, auch diese klare und gedankliche, am synodalen Habitus festgemachte Art der Treffen und der Körpersprache, wie man zusammenkommt. Ich schätze, dass man wirklich als Netz agiert, auf Augenhöhe miteinander spricht und sich darauf einlässt. Das haben wir in Mariazell zum Beispiel gehabt, wo auch ich dabei war. Das war beispielsweise so wie in Deutschland auch in Österreich für einzelne Bischöfe eine Schwierigkeit, dass man sich auf Augenhöhe sieht. Aber das muss sein.

Zudem wundere ich mich immer wieder, wie die hierarchische Kirche sich absentiert von den Erfahrungen der Ordenskirche. Die Orden sind doch ein ganz wesentlicher, prophetisch gedachter Teil von Kirche. Da ist es doch verwunderlich, dass man dort nicht Know-how und auch Erfahrungen reinholt. Es passiert, ich muss ganz ehrlich sagen, es sind ja auch Ordensleute dabei beim Synodalen Weg und auch bei uns in Österreich, aber das ist ja im Grunde genau das Thema. Die Ordenskirche ist eine synodale, kooperative, kollegiale und wählende Kirche. Jeder Orden, bis auf die Ausnahme, glaube ich, der Jesuiten, wählen ihre Oberinnen und Oberen. Da muss auch kein Bischof mehr seine Zustimmung geben, sondern die wählen das. So wird eine Äbtissin gewählt und gut ist es. Dass man sich da nicht traut, diese Erfahrung und dieses Modell wesentlich mehr auch in der diözesanen Kirche zu berücksichtigen, da bin ich öfters verwundert.

Von Renardo Schlegelmilch