Forscherinnen: Herausgabe von Akten hat zu lange gedauert

Stasi-Archiv weist Vorwurf aus Hamburger Missbrauchsstudie zurück

Veröffentlicht am 28.02.2023 um 16:29 Uhr – Lesedauer: 

Schwerin/Berlin ‐ Die Herausgabe von Stasi-Akten habe zu lange gedauert, Dokumente seien vorsortiert und teils geschwärzt geworden: Diesen Vorwurf der Autorinnen der Missbrauchsstudie für die Kirche in Mecklenburg lässt das Stasi-Archiv nicht auf sich sitzen.

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Nach der Veröffentlichung einer Untersuchung zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche zu DDR-Zeiten verteidigt sich das Bundesarchiv gegen einen Vorwurf der Studienautorinnen. Sie kritisieren, dass die Herausgabe von Stasi-Akten zu lange gedauert habe. Demgegenüber erklärte das Bundesarchiv, zur Auffindung der beantragten Unterlagen seien umfangreiche Recherchen nötig gewesen. Zudem hätten die Forscherinnen einen Termin für eine umfangreiche Akteneinsicht nicht wahrgenommen, sagte ein Sprecher der Berliner Behörde am Dienstag auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA).

Die Forscherinnen um die Ulmer Psychiaterin Manuela Dudeck hatten am Freitag in Schwerin eine Studie über Missbrauchsfälle in der Kirche Mecklenburgs von 1946 bis 1989 vorgestellt. Dazu hatte es Akten aus kirchlichen und staatlichen Archiven gesichtet. Die Wissenschaftlerinnen bemängelten, dass das zum Bundesarchiv gehörende Stasi-Unterlagen-Archiv einem Antrag auf Akteneinsicht für 42 Personen erst nach 15 Monaten Wartezeit stattgegeben habe. Dabei hätten sie nur für zwölf der beantragten Akten eine Einsichtserlaubnis erhalten. Diese seien vom Archiv vorsortiert und zum Teil geschwärzt worden. So seien Informationen, die nicht die Arbeitszeit beschuldigter Pfarrer betrafen, unberücksichtigt geblieben.

Sprecher: Antrag wurde prioritär behandelt

Dem Sprecher des Bundesarchivs zufolge wurde der Antrag der Forscherinnen prioritär behandelt. Unmittelbar nach Eingang im Januar 2021 hätten Beschäftigte mit den Recherchen in der Zentrale und den Außenstellen begonnen. Zu 24 der angefragten Personen seien Unterlagen gefunden worden. In einem zweiten Schritt wurde nach Angaben des Sprechers geprüft, ob die Unterlagen dem Forschungsthema direkt zuzuordnen seien. Grund sei, dass die Herausgabe gemäß Stasi-Unterlagen-Gesetz zweckgebunden erfolge. Nach dieser Prüfung seien acht sogenannte Vorgänge herausgabefähig gewesen. Insgesamt hätten 104 Vorgänge und mehr als 20.000 Seiten durchgesehen werden müssen.

Einen für Februar 2022 angebotenen Termin, an dem die Forscherinnen vor Ort die Originalakten unanonymisiert hätten lesen können, lehnten diese laut dem Sprecher mit der Begründung ab, der Aktenumfang sei zu gering. Um den Forscherinnen Kopien der Akten zu übersenden, hätten diese gemäß Stasi-Unterlagen-Gesetz anonymisiert werden müssen. Hintergrund sei, dass die Stasi-Unterlagen auf rechtswidrige Weise zusammengetragen worden seien. Angaben zu Betroffenen im Sinne des Stasi-Unterlagen-Gesetzes dürften nur dann nicht anonymisiert herausgegeben werden, wenn diese zuvor eine Einwilligungserklärung abgegeben hätten. Zur Darstellung der Studienautorinnen, dass die Behörde die Arbeitszeit der Geistlichen als Kriterium für die Schwärzung herangezogen habe, äußerte sich der Sprecher zunächst nicht. Der Inhalt der Aussage der Forscherinnen werde derzeit noch innerbehördlich geprüft.

Am Montag hatte sich auch der Hamburger Erzbischof Stefan Heße zu den Ergebnissen der Studie geäußert. Dabei kündigte er weitere Missbrauchs-Untersuchungen für sein Erzbistum an. Diese sollen in Abstimmung mit der Aufarbeitungskommission und dem Betroffenenrat das ganze Gebiet des Erzbistums Hamburg erfassen, sagte Heße. Zudem plädierte der Erzbischof für eine gesamtdeutsche Studie nach zuvor festgelegten Kriterien. (tmg/KNA)