Fünf deutsche Bischöfe in neue Fachgruppe zu Missbrauch gewählt
Die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hat die im vergangenen Jahr von ihr beschlossene Neustrukturierung des Themenfeldes "Sexueller Missbrauch und Gewalterfahrungen" konkretisiert. Bei ihrer Frühjahrs-Vollversammlung in Dresden beschlossen die Bischöfe dazu ein "weiterentwickeltes Konzept", wie der Aachener Bischof Helmut Dieser am Mittwoch vor Journalisten erklärte. "Ziel der Neustrukturierung ist es – ausgehend von dem Leid und Unrecht der tief verletzten Menschen, die Missbrauch erfahren haben –, den Schutz vor sexuellem Missbrauch und Gewalt effektiv und kontinuierlich zu verbessern", sagte Dieser, der Vorsitzender der bischöflichen Fachgruppe für Fragen des sexuellen Missbrauchs und von Gewalterfahrungen ist. Dazu solle unter anderem die "Verstetigung, Bündelung und Weiterentwicklung der Regelwerke und Maßnahmen im Bereich sexuellen Missbrauchs und von Gewalterfahrungen" beitragen.
Kernelement der beschlossenen Neustrukturierung ist nach Diesers Angaben ein bereits im vergangenen Herbst angekündigter Expertenrat aus bis zu zehn Mitgliedern unterschiedlicher Disziplinen, der durch eine Auswahlkommission ohne kirchlichen Vertreter bestimmt werden soll; zwei der Mitglieder sollen durch den Betroffenenbeirat bei der DBK entsandt werden. Der Rat soll nach Angaben des stellvertretenden Vorsitzenden der bischöflichen Fachgruppe, Freiburgs Erzbischof Stephan Burger, am 1. Januar 2024 seine Arbeit aufnehmen. Laut Dieser soll das Gremium ein verbindliches Berichtswesen zu den bestehenden Regelwerken, Maßnahmen und Prozessen in den 27 deutschen Bistümern zum Umgang mit Fragen des sexuellen Missbrauchs etablieren.
Burger: Themenfeld Missbrauch ist zentrales Querschnittsthema
Neben Dieser und Burger wählte die Vollversammlung in Dresden zudem weitere Mitglieder für die bischöfliche Fachgruppe. Gewählt wurden laut Burger die Bischöfe Michael Gerber (Fulda), Franz Jung (Würzburg), Peter Kohlgraf (Mainz), Stefan Oster (Passau) und Heinrich Timmerevers (Dresden-Meißen). "Diese Besetzung zeigt, dass es sich beim Themenfeld Missbrauch um ein zentrales Querschnittsthema handelt", betonte Burger. Die Aufstellung als bischöfliche Fachgruppe, die als "Gegenüber" zum Expertenrat firmiert, mache außerdem die breite Verankerung in der Bischofskonferenz sichtbar: "Alle Bischöfe haben in ihren Bistümern und in ihren jeweiligen Aufgaben in der Deutschen Bischofskonferenz die bleibende Verantwortung für dieses drängende Thema und werden sie auch weiterhin wahrnehmen."
Burger erklärte weiter: "Wir Bischöfe müssen verantworten, was wir tun. Man wird uns an unserem Handeln messen." Viel sei in den zurückliegenden Jahren bereits geschehen. "Und doch spüren wir: Die Gefahr von Missbrauch ist eine Realität in unserer Kirche und unserer Gesellschaft, der wir wirkungsvoll entgegentreten müssen. Der Kampf gegen Missbrauch und Gewalt gehört daher auch in die Mitte von Kirche und Gesellschaft."
Neben dem Expertenrat und der bischöflichen Fachgruppe soll der bereits länger existierende Betroffenenbeirat bei der DBK als eigenständiges Gremium erhalten bleiben. Der Beirat habe schon in der jetzigen Struktur das Thema Verantwortung für Missbrauch immer wieder auf die Agenda gesetzt, so Bischof Dieser. Dass Betroffene sich trotz der Missbrauchserfahrungen immer wieder engagierten und nicht nachließen im Druck auf die Kirche, Verantwortung durch Prävention, Intervention, Aufarbeitung und Anerkennung wahrzunehmen, habe seinen "höchsten Respekt" und seine tiefempfundene Dankbarkeit. Es sei wichtig, dass auch künftig halbjährlich ein regelmäßiger Austausch mit Mitgliedern der bischöflichen Fachgruppe stattfinden werde.
"Wir sind Kirche": Fehlende Missbrauchsstudien "unverzeihlich"
Die Reformbewegung "Wir sind Kirche" betonte in einer Stellungnahme am Mittwochnachmittag, dass die Missbrauchsaufarbeitung in der Kirche "weiter intensiviert und beschleunigt werden" müsse. Für viele Betroffene komme die Neustrukturierung des Themenfeldes "Sexueller Missbrauch und Gewalterfahrungen" viel zu spät. Zudem müsse auch die Zusammenarbeit zwischen Kirche und Staat verbessert und beschleunigt werden. Es bleibe zu hoffen, dass die neue bischöfliche Fachgruppe bald vorzeigbare Ergebnisse zustande bringe, die auch mit den Betroffenengremien und -organisationen gut abgestimmt seien.
Als "unverzeihlich" kritisierte "Wir sind Kirche", dass es immer noch einige Bistümer gebe, die keine Missbrauchsstudien in Auftrag gegeben und entsprechende Gremien gebildet hätten. "Deshalb braucht es weiterhin den Druck der Betroffenen wie auch der Öffentlichkeit in dieser Sache. Dies auch unabhängig davon, zu welchen Ergebnissen der Synodale Weg in Deutschland kommen wird". (stz)