Wie die Päpstlichen Akadamien auch mal für Kontroversen sorgen

Der Vatikan: Keine Wissenschaft für sich

Veröffentlicht am 14.03.2023 um 00:01 Uhr – Von Severina Bartonitschek (CIC) – Lesedauer: 
Der Vatikan: Keine Wissenschaft für sich
Bild: © KNA

Vatikanstadt ‐ Papst und Vatikan wollen in allmöglichen Themen stets gut informiert sein. Hilfe leisten renommierte Wissenschaftler aus der ganzen Welt in den elf Päpstlichen Akademien – und da waren in der über 400-jährigen Geschichte einige bekannte Namen dabei.

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Künstliche Intelligenz, Züchtung von Organen, das Weltall, Krebsforschung, Krieg und Frieden, Umweltschutz und sogar Latein: Themen, über die Papst und Vatikan fundierte Informationen benötigen. Dazu lässt sich das Kirchenoberhaupt von einem ganzen Heer internationaler Wissenschaftler beraten. Und hat dazu elf Päpstliche Akademien gegründet.

Dabei schmückt sich die Leitung der katholischen Weltkirche auch mit zahlreichen Nobelpreisträgern. Allein in der Akademie der Wissenschaften beteiligten sich bislang 85 Wissenschaftler, die mit dem schwedischen Preis ausgezeichnet wurden. Unter ihnen befanden sich etwa der dänische Physiker Niels Bohr (1885-1962), der britische Bakteriologe und Penicillin-Entdecker Alexander Fleming (1881-1955), oder der deutsche Chemiker Otto Hahn (1879-1968). Knapp 30 Prozent der berufenen Akademiker sind aktuell Nobelpreisträger.

Ursprung in der Akademie der Luchse

Die hauptsächlich vom Heiligen Stuhl finanzierte Einrichtung hat ihre Wurzeln in der ersten ausschließlich wissenschaftlichen Akademie der Welt, der 1603 in Rom gegründeten Accademia dei Lincei (Akademie der Luchse). Ein Mitglied war Galileo Galilei (1564-1642). Nach dem Tod ihres Gründers Federico Cesi 1630 löste sich die Akademie wieder auf und wurde von Papst Pius IX. 1847 neu gegründet. Papst Pius XI. erneuerte die Einrichtung im Jahr 1936 und gab ihr den heutigen Namen.

Die Wissenschaftsakademie beschäftigt sich etwa mit Wissenschaftspolitik, Bioethik und Probleme in Entwicklungsländern. Geleitet wird sie vom Bonner Agrarwissenschaftler Joachim von Braun. Ihre Mitglieder wählen die Akademiker selbst, der Papst beruft sie anschließend. Die Akademie selbst bezeichnet sich als unabhängige Einrichtung des Heiligen Stuhls. Sie sei eine "unschätzbare Quelle objektiver Informationen, auf die der Heilige Stuhl und seine verschiedenen Organe zurückgreifen können", heißt es in ihrer Selbstbeschreibung.

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Einst Mitglied einer Päpstlichen Akademie: Galileo Galilei.

Dass freie Forschung innerhalb des Vatikan zu Kontroversen führen kann, zeigte zuletzt eine andere Päpstliche Akademie. Die von Erzbischof Vincenzo Paglia geführte Akademie für das Leben veröffentlichte vergangenes Jahr eine Sammelband mit Aufsätzen aus einer Konferenz. Darin wird unter anderem die Möglichkeit der Verwendung von Pille oder Kondom unter bestimmten Umständen wenigstens in Betracht gezogen. Gleiches gilt für das Thema der künstlichen Befruchtung. Dafür, Stimmen aufzunehmen, die einigen zentralen Morallehren der Kirche in Frage stellten, wurde die Akademie als vatikanische Einrichtung scharf kritisiert. Leiter Paglia wiegelte ab, berief sich auf die Zustimmung des Papstes zur Veröffentlichung sowie auf eine "offene und freie Debatte".

146 ordentliche und korrespondierende Mitglieder hat die 1994 von Papst Johannes Paul II. gegründete Akademie für das Leben. Diese sollen unabhängig von ihrer Religion oder Nationalität ausgewählt werden. Auch in ihrem Statut wird die wissenschaftliche Autonomie betont. Die Mitglieder, darunter der deutsche Psychiater Manfred Lütz, beschäftigen sich mit ethischen Fragen zu relevanten Zukunftsthemen. Dazu zählen neben Robotik auch Künstliche Intelligenz oder Palliativmedizin.

Neben Zukunftsmusik beschäftigt sich der Vatikan wissenschaftlich auch mit "alten Schätzen". So soll die 1810 gegründete Akademie der Archäologie das Studium ebendieser und die Geschichte der antiken und mittelalterlichen Kunst fördern. Ihre Mitglieder beschäftigen sich insbesondere mit den archäologischen und künstlerischen Denkmälern des Heiligen Stuhls. Die neueste Vatikan-Akademie beschäftigt sich mit einer der ältesten Sprachen der Welt. 2012 hatte Papst Benedikt XVI. die Latein-Akademie ins Leben gerufen, um die Sprache zu fördern. Ein Ergebnis davon sind etwa die wöchentlichen Nachrichten auf dem Portal Vatican News in der antiken Sprache – in gesprochener und geschriebener Form.

Päpstliche Astronomen oft aus dem Jesuitenorden

Weitere Akademien sind zuständig für Sozialwissenschaften, Theologie, Diplomatie, Märtyrer, die Lehre von Maria sowie die von Thomas von Aquin. Die älteste ist die 1542 von Papst Paul III. gegründete Akademie der Schönen Künste und Literatur.

Ebenfalls seit Jahrhunderten erforschen – päpstlich angeordnet – Astronomen das Weltall; viele von ihnen stammen aus dem Jesuitenorden. Die heute im Park der ehemaligen päpstlichen Sommerresidenz Castel Gandolfo in den Albaner Bergen gelegene Sternwarte zählt zu den weltweit ältesten Einrichtungen ihrer Art. Der Kalenderreformator Papst Gregor XIII. (1572-1585) beauftragte 1582 erstmals Jesuiten mit der Himmelsbeobachtung. Offiziell wurde die Sternwarte 1891 von Leo XIII. (1878-1903) gegründet. Ein großer Teil der Beobachtungen findet heute in einem Observatorium auf dem 3.270 Meter hohen Mount Graham im US-amerikanischen Arizona statt – der römische Nachthimmel war schlicht zu hell geworden.

Das vatikanische Forschungszentrum in den USA zählt heute zu einem der weltweit größten und modernsten Zentren für beobachtende Astronomie. Die Forschungsergebnisse der Vatikan-Sternwarte werden in internationalen Fachzeitschriften veröffentlicht. Mit einer alle zwei Jahre stattfindenden Sommerschule fördert das Observatorium zudem Absolventen der fortgeschrittenen Astronomie sowie Doktoranden in den ersten Jahren ihres Doktorats. Der Großteil der ausgewählten Teilnehmer kommt aus weniger entwickelten Ländern.

Drei neue Namen

Mit ihrer Forschung haben sich die jesuitischen Astronomen auch selbst ins Weltall befördert: Inzwischen tragen mehr als 30 Asteroiden Namen von Mitgliedern der Gesellschaft Jesu. Kürzlich erst kamen drei neue hinzu: Ugo Boncompagni, Johannhagen, Stoeger und Janusz.

Ugo Boncompagni war der bürgerliche Name des Sternarteninitiators Gregor XIII. (1572-1585). Der Österreicher Johann Hagen leitete die Sternwarte von 1906 bis 1930. Der im Jahr 2014 verstorbene Jesuit Bill Stoeger arbeitete als Astronom am Vatikan-Teleskop in den USA; Robert Janusz ist aktuell Mitarbeiter der Sternwarte und ebenfalls Mitglied der Gesellschaft Jesu.

Von Severina Bartonitschek (CIC)