Standpunkt

In der Debatte um Krieg und Frieden müssen wir im Gespräch bleiben

Veröffentlicht am 17.03.2023 um 00:01 Uhr – Von Tilmann Kleinjung – Lesedauer: 

München ‐ Beim evangelischen Kirchentag wird der Ukraine-Krieg ein großes Thema, nicht zuletzt wegen der Haltung der Theologin Margot Käßmann. Tilmann Kleinjung hofft darauf, dass der Kirchentag die Debatte um Krieg und Frieden konstruktiv weiterführt.

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Ich fürchte, dieser Krieg wird noch nicht zu Ende sein, wenn sich Anfang Juni rund 100.000 Menschen in Nürnberg zum evangelischen Kirchentag treffen. Gestern wurde das Programm vorgestellt: fast 2.000 Veranstaltungen, einige davon beschäftigen sich mit dem russischen Angriff auf die Ukraine, mit Waffenlieferungen und der Haltung der Kirche dazu. Die Protestanten sind da gespalten. Die EKD-Ratsvorsitzende Annette Kurschus sagt, der Einsatz von Waffen sei notwendig, um die Menschen in der Ukraine zu schützen. Der Friedensbeauftragte der EKD Friedrich Kramer findet, der Westen solle keine Waffen an die Ukraine liefern. Und Margot Käßmann, die prominenteste Theologin in Deutschland, hat sich mit ihrer Unterschrift unter den Aufruf von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer auch deutlich gegen Waffenlieferungen positioniert.

Auf dem Kirchentag in Nürnberg wird ihre Stimme fehlen. Sie habe abgesagt, teilte das Kirchentagspräsidium gestern mit. Das ist bedauerlich. Wo sonst, als auf Kirchentagen, kommen grundlegend verschiedene Positionen miteinander ins Gespräch? Genau deshalb ist dieses Forum wichtig, nicht nur für die Kirche, auch für die Gesellschaft. Die Debatte um Krieg und Frieden in der Ukraine muss geführt werden, auch kontrovers und ohne Absolutheitsanspruch.

Man kann, man muss den Krieg Russlands verurteilen und dennoch Auswege aus der Spirale der Gewalt fordern. Man kann dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill Kriegstreiberei vorwerfen und muss dennoch den ökumenischen Kontakt mit der Orthodoxie nicht komplett abbrechen. Und man kann die Unterschrift Margot Käßmanns unter diesem Aufruf für falsch halten und dennoch ihre Stimme hören. In der kirchlichen Debatte über Waffenlieferungen an die Ukraine dürfen die Argumente eines christlich motivierten Pazifismus nicht fehlen. Gut, dass Friedrich Kramer in Nürnberg dabei ist und mitdiskutiert.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine stürzt die Ukrainer in größte Nöte und uns in ein schweres Dilemma. Wie auch immer wir uns verhalten, wir bleiben etwas schuldig. Gerade deshalb ist es so besonders wichtig, dass wir im Gespräch bleiben. Vor allem auf Kirchentagen.

Von Tilmann Kleinjung

Der Autor

Tilmann Kleinjung ist Leiter der Redaktion Religion und Orientierung im Bayerischen Rundfunk (BR).

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.