Verschwörungsgläubige und C-Promis gründen "Bewegung der Russophilen"

Erzbischof Viganò und Steven Seagal – Russlands ziemlich letzte Freunde

Veröffentlicht am 17.03.2023 um 14:50 Uhr – Von Steffen Zimmermann – Lesedauer: 

Berlin/Moskau ‐ Welche dubiosen Freunde Russland in der Welt noch geblieben sind, konnte man am Dienstag bei der Gründung der "Internationalen Bewegung der Russophilen" sehen. Dabei war auch der umstrittene Erzbischof Carlo Maria Viganò. Er verbreitete – wieder einmal – schlimmen Verschwörungsirrsinn.

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Welche Freunde haben Russland und sein Präsident Wladimir Putin ein gutes Jahr nach dem völkerrechtswidrigen Angriff auf die Ukraine noch in der Welt? Um diese Frage zu beantworten, kann man sich wahlweise in den quer- und leerdenkenden Ecken des Internets umschauen oder an fragwürdigen Demonstrationen von Alice Schwarzer und Sarah Wagenknecht teilnehmen. Seit dieser Woche gibt es zudem eine eigene, ziemlich spezielle Gruppierung, die sich die Freundschaft und Treue zu Russland auf die Fahnen geschrieben hat: die "Internationale Bewegung der Russophilen".

Laut Medienberichten versammelten sich am Dienstag rund 90 Verschwörungsgläubige und C-Promis im Moskauer Puschkin-Museum, um die neue Vereinigung aus der Taufe zu heben. Mit dabei waren unter anderem der US-Schauspieler und Putin-Freund Steven Seagal – der einst durch Hollywood-B-Movies wie "Alarmstufe Rot" und "Auf brennendem Eis" bekannt wurde, inzwischen aber nur noch Filme dreht, die nicht mal mehr einen eigenen Wikipedia-Eintrag haben –, ein Enkel des früheren französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle und der frühere Vatikandiplomat und Immer-noch-Erzbischof Carlo Maria Viganò.

Versammlung irrelevanter und umstrittener Personen

Während wohl in fast jedem anderen Land der Welt eine solche Versammlung irrelevanter und umstrittener Personen ignoriert worden wäre, wurde das Treffen in Moskau sogar von der Staatsspitze geadelt. Offenbar greift man im Kreml nach jedem Strohhalm, der irgendwie nach internationaler Unterstützung aussieht. Und so beehrte als prominentester Gast Russlands Außenminister Sergej Lawrow ("Lügen-Lawrow") das Treffen mit seiner Anwesenheit. Zu hören bekamen die Anwesenden von ihm die inzwischen bekannten Propagandaaussagen, die der Ukraine und westlichen Ländern Nazismus unterstellten. Außerdem verlas der Minister ein Grußwort von Präsident Putin. Tröstlich für Lawrow: Anders als zuletzt am Rande des G20-Gipfels in Indien wurde er für seine Aussagen diesmal nicht vom Publikum ausgelacht.

Zuvor hatte der ehemalige bulgarische Parlamentsabgeordnete Nikolay Malinov, der jetzt unter US-Sanktionen steht, die Veranstaltung mit den Worten eröffnet, es sei an der Zeit, dass die "Kräfte des Lichts die Kräfte der Finsternis besiegen". De-Gaulle-Enkel Pierre wiederum erklärte am Rande der Veranstaltung gegenüber der britischen Zeitung "The Guardian", "für Frieden und Freundschaft werben" zu wollen. Allerdings wiederholte auch er dann nur die russische Propagandaerzählung, dass der Krieg in der Ukraine "von angelsächsischen Interessen provoziert und verursacht wurde". Sein älterer Bruder Yves hatte sich bereits Ende Januar von ihm distanziert, seine Ansichten beträfen "niemanden außer ihn selbst – nicht mich, nicht unsere Familie und noch weniger den General", also Charles de Gaulle.

Bild: ©picture alliance/dpa/TASS | Sergei Savostyanov

Russlands Außenminister Sergej Lawrow und US-Schauspieler Steven Seagal (v.l.) bei der Gründung der "Internationale Bewegung der Russophilen" am 14. März 2023 in Moskau.

Aus kirchlicher Sicht erschütternd war vor allem das Grußwort von Erzbischof Viganò. Der schon vor ein paar Jahren komplett ins unappetitliche Verschwörungsmilieu abgebogene frühere Apostolische Nuntius in den USA sprach in seinem per Video übertragenen Vortrag in schrillen Tönen über den russischen Krieg in der Ukraine und Russlands Rolle in der Welt. Russland sei die "letzte Bastion der Zivilisation gegen die Barbarei", fantasierte Viganò. Die Russische Föderation schare all jene Nationen um sich, die sich nicht der Kolonisierung durch die NATO, die Vereinten Nationen, die Weltgesundheitsorganisation, die Weltbank, den Internationalen Währungsfonds und "jenen Haufen von Stiftungen" unterwerfen wollten, deren Ziel die Indoktrination der Massen und die Manipulation von Informationen sei, um rechtmäßig gewählte Regierungen zu destabilisieren und Chaos, Kriege und Elend zu säen. Schlimmster Verschwörungsirrsinn.

Nach der "Pandemie-Farce" sei auch die Ukraine-Krise bewusst provoziert wurden, "um das soziale und wirtschaftliche Gefüge der Nationen zu zerstören, die Weltbevölkerung zu dezimieren und die Kontrolle in den Händen einer Oligarchie zu konzentrieren, die niemand gewählt hat und die einen regelrechten Staatsstreich verübt hat", so Viganò weiter. Die Theoretiker dieses Putsches hätten Namen und Gesichter, "angefangen bei George Soros, Klaus Schwab und Bill Gates". Schwab ist der Gründer und geschäftsführende Vorsitzende des jährlichen Weltwirtschaftsforums im schweizerischen Davos.

Papst Franziskus als eine "der Neuen Weltordnung genehme Person"

"Gefährliche Umstürzler" verübten einen Staatsstreich gegen die Menschheit, behauptete Viganò. Deren erklärtes Ziel sei die Errichtung einer "höllischen Tyrannei", in der der Hass auf Gott ebenso wie der Hass auf den nach seinem Bild geschaffenen Menschen, Krankheit, Tod, Unwissenheit, Armut, Gewalt, Egoismus und Korruption herrschten. "Es ist das Reich des Antichristen. Dieser Leviathan muss identifiziert und bekämpft werden", so der Erzbischof. Es brauche eine antiglobalistische Allianz, die den Bürgern die Macht zurückgebe, die ihnen genommen worden sei, und den Nationen die Souveränität, die sie der Lobby in Davos abgetreten hätten. "Die Russische Föderation wird dabei eine entscheidende Rolle spielen", prophezeite Viganò. Später verstieg er sich außerdem noch zu den in rechten Kreisen beliebten Behauptungen, dass der Wahlsieg von Joe Biden bei der US-Präsidentschaftswahl 2020 durch Betrug entstanden und Papst Benedikt XVI. (2005-2013) zum Rücktritt gezwungen worden sei, um mit Papst Franziskus "eine der Neuen Weltordnung genehme Person" auf den Stuhl Petri zu wählen.

Damit hatte Viganò es auch geschafft, die von ihm wohl am meisten verachtete Person in seiner wirren Rede unterzubringen. Immerhin gilt der Italiener seit Jahren als extremster Kritiker des amtierenden Papstes. 2018 hatte Viganò dem Pontifex im Zuge der Missbrauchsenthüllungen um den früheren Washingtoner Erzbischof Theodore McCarrick schwere Vorwürfe gemacht und ihn sogar öffentlich zum Rücktritt aufgefordert. Ab 2020 schaltete sich Viganò dann mit Verschwörungsmythen in die Corona-Debatte ein und ergriff wiederholt Partei für die Impfgegner. Immer wieder verbreitete der Erzbischof auch den Mythos, dass die Corona-Pandemie von fremden Mächten als Vorwand genutzt werde, um eine Weltregierung zu schaffen, "die sich jeder Kontrolle entzieht".  Sein jetziger Auftritt vor der "Internationalen Bewegung der Russophilen" dürfte ein Zeichen für seine weitere Radikalisierung sein.

Von Steffen Zimmermann