Beschwerdeverfahren für Machtmissbrauch in der Seelsorge

Bistum Münster führt Ordnung zum Umgang mit geistlichem Missbrauch ein

Veröffentlicht am 03.04.2023 um 14:19 Uhr – Lesedauer: 

Münster ‐ In Seelsorgebeziehungen sind Menschen verletzlich. Geistlicher Missbrauch kommt immer mehr in den Fokus der Kirche. Im Bistum Münster gibt es nun klare Regeln, wie mit Beschwerden von Betroffenen umzugehen ist.

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Im Bistum Münster gibt es für Betroffene geistlichen Missbrauchs jetzt einen geordneten Beschwerdeprozess. Im aktuellen Amtsblatt (April-Ausgabe) setzte Bischof Felix Genn eine "Ordnung zum Machtmissbrauch im Umfeld geistlich-seelsorglicher Begleitung" in Kraft. Ziel der Ordnung ist es laut ihrer Präambel, mögliche Fehlentwicklungen in Gemeinschaften und bei seelsorglichen Gesprächen rechtzeitig zu erkennen und zu handeln. Zwar gehöre christlicher Glaube und Gemeinschaft untrennbar zusammen. "Dennoch kann Gemeinschaft und geistliche Begleitung auch unheilvoll werden, etwa wenn geistliche Vertrauensbeziehungen verletzt sowie gesunde emotionale Grenzen missbräuchlich überschritten werden", heißt es in der Ordnung.

Zur Umsetzung werden mindestens zwei Ansprechpersonen benannt, die Meldungen zu Machtmissbrauch im Umfeld geistlich-seelsorglicher Begleitung aufnehmen. Auf Wunsch der Betroffenen leiten die Ansprechpersonen die Fälle an eine Koordinierungsinstanz weiter, die aus dem Generalvikar und drei weiteren Personen mit geeigneten Qualifikationen besteht, die je nach Fall berufen werden. Diese Instanz prüft den Vorgang und schaltet gegebenenfalls eine Clearingstelle ein, der externe und interne Mitglieder verschiedener Professionen wie Pädagogik, Psychologie, Recht oder Spiritualität angehören. Das dauerhaft eingerichtete Gremium gibt der Koordinierungsinstanz eine Empfehlung für das weitere Vorgehen. Als Maßnahmen gegen geistlichen Missbrauch sieht die Ordnung die kanonische Visitation einer Gemeinschaft, Beratung und Begleitung von Betroffenen, Begleitung von Beschuldigten sowie Interventionen vor.

Führungsaufsicht für beschuldigte und verurteilte Kleriker

Auch zum Thema sexueller Missbrauch gibt es neues Ortskirchenrecht in Münster. Im selben Amtsblatt wurden das Statut des Beraterstabs sowie eine Ordnung über die Führungsaufsicht für Kleriker, denen ihr geistlicher Dienst verboten oder eingeschränkt wurde, veröffentlicht. Der Beraterstab ist ein unabhängiges Beratungsgremium für die Aufgabe des Bischofs im Bereich der Prävention und Intervention sexualisierter Gewalt. Er befasst sich sowohl mit allgemeinen Themen in seinem Zuständigkeitsbereich als auch mit der Beratung von Einzelfällen.

Die Führungsaufsichtsordnung regelt den Umgang mit beschuldigten und verurteilten Klerikern. Unter Führungsaufsicht stehen nicht nur verurteilte Straftäter, sondern auch aus Mangel hinreichender Beweise Freigesprochene, Beschuldigte, bei denen eine kanonische Voruntersuchung keine Straftat festgestellt hat, die aber Fehlverhalten im Bereich des Zölibats und der priesterlichen Lebensführung zeigen, und Personen, gegen die eine kanonische Voruntersuchung, ein Straf- oder Verwaltungsführung läuft. Kleriker unter Führungsaufsicht werden mindestens zweimal jährlich von einer vom Bischof bestellten Aufsichtsperson besucht, die über die Einhaltung der im Einzelfall verfügten Maßnahmen wacht und ihre persönliche Situation in den Blick nimmt. Die Berichte der Aufsichtsperson werden zur Personalakte gegeben, außerdem berichtet sie gegenüber dem Beraterstab und den Personalverantwortlichen. Verweigert ein Kleriker die Begleitung durch die Aufsichtsperson wiederholt, erlässt der Bischof nach vergeblichen Verwarnungen eine strafbewehrte Anweisung. Die Führungsaufsichtsordnung gilt nur für Kleriker des Bistums Münster. Bei Priestern und Diakonen anderer Bistümer, die im Diözesangebiet wohnen, wird bei Bedarf eine Einzelfallregelung zur Aufsicht mit dem zuständigen Bischof getroffen.

Im vergangenen Jahr hat das Bistum Münster gemeinsam mit dem Bistum Osnabrück beim Institut für Religionspädagogik und Pastoraltheologie der Universität Münster eine Studie zu speziellen Formen von Machtmissbrauch in religiös-spirituellem Zusammenhang beauftragt. Die Forschungsgruppe unter der Leitung der Religionspädagogin Judith Könemann nimmt in diesem Frühjahr ihre Arbeit auf. Bei ihrer Vollversammlung im März hat die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) eine neue Arbeitshilfe mit dem Titel "Missbrauch geistlicher Autorität" beraten und beschlossen. Die Arbeitshilfe ist noch nicht veröffentlicht. (fxn)