Nach Missbrauchsstudie: Rottenburger Bischof kritisiert Freiburger Alterzbischof

Fürst wirft Zollitsch schwere Verletzung bischöflicher Pflichten vor

Veröffentlicht am 18.04.2023 um 17:50 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg/Rottenburg ‐ "Der Abgrund an Doppelmoral bei den Tätern ist erschreckend": Rottenburgs Bischof Gebhard Fürst hat sein Erschrecken über die Ergebnisse der Missbrauchsstudie für das Erzbistum Freiburg geäußert. Er sei "traurig und sprachlos".

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Der Rottenburger Bischof Gebhard Fürst hat sein Erschrecken über die am Dienstag veröffentlichte Missbrauchsstudie für das Erzbistum Freiburg geäußert. "Die heute in Freiburg vorgelegten Ergebnisse der Untersuchung von vier unabhängigen Experten zum Thema sexueller Missbrauch durch Geistliche seit 1945 machen mich traurig und sprachlos. Der Abgrund an Doppelmoral bei den Tätern ist erschreckend", erklärte Fürst in Rottenburg. Die Vertuschung von Straftaten und vor allem das vollkommene Desinteresse an den Betroffenen und ihren oftmals zerstörten Leben über einen langen Zeitraum hinweg durch die beiden Erzbischöfe Oskar Saier und Robert Zollitsch stellten eine schwere Verletzung der Pflichten des bischöflichen Hirtenamtes dar und stünden in einem großen Widerspruch zur Heilsbotschaft des Evangeliums Jesu Christi.

Fürst erklärte, er habe sich während der Zeit von Erzbischof Zollitsch als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) immer wieder gefragt, "weshalb wir uns als DBK nicht entschiedener der Aufklärung von sexuellem Missbrauch gestellt haben". Vor allem nach dem Skandal um das Berliner Canisius-Kolleg 2010 sei ihm unerklärlich gewesen, warum die Konferenz über Wochen hinweg zum sexuellen Missbrauch in der Kirche geschwiegen habe "und nicht wenigstens auf die – leider in vielen Diözesen nicht eingehaltenen –  Beschlüsse zum Umgang mit sexuellem Missbrauch hingewiesen wurde. Heute weiß ich, warum das so war", sagte der der 74-jährige Oberhirte. Zudem wisse er jetzt auch, dass damals die Diözese des DBK-Vorsitzenden eine Anfrage der Konferenz für eine deutschlandweite Übersicht von Missbrauchstätern einfach nicht beantwortet habe.

Lob für Zollitschs Nachfolger Stephan Burger

Die Enttäuschung und den Ärger der Menschen über das Fehlverhalten von Priestern und hohen geistlichen Würdenträgern wie jetzt in Freiburg könne er sehr gut verstehen, so Fürst weiter. Leider würden auch im Bistum Rottenburg-Stuttgart nun wieder – wie vor 15 Monaten nach dem Gutachten für das Erzbistum München und Freising – die Zahlen der Kirchenaustritte steigen. "Da wird dann nicht mehr groß unterschieden", erklärte der Diözesanbischof. Zugleich betonte er, dass das jetzt in Freiburg offengelegte Fehlverhalten und Versagen hoher Würdenträger mit dem Amtsantritt von Zollitschs Nachfolger Stephan Burger 2014 ein Ende gefunden habe: "Erzbischof Burger verfolgt meiner Einschätzung nach gleichfalls einen klaren Kurs der Aufklärung und der Prävention und hat durchgesetzt, dass in sozialen Härtefällen in Freiburg auch monatliche Zuschüsse an Opfer ausgezahlt werden."

Die am Dienstag veröffentlichte Bericht zum Erzbistum Freiburg sieht bei den früheren Erzbischöfen Robert Zollitsch und Oskar Saier schweres Fehlverhalten und gravierende Rechtsverstöße im Umgang mit Straftaten durch Priester. Der Schutz der Institution Kirche und der Täter habe über allem gestanden, sagte Studienautor Eugen Endress bei der Vorstellung des 600-Seiten-Berichts. Für Betroffene und Angehörige habe es dagegen keine Hilfen gegeben. Der Leiter der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs im Erzbistum Freiburg, Magnus Striet, geht von mehr als 250 Priestern seit 1945 aus, die des Missbrauchs schuldig sind oder beschuldigt werden. Die Zahl der Opfer gab Striet mit mindestens 540 an. Die Zahlen seien aber mit großer Vorsicht zu betrachten, weil von einem erheblich größeren Dunkelfeld auszugehen sei. (stz)