Die Kirche als Heimat geht immer mehr Menschen verloren
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Zur Romantik des römisch-katholischen Kirchentums gehört wohl die Sehnsucht nach einer kirchlichen Beheimatung. Für heutige Boomer galt es schließlich in den 1970er Jahren nicht nur, ein Senfkorn Hoffnung zu pflanzen, sondern auch zu kommen und ein Haus zu bauen, das beschützt. Die Pfarrfamilie war der vermeintlich sichere Hort, geleitet vom Pfarrvater, der die Schäfchen hütete.
Die Kirche war nicht nur symbolisch Heimat, sondern als Kirche im Dorf neben dem heimischen Wohnzimmer ein vertrauter Ort. Diese Heimat geht immer mehr Menschen verloren – und das nicht nur, weil viele Kirchengebäude geschlossen und manchmal sogar, wie der Abriss euphemistisch beschrieben wird, niedergelegt werden. Auch das pfarrfamiliäre Vertrauen ist zerstört worden, weil allzu viele, die sich als geistliche Väter verehren ließen, die ihnen Anvertrauten schamlos und verbrecherisch missbraucht haben. Physisch und spirituell ist viel gegangen, weil das Vertrauen gegangen ist. Die kirchliche Heimat ist verloren, man ist – wie Regina Laudage-Kleeberg es nennt – obdachlos katholisch geworden.
Die tragende Struktur ist offenkundig zutiefst marode geworden. Reformvorschläge erscheinen eher wie kosmetische Reparaturen, die die eigentliche Substanz kaum mehr retten können. Im wahren Leben würde man Abriss und Neubau empfehlen. Das aber kommt bei einer Gemeinschaft, die von einer stetigen Erneuerung, nicht aber von einer permanenten Revolution lebt, kaum in Frage. Im Gegenteil: Ebenso lapidar wie fatalistisch wird immer wieder behauptet, die Kirche habe keine Vollmacht, die hierarchische Struktur zu ändern – und sei sie auch noch so offenkundig ruinös.
Da hilft es wohl eher, sich an die Worte dessen zu erinnern, auf den sich die Kirche beruft. Auf den Wunsch eines Schriftgelehrten, er wolle nachfolgen, wohin er gehe, antwortet Jesus lakonisch: "Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat keinen Ort, wo er sein Haupt hinlegen kann." (Mt 8,20) Irdische Heimat ist offenkundig kein Wesensmerkmal für die, die Jesus nachfolgen – eher schon die Wanderschaft. Das Gottesvolk soll pilgern, gesandt in die Welt.
Heimatlosigkeit scheint das Schicksal der wahren Zeuginnen und Zeugen Jesu zu sein. Es ist wohl Zeit, die morschen Gemäuer zu verlassen und endlich wieder in die Welt zu gehen. Jesus hat es so gewollt. Christliche Existenz ist im Innersten wohl Nomadentum ...
Der Autor
Dr. Werner Kleine ist Pastoralreferent im Erzbistum Köln und Initiator der Katholischen Citykirche Wuppertal.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.