Oberzeller Franziskanerinnen engagieren sich bei "Churches for Future"

Ordensfrau: Kirche hätte Aufgabe von "Fridays for Future" gehabt

Veröffentlicht am 01.05.2023 um 12:09 Uhr – Von Melanie Düßel – Lesedauer: 

Zell am Main/Bonn ‐ Schwester Beate Krug ist Umweltingenieurin und Oberzeller Franziskanerin. Ihre Gemeinschaft ist Teil von "Churches for Future". Wie es dazu kam, warum ihr die Umwelt am Herzen liegt und welche Aufgabe sie dabei bei der Kirche sieht, erklärt sie im katholisch.de-Interview.

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Seit 2018 demonstrieren vor allem junge Menschen bei "Fridays for Future" für den Umweltschutz. Daraus ergeben sich auch Untergruppen wie etwa "Christians for Future", in denen sich Einzelpersonen engagieren. Bei "Churches for Future" finden sich Gruppierungen zusammen – so wie die Oberzeller Franziskanerinnen. Deren Nachhaltigkeitsbeauftragte, Schwester Beate Krug, erzählt im Interview vom Einsatz für Klimagerechtigkeit.

Frage: Schwester Beate, Ihre Gemeinschaft ist Teil von "Churches for Future". Wir kam es dazu?

Schwester Beate: Wir wurden durch das ökumenische Netzwerk Klimagerechtigkeit aufmerksam. Seit 2019 sind wir dort Mitglied und im selben Jahr entwickelte sich die Bewegung "Churches for Future". Das fanden wir unterstützenswert und haben uns angeschlossen. Wobei das ja auch ein loser Verbund ist und nichts Verbindliches – wie bei "Fridays for Future".

Frage: Das war aber nicht Ihre erste Beschäftigung mit dem Thema.

Schwester Beate: Wir hatten bereits in den 90er Jahren eine Gruppe, die sich im franziskanischen Kontext mit den Schlagwörtern Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung (GFBS) beschäftigt hat. 2013 wurde die franziskanische Verantwortung zur Bewahrung der Schöpfung in unserem Kapitel vertieft und festgehalten. Daraufhin wurden weitere Schritte eingeleitet, sodass wir 2016 meine Stelle als Nachhaltigkeitsbeauftragte eingeführt haben. Ich bin also in unserer Gemeinschaft die Ansprechpartnerin für alle Umwelt-Belange. Kurze Zeit später haben wir gemeinsam mit einer Gruppe aus Schwestern und Mitarbeitenden Schöpfungsleitlinien erarbeitet, die wir seit 2017 implementiert haben. Diese sechs Punkte versuchen wir konkret peu à peu umzusetzen.

Frage: Was sind das zum Beispiel für Punkte?

Schwester Beate: Mir persönlich und meiner Gemeinschaft sind die Sensibilisierung und die Bewusstseinsbildung wichtig, sowohl intern als auch extern: Es gibt Studientage für Schwestern und Mitarbeitende sowie Ausstellungen im Haus, die auch Gäste anschauen können. Unser Haus Klara, das Gästehaus, ist seit 2019 EMAS-zertifiziert, also nachhaltig. Wir versuchen also, möglichst viele Menschen dazu zu motivieren, sich einzusetzen. Aber natürlich tun wir auch was, etwa durch Maßnahmen wie dem Austausch durch effizientere Pumpen in den Heizungsanlagen oder dem Austausch von herkömmlichen Lampen durch LEDs.

Bild: ©

Unter anderem 2019 nahmen die Oberzeller Franziskanerinnen an der Klimademo teil.

Frage: Was bedeutet der Klimaschutz für Sie persönlich?

Schwester Beate: Der Klimaschutz war mir schon in meiner Jugend ein Anliegen. Er ist meine Art, mein Ordensfrau-Sein zu leben, mit meinen Talenten und meinem Wissen. Ich bin Umwelt-Ingenieurin. Wir Oberzeller Franziskanerinnen setzen uns seit der Gründung für benachteiligte Frauen in herausfordernden Situationen ein. Das ist für mich eine große Motivation, denn mit dem Engagement für Klimaschutz setze ich mich auch für Frauen, Kinder, insbesondere Mädchen ein. Sie sind oft die Leidtragenden: Wenn ich an den globalen Süden denke, wo Mädchen oft stundenlang laufen müssen, um Wasser für die Familien zu holen. Oder wo Frauen dafür verantwortlich sind, dass die Familien mit Gemüse versorgt sind, wo immer größere Dürren oder Überschwemmungen Ernten zunichtemachen.

Frage: Welche Pflicht haben Sie hinsichtlich des Klimaschutzes, Sie und Ihre Gemeinschaft, weil Sie Franziskanerinnen sind?

Schwester Beate: Pflicht würde ich nicht sagen, das ist ein großes Wort. Wenn, dann habe ich eine Pflicht als Mensch, als Christin. Es ist eine urchristliche Pflicht, sich für die Zukunft und die Schöpfung einzusetzen. Der franziskanische Blick ist dabei auch wichtig. Franziskus hat alle Geschöpfe als Brüder und Schwestern bezeichnet. Wir sollten mit allen Elementen und somit auch mit dem Klima sowie der Luft als Geschwister leben. Auch spielt der soziale Aspekt ein, sich für die anderen einzusetzen, den Benachteiligten, den Nächsten zu sehen. Das zeigt sich auch momentan in den Energiepreisen, die sich ärmere Menschen weniger leisten können als reiche Menschen. Alles ist miteinander verknüpft.

Frage: Wie sieht Ihr Engagement für "Churches for Future" aus? Ich habe unter anderem Bilder von Demonstrationen gesehen.

Schwester Beate: Genau, wir beteiligen uns auch an den Klimastreiks. Meist gibt es zweimal im Jahr große, globale Klimastreiks. Während der Pandemie ging das etwas zurück, aber jetzt fängt das wieder an. Wir haben auch zwei große Banner, die zum Beispiel an den Häusern hängen oder an der Klostermauer, gerade zu den Klimastreiks oder in der Schöpfungszeit, die die christlichen Kirchen jährlich vom 1. September, dem Weltgebetstag für die Schöpfung, bis zum 4. Oktober, dem Fest des heiligen Franziskus, feiern. Es gibt hier eine regionale Gruppe von Engagierten. Wir hatten auch ein Gespräch mit dem Bischof, um zu überlegen, was man tun kann. Es geht im kirchlichen Sinn um einen Dreischritt. Dazu gehört die Liturgia, um für die Sache zu beten. Die Martyria, die Verkündigung: Uns ist ein Leben in Fülle geschenkt und wir können dazu beitragen, dass alle ein Leben in Fülle haben. Und natürlich die Diakonia, das Wirken. Das muss Hand in Hand gehen.

Bild: ©Kloster Oberzell/Schwester Beate Krug

Um ein Zeichen zu setzen, hängt ein Banner an der Klostermauer der Oberzeller Franziskanerinnen.

Frage: Wie haben Sie die Stimmung bei den Streiks wahrgenommen?

Schwester Beate: Der erste große Streik war 2019. Das fand ich schon beeindruckend. Wir waren eine größere Gruppe an kirchlichen Akteurinnen und Akteuren aus Würzburg und Umgebung. Insgesamt habe ich die Stimmung als sehr positiv wahrgenommen: Wir wollen was verändern, geben dem Ganzen eine Stimme und setzen uns dafür ein. Beim letzten Klimastreik jetzt im März waren viele Menschen auf der Straße in Würzburg und ich finde es schön zu sehen, dass jetzt nach der Corona-Pause wieder mehr für diesen Anliegen kämpfen und es nicht versandet.

Frage: "Fridays for Future" – sagen wir mal als Dachverband – steht teils in der Kritik. Das seien nur Schulschwänzer oder Kinder reicher Eltern, die nicht wissen, was sie sonst machen sollen. Wie sehen Sie das?

Schwester Beate: Ich sehe, dass die Bewegung "Fridays for Future" uns als Menschheit einen Dienst erwiesen hat, indem das Thema Klimawandel – oder ich spreche lieber von Klimagerechtigkeit – wieder mehr ins Bewusstsein und auf die politische Agenda gerückt ist. Das sehe ich als Hauptverdienst, weil das Thema präsenter ist als vor fünf Jahren, bevor "Fridays for Future" angefangen hat. Ich verstehe die jungen Menschen, weil es mehr ihre als zum Beispiel meine Zukunft betrifft. Von daher kann ich die Kritik hören, aber würde sie mir nicht zu eigen machen. Die Bewegung greift das auf, was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schon seit Jahrzehnten sagen und bringen das einer breiteren Masse ins Bewusstsein. Im Prinzip wäre das auch eine Aufgabe der Kirchen, auf das Leid, das durch den Klimawandel entsteht, aufmerksam zu machen.

„Aktionen, die direkt mit der Sache zu tun haben, wie zum Beispiel das Festkleben im Straßenverkehr, kann ich nachvollziehen, denn ohne eine Verkehrswende wird Deutschland die selbst gesetzten Klimaziele nicht erreichen. Meiner Ansicht nach sind Aktionen, die nicht unmittelbar mit Klimaschutz in Verbindung stehen, der Sache nicht dienlich. Bedauerlich und dem Anliegen nicht gerecht werdend finde ich, wenn mehr über die Art und Weise des Widerstands als über das Ziel gesprochen wird.“

—  Zitat: Schwester Beate über die "Letzte Generation"

Frage: Und wie bewerten Sie die Aktionen der sogenannten Letzten Generation?

Schwester Beate: Die Letzte Generation fordert primär ein Tempolimit auf deutschen Autobahnen und bezahlbaren öffentlichen Nahverkehr. Das sind Ziele, die auch viele Bundesbürger:innen unterstützen. Mit diesen Anliegen kann ich mich solidarisieren, was ich faktisch bereits durch meine Unterschrift getan habe. Die Letzte Generation übt gewaltfreien zivilen Widerstand aus, ein Mittel, das bereits seit Jahrhunderten in verschiedensten Kontexten eingesetzt wird, um die Öffentlichkeit auf Missstände aufmerksam zu machen. Aktionen, die direkt mit der Sache zu tun haben, wie zum Beispiel das Festkleben im Straßenverkehr, kann ich nachvollziehen, denn ohne eine Verkehrswende wird Deutschland die selbst gesetzten Klimaziele nicht erreichen. Meiner Ansicht nach sind Aktionen, die nicht unmittelbar mit Klimaschutz in Verbindung stehen, der Sache nicht dienlich. Bedauerlich und dem Anliegen nicht gerecht werdend finde ich, wenn mehr über die Art und Weise des Widerstands als über das Ziel gesprochen wird.

Frage: Wie könnte sich die Kirche denn mehr im Klimaschutz engagieren? Sehen Sie Orden, insbesondere Ihre Gemeinschaft, als Vorreiter?

Schwester Beate: Ich sehe uns nicht als Vorreiterin; wichtig ist, dass alle ihren Teil beitragen. Wir Ordensgemeinschaften haben den Vorteil, dass wir unabhängiger von kirchlichen Strukturen sind und Entscheidungen schneller getroffen und umgesetzt werden können. Wenn wir dadurch andere zum Mitmachen animieren können, freut uns das. Den Verkündigungsauftrag könnte die Kirche mehr übernehmen und natürlich den Worten Taten folgen lassen. Außerdem kommt da auch der Friedensaspekt mit rein, so nah wie uns der Krieg jetzt gerückt ist. Es steht außer Frage, wie viel Klimaschäden ein Krieg anrichtet, weil viel zerstört wird. Jeder Beitrag zum Frieden ist auch ein Beitrag zum Klimaschutz. Da könnte die Kirche sich mehr als Friedensbotschafterin hervortun. Die Verbindung von Schöpfung und Natur müsste von kirchlicher Seite auch mehr ins Bewusstsein gerückt werden: Ich schütze nur das, was ich liebe. Da könnte es mehr Angebote geben zur Wahrnehmung dieser Vielfalt, zum Beispiel, indem man Gottesdienste draußen feiert.

Von Melanie Düßel