Wie können wir den Weg kennen?
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Das heutige Tagesevangelium steht im Johannesevangelium am Beginn der sogenannten Abschiedsreden Jesu. Die Jünger sitzen mit Jesus zusammen und essen gemeinsam das Pascha-Mahl, Judas hat das Haus bereits verlassen. Bevor Jesus mit den 11 Jüngern in den Garten Getsemani aufbricht, lässt der Evangelist ihn eine lange Rede halten. In diesen Abschiedsreden, die sich formal dreiteilen lassen, spricht Jesus das letzte Mal ganz privat mit seinen Jüngern. Hier kondensiert der Evangelist Johannes die Botschaft Jesu, er lässt Jesus sein Testament sprechen. Gleichzeitig sind die Abschiedsreden literarisches Mittel des Evangelisten, die Probleme und Ängste seiner eigenen johanneischen Gemeinde ins Gespräch zu bringen, Jesus ihre Sorgen und Nöte ansprechen zu lassen. Für die einen sind die Probleme und Nöte die angesprochen werden Zukunftsmusik, vielleicht noch unvorstellbar; für die anderen sind sie schmerzliche Gegenwart.
In unserer Perikope bringt Thomas die größte Angst der Jüngerinnen und Jünger auf den Punkt: "Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen?" (Joh 14,5) Anders formuliert, wie können wir denn wissen, was Du in unseren ganz konkreten Lebenssituationen gedacht und getan hättest? Woher sollen wir denn wissen, welche Wege Du einschlagen würdest? Auf diese Frage nach den richtigen Wegen, nach der Nachfolge ohne den irdischen Jesus in unserer Mitte zu haben, antwortet der johanneische Jesus in unserem Evangelium.
Jesus widerspricht Thomas und macht deutlich, dass seine Jünger, dass wir den Weg Jesu kennen. Wir kennen den Weg, den Jesus uns in doppeltem Sinne vorangegangen ist. Den Weg zum Vater durch den Tod ins ewige Leben und den Weg ins schon hier auf Erden beginnende Reich Gottes. Er bekräftigt die Zusage in dem bekannten Wort von den vielen Wohnungen beim Vater, dass auch wir auf Auferstehung und Ewiges Leben beim Vater hoffen dürfen. Und er erinnert uns daran, dass wir in den Worten und Taten Jesu sehr wohl den Weg gesehen haben, der zum Aufbau des Reiches Gottes auf Erden führt. Die 11 Jünger können hier auf ganz konkrete Erlebnisse mit dem irdischen Jesus zurückblicken, wir Jüngerinnen und Jünger heute werden auf all das zurückverwiesen, was wir im Johannesevangelium bereits von und über Jesus gelesen haben. Jesus spricht uns Mut zu: Wir kennen die Wege, die er gegangen ist und wir dürfen uns auf unser Herz und unseren Glauben verlassen. Und so auch frohen Mutes, geistvoll und in seinem Sinne unsere Gegenwart und Zukunft gestalten – hin auf das Reich Gottes auf Erden und das Ewige Leben, das uns verheißen ist.
Aus dem Evangelium nach Johannes (Joh 14,1–12)
In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern: Euer Herz lasse sich nicht verwirren. Glaubt an Gott und glaubt an mich! Im Haus meines Vaters gibt es viele Wohnungen. Wenn es nicht so wäre, hätte ich euch dann gesagt: Ich gehe, um einen Platz für euch vorzubereiten? Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Und wohin ich gehe – den Weg dorthin kennt ihr.
Thomas sagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen? Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich. Wenn ihr mich erkannt habt, werdet ihr auch meinen Vater erkennen. Schon jetzt kennt ihr ihn
und habt ihn gesehen.
Philíppus sagte zu ihm: Herr, zeig uns den Vater; das genügt uns. Jesus sagte zu ihm: Schon so lange bin ich bei euch und du hast mich nicht erkannt, Philíppus? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen. Wie kannst du sagen: Zeig uns den Vater? Glaubst du nicht, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist?
Die Worte, die ich zu euch sage, habe ich nicht aus mir selbst. Der Vater, der in mir bleibt, vollbringt seine Werke. Glaubt mir doch, dass ich im Vater bin und dass der Vater in mir ist; wenn nicht, dann glaubt aufgrund eben dieser Werke! Amen, amen, ich sage euch: Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich vollbringe, auch vollbringen und er wird noch größere als diese vollbringen, denn ich gehe zum Vater.
Die Autorin
Schwester Jakoba Zöll ist Olper Franziskanerin. Sie arbeitet an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Mittlere und Neuere Kirchengeschichte und schreibt an Ihrer Promotion.